linux-l: Billgotchi - endlich!???

Florian Schintke schintke at schintke.isdn.cs.tu-berlin.de
Sa Okt 11 12:19:59 CEST 1997


FYI:
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"Billgotchi"

Am 10.   Oktober 1996   startete der   japanische Spielwarenhersteller
Bandai Testverkäufe  mit 3000  Exemplaren seines virtuellen  Haustiers
Tamagotchi.  Das  eiförmige     Minispielzeug mit  16x32-Pixel-Display
entwickelte sich in Rekordzeit  zur Seuche: Fünf Wochen  später rissen
die Japaner innerhalb von zwei Tagen die gesamte Produktion von 80.000
Stück  aus den  Regalen. Inzwischen  ist  der Boom  international, der
Hersteller kommt  nicht mit der Produktion nach,   und überall gibt es
traurige Kinder (3 bis 80  Jahre),  weil sie keinen Tamagotchi  haben.
Aber nicht weinen, Leute. Wer einen  PC hat, besitzt damit schon lange
ein virtuelles Haustier, gegen das Tamagotchi ein lahmer Abklatsch ist
-  auch  was den  kommerziellen   Erfolg  angeht. Hier die  offizielle
Bedienungsanleitung. 

"Ausschlüpfen"

Nach  der  Installation von Windows  (Version  egal) dauert es nur ein
paar Minuten, und der kleine  digitale Quälgeist pellt sich aus seiner
Shell.   Keiner  weiß genau, wie   er  aussieht.  Aber er  ist  frech,
hinterlistig und schwer erziehbar. Immer  zu Streichen aufgelegt, hält
das  putzige Kerlchen den  Mauszeiger fest, verwüstet den Schreibtisch
seines  Herrn oder  schaltet heimlich  die  Grafikauflösung um. Selten
schaut der  Bildschirm so aus, wie  man ihn verlassen hat,  womit auch
dem stursten Technik-Gläubigen klar sein müßte: Da drin lebt was! 

"Fuettern"

Kriegt Billgotchi nicht   regelmäßig Happa-Happa, wird er  sauer.  Wer
Hinweise über den Zustand  seines  Haustiers sucht, findet sie   unter
"Einstellungen/Systemsteuerung/System/Leistungsmerkmale"   -  trotzdem
sagen sie  nichts aus. Gotchi täuscht gern  mit der  Auskunft "optimal
konfiguriert" und benimmt sich  dennoch  daneben. Er kommuniziert  mit
spaßigen Botschaften vom  Kaliber "reagiert nicht" oder "die Anwendung
ist  überlastet". Gotchilein  setzt  drollige Buttons,  auf denen etwa
"Task beenden" steht - die aber trotzdem nicht funktionieren. 

"AA"

Besonders  ulkig ist es, wenn der  Kleine seine Platte vollkackt. Alle
Nase   lang  läßt er   riesige  Stinkerhäufchen fallen, die  mit einer
unanständigen Wellenlinie beginnen und gern auf .tmp enden. Doch nicht
immer  sind die Abfälle so klar  zu erkennen. Seine  Ordner scheißt er
schnell  mit  50,  60  MByte  DLL-Boellern   zu.   Aber Vorsicht  beim
Aufputzen:   Billgotchi  wird   todkrank,    wenn  man    eine  seiner
Lieblingsausscheidungen entsorgt. 

"Disziplin"

Ein Haustier  muß von Zeit zu Zeit   geschimpft werden. Bei Billgotchi
heißen solche Strafen >>Treiber<<.  Die Freunde des  kleinen Fieslings
beschenken einen  mit  Unmengen dieser ausgefuchsten Dinger,  aber sie
sind  so gebaut, daß   sie vor allem  dem  Herrchen Sorgen  machen. Im
Billgotchi-Kauderwelsch        heißt das >>veraltet<< oder >>schlampig
programmiert<<. 

"Spielen"

Um ein  Tierchen muß man  sich kümmern. In unvorhersehbaren Abstaenden
macht Billgotchi    auf   sich aufmerksam und    schickt  Herrchen zum
Gassigehen: "Update" kaufen! Und  dann  muß Herrchen stunden-, ja  oft
tagelang  mit  Billgotchi spielen.  Und  zwar  nicht einfach bloß  ein
bißchen Knöpfe drücken, nein, das  Repertoire ist enorm: Bücher kaufen
(und lesen!), Hotlines anrufen (und dabei teure Musik hören!) oder gar
(ehemalige) Freunde zu sich einladen, zum Mitspielen. 

"Licht ausmachen"

Irgendwann muß auch Billgotchi    schlafen gehen. Früher  knipste  man
einfach mit dem  dicken Schalter das Licht  aus,  aber seit Gotchi  so
hochentwickelt    ist,   besteht     er  auf   einem     komplizierten
Zu-Bett-Geh-Ritus.   Aus     unerfindlichen   Gründen  sagt    er dazu
>>Herunterfahren<< (in die Hoelle?).  Selten geht er gleich  schlafen,
sondern  fragt noch   dummes  Zeug (möchten   Sie die  Änderungen   in
^#<kwrxLT34,b)% speichern?). Bockig wird unser Liebling, wenn er alten
Kram  aus der SpielzeugDOSe bekommen  hat.   Dann nuschelt er  todmüde
zuerst "Anwendung beenden"  ohne Herrchen das  dazugehoerige Geheimnis
(Strg-Alt-Q   oder  so)   zu verraten.   Ein   echtes Miststück   wird
Billgotchi,  wenn man   vor   seinem   Abendgebet etwa  den    Scanner
ausschaltet: Dann geht er nur mit roher Gewalt in die Heia, und keiner
weiß, was für ein Monster er am nächsten Morgen ist! 

"Das Ende"

Kann Billgotchi   sterben? Die   grausige Antwort:    nein!  Irgendwie
krabbelt  er jedesmal  wieder  aus der Grube.  Wie   oft schon gab  es
Hoffnung,  daß  das alte  Biest für immer  über  den Jordan  ist, aber
jedesmal  brachte  der Hersteller   ein   neues, noch  bunteres,  noch
tolleres  Billgotchi heraus, und die  Seuche hielt  an. Ja, sie erfaßt
sogar beständig mehr  Menschen.  Abermillionen von Billgotchi-Herrchen
haben die Kellerregale voll mit  den alten Schachteln der teuren alten
Versionen. Aber irgendwie ist  er uns allen ja auch  ganz arg ans Herz
gewachsen, oder? 
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Viele Gruesse

Florian Schintke
-- 
E-Mail: schintke at cs.tu-berlin.de
WWW   : http://user.cs.tu-berlin.de/~schintke/




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