linux-l: VMware Auseinandersetzung

Wolfgang Pietsch wpi at _R_E_M_O_V_E_._T_H_I_S_.berlin.snafu.de
Di Mär 23 05:31:12 CET 1999


Mit Interesse habe ich den Thread "DOS, 3.1, 95, 98, NT & Linux nativ
unter X benutzen" in der linux-l gelesen. Als ein von IBM VM/ESA
Konvertierter wunderte ich mich etwas, daß dieses BS und dessen
Konzept dort gar nicht erwähnt wurde. Auch in anderen, ja noch recht
frischen Diskussionen liest man immer wieder "Windows und Linux
parallel", "Windows unter Linux", etc.

Ich meine, daß "Windows unter Linux" mit VMware ganz nett ist, aber
nicht das eigentliche Konzept repräsentiert. Für Win16/Win32 Programme
unter Linux ist Wine der bessere Ansatz, besonders im Idealzustand
*ohne* darunterliegende MS-Bibliotheken. Wine wird für den Einzeluser
optimiert und vor einem X-Bildschirm sitzt auch i.d.R. nur eine(r).

Bevor ich sage, warum mir VMware gefällt, ein kurzer Ausflug zu den
Elefanten... ;-)


(++++++++++++++++++++)


History: VM/ESA hatte (hat) 3 Haupteinsatzgebiete...


***** 1.) Server für Gastbetriebssysteme (/370- /390- Architektur)


Als Gäste kommen hauptsächlich VSE´s zum Einsatz. Ist ein kleines BS
für Batch- und Transaktionsdienste (CICS). In vielen kleinen und
mittleren Firmen mit kleineren Mainframes zu finden.

VM/ESA ist Ressourcen-Manager, stellt virtuelle Netzwerkverbindungen
für die Gäste, 4, 8, weiß der Geier, VSE´s laufen auf einer Hardware.
Die Gast VSE´s werden meist aus organisatorischen Gründen aufgeteilt.

Aber auch das große MVS/ESA läuft unter VM/ESA.


***** 2.) Testplattform

Durch komplett virtualisierte Hardware können den Gast-BS
Konfigurationen "vorgespielt" werden, die real gar nicht vorhanden
sind, oder von anderen Gästen produktiv genutzt werden. So legt das
fehlerhafte Kanalprogramm eines Test-BS nicht die Platte lahm, sondern
kriegt vom virtuellen Device (VM) eins auf den Deckel. Oder was aus
der Mottenkiste... An neueren Hobeln waren eigentlich nie irgendwelche
Lochkartengeräte angeschlossen, trotzdem lief eine Menge Kommunikation
zwischen virtuellen Maschinen über von VM emulierte "Reader"- und
"Punch"-Devices. Virtuelle Leitungen für SDLC und HDLC, virtuelle
Kanalverbindungen, alles da.

In VMware finde ich das virtuelle Ethernet *höchst* interessant !


***** 3.) Interaktiver Betrieb

VM/ESA hat im Gegensatz zu VMware ein vollständiges Kommandointerface
(CMS) für Einzeluser, Anwendungen und Systems Management Funktionen.
Befehle werden in Befehlsklassen eingeordnet, z.B. A=Operator
(Shutdown, Performance, Real Device Management), C=Sysprog. (Real
Storage lesen, schreiben), G=General (Normaluser ohne Sonderrechte).

Multi-Bildschirm Betrieb läuft im 3270-Modus, kein GUI aber
Full-Screen möglich. Ein Nebeneffekt des Non-GUI Betriebs war, daß in
Pre-Lotus Zeiten auf einem großen VM/ESA Hobel über 10000 User
parallel mit ihren E-Mail, Kalender, Info-Datenbank Anwendungen laufen
konnten.


(++++++++++++++++++++)


VMware könnte ich mir gut in einem Office mit vielleicht 5-10
Arbeitsplätzen vorstellen. Ein großer X86-Hobel, noch besser Alpha,
MP, mit reichlich Hauptspeicher und Platten (RAID), 10 Grafikkarten
(das muß natürlich unterstützt werden !!!, am besten digitale
Ansteuerung, damit ein Bildschirmkabel auch mal länger sein darf),
Linux drunter, VMware drauf, für die User meinetwegen ihr Windows
(1 Kopie) und den virtuellen Spielern kommen wir mit "renice 20" !
(Oder doch lieber "renice -15" ? ;-)

Gegenfrage: Wieso dann nicht klassisch mit Server, Ethernet, Samba,
PC´s mit Windows oder X-Server ?

Weniger Hardware, Kabel, gefällt mir irgendwie besser. Das ganze
Systems Management, Flexibilität, Security. VMware Gastsysteme könnten
z.B. direkt von einem Linux Logical Volume Manager profitieren.
Prozessoren werden wesentlich effektiver genutzt, als in Einzel-PCs
nur "rumzuidlen". Die 64 MB vom Chef PC, der höchstens mal bißchen
Word und E-Mail macht, liegen nicht nur rum. Brauche ich mal
kurzzeitig 128 MB, dann kriege ich sie auch.

Viele Leute behaupten, Hardware wird immer billiger, besser sind
derartige Systeme real als virtuell zu realisieren, VMware ist mit
300$ zu teuer, Overhead ist zu groß, ein Gastabsturz reißt doch
irgendwann alles runter... "Für Zuhause" ist der VMware Preis sicher
ein Knackpunkt, wird alles aber nur ein wenig größer, steigen die
Systems Management Kosten exponentiell an, vor allem wenn
"dazugebastelt" wird.

Overhead und Stabilität hat das große VM schon früh gut in den Griff
bekommen, einer VMware Beta-Version darf man da sicher noch einiges
zugestehen.

Interessant finde ich, daß VMware auf ein eigenes "CMS" und
Device-Management verzichtet und auf Linux aufsetzt. Das Rad wurde
nicht 2x erfunden und dem Admin. der seine Umgebung kennt kommt´s
entgegen. Interessant noch, daß der Linux-Host vor dem NT-Host
rausgekommen ist. Subjektiv gefällt mir die Linux Lösung (sowieso ;-)
besser, kuckt man nur mal auf die ganzen Security-Flaws von NT.

In Richtung "Unterstützung mehrerer direkt angeschlossener
Bildschirme" müssen sich Linux und VMware noch weiterentwickeln. Dann
macht das, was ich oben phantasiert habe, Sinn. Die Anzeige des
Gast-BS in einem Fenster unter X ist für den Einzelplatzanwender
sicher nett, Cut & Paste zwischen 2 unabhängigen Systemen ist toll,
aber so große Screens, die zwei 1024x768er Fenster nebeneinander
lesbar darstellen sind für mich noch bißchen teuer...

Regards Wolfgang (ist *kein* VMware Distributor)



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