linux-l: Ais der Welt der Toene

Florian Cramer paragram at gmx.net
Di Nov 2 13:31:07 CET 1999


Am Tue, 02.Nov.1999 um 00:28:06 +0100 schrieb Hendrik Zobel:
> On Mon, 01 Nov 1999, Dr. Bernd Freistedt wrote:
> > MP3 ist nun der (vor-)letzte Schrei fuer die Musikkonserve.
[...]
> Aber genau da liegt doch der Markt! mp3-sites, music-on-demand,
> tragbare Player, teuere WinDose-software...

Ohne hier offtopic werden zu wollen: Ich kann den mp3-Hype nicht verstehen,
und die angebliche Parallele zur freien Software entzieht sich vollständig
meinem Begriffsvermögen.

- Eine Kompressionsrate von ungefähr 1:10 resultiert immer noch in 50-60 MB
Daten für eine Stunde Musik. Mit 64kbit-ISDN und optimalem Datendurchsatz im Netz
folgen daraus zwei Stunden Downloadzeit. 

- Ein MP3-Download ist somit signifikant langsamer und teurer als das
Nachbrennen einer Audio-CD, und die Tonqualität der Konserve ist signifikant
schlechter. Die Anschaffungskosten eines CD-Brenners dürften sich gegenüber
exzessiven MP3-Downloads schnell amortisieren.

- MP3 ist ein weiterer Schritt, Audio-Wiedergabetechnik so zu designen, daß
sie dem Hörer Mainstream-Musikstile aufoktroyiert, da das Format praktisch
untauglich ist für Musik mit hochdifferenzierter Stimmführung und
hochvariabler Dynamik (d.h. klassische Musik, Neue Musik, Vokalmusik, Jazz,
bestimmte Formen außereuropäischer Musik).

- Eine MP3-Datei ist ein Kompilat ohne Sourcecode. Wollte man das Modell
Freier Software auf Musik übertragen, so bräuchte man ein Dateiformat, daß
(a) mindestens alle Tonspuren trennt, (b) die Ansteuerungsparameter der
Tonmischung getrennt von den Tonspuren speichert, (c) die
Ansteuerungsparameter elektronischer Instrumente im Quellcode und
vollständig rekonstruierbar speichert wie eine MIDI-Datei, (d) falls
Musik algorithmisch komponiert wurde (z.B. mit Programmen wie Opcode MAX),
die Algorithmen der Partitur in (e) einer Programmiersprache, die entweder
nach ISO standardisiert ist oder für die es Freie Software-Implementationen
(wie jMax, PD oder bestimmte Lisp-Dialekte für Musikprogrammierung)
mitliefert.

- Da dies alles nicht zutrifft, haben MP3-Dateien entweder den Status von Warez
oder von Share-/Free-/Demoware ohne Quellcode, sind also aus Sicht von Open
Source-Musikern ein Rückschritt z.B. gegenüber MIDI-Dateien oder
Tracker-Dateien in offenen Formaten wie XM.

Florian

-- 
Florian Cramer, PGP public key ID 6440BA05
Permutations/Permutationen - poetry automata from 330 A.D. to
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