[linux-l] Bundestux im Off -> Artikel auf heute.t-online.de

Sven Guckes guckes at math.fu-berlin.de
Di Feb 26 23:34:22 CET 2002


* Mortimer Graf zu Eulenburg <Mortimer.Eulenburg at y-e-p.de> [020225 15:45]:
> [garble]

fuer alle die's nicht lesen konnten - Text anbei.

Sven

===
http://www.heute.t-online.de/ZDFheute/artikel/0,1251,COMP-0-178460,00.html

von Katrin Kolbe, 23.02.2002

Linux für die Server, Windows für PC im
Abgeordnetenhaus IuK-Vorsitzender Küster: Bundestag in
"strategisch günstiger Position" Die Kommission für
Informations- und Kommunikationstechnik (IuK) des
Ältestenrates wird am kommenden Donnerstag über ein
neues Betriebssystem für den Bundestag entscheiden.
Nach Aussage des IuK-Vorsitzenden Uwe Küster (SPD) im
Gespräch mit heute.online ist die Entscheidung
weitgehend gefallen.  Nur beim Verzeichnisdienst sei
noch offen, ob ab 2003 im Abgeordnetenhaus ein
Open-Source- oder Microsoft-Produkt eingesetzt wird.

heute.online: Die Unternehmensberatung Infora hat
vergangene Woche die Machbarkeitsstudie für Linux oder
Windows als Betriebssystem im Bundestag vorgelegt.
Können Sie die Ergebnisse kurz zusammenfassen?

Uwe Küster: Lassen Sie mich mit den Hintergründen
beginnen, damit das ganze richtig eingeordnet wird.
Vor etwa anderthalb Jahren hat uns die Nachricht
ereilt, dass Microsoft ab 2003 das Software-Produkt
Windows NT nicht mehr unterstützen wird.  Seitdem
steht fest, dass wir eine Migration unseres
Betriebssystems, was wir flächendeckend im deutschen
Bundestag haben, vornehmen müssen. Eigentlich ist das
etwas ganz Normales, nur dieses Mal haben wir in die
Produkt-Prüfung auch Open-Source-Produkte mit
eingeschlossen.

Kommission für Informations- und Kommunikationstechnik
Die IuK-Kommission besteht aus elf Mitgliedern. Fünf
stellt die SPD, drei die Union, die Grünen, FDP und
PDS jeweils einen. Die Kommission berät den
Ältestenrat in allen Fragen der Informations- und
Kommunikationstechnik, sofern sie den Bundestag selbst
betreffen, und bereitet die Entscheidungen des
Ältestenrates in diesen Fragen vor.

Im Ergebnis hat die Studie zwei von vier Möglichkeiten
besonders hoch bewertet.  Bei der einen wird Linux auf
einer großen Zahl von Servern laufen. Darüber hinaus
wird das Microsoft-Produkt Active Directory
eingesetzt, das müsste auf Windows-Servern laufen. Die
zweite Variante, die ebenfalls hoch bewertet wurde,
ist, dass alle Server auf Linux umgestellt werden und
als Verzeichnisdienst das Open-Source-Produkt Open
LDAP gewählt wird. Nach der Bewertung ist die zweite
Variante mit rund drei Prozent weniger Punkten
bewertet worden.

heute.online: Wenn man den Vorschlägen der Studie
folgt, wird im Bundestag weiterhin überwiegend Windows
eingesetzt und nur in einigen bestimmten Bereichen
Open-Source-Produkte.

Küster: Wir haben im deutschen Bundestag ungefähr 150
Server. Für diese liegt uns der Vorschlag vor, alle
Server auf Linux umzustellen. Die Frage, was wir mit
den rund 5000 Clients, also den rund 5000 PC in den
Büros, machen, ist in der Studie auch einschlägig
beantwortet: Die geht davon aus, dass die PC auf
Windows XP bzw. Office XP umgestellt werden.  Wenn Sie
das mengenmäßig miteinander vergleichen, heißt das
natürlich, dass nur ein kleiner Teil - sprich die
gesamte Serverwelt - auf Open Source umgestellt wird
und der große Teil, die Clients, bleiben nach wie vor
bei Microsoft-Produkten.

Es ist also keine komplette Umstellung, die der
Bundestag jetzt in Richtung Open Source vornimmt,
sondern ein Einstieg.

heute.online: Insofern ist die vorgeschlagene
Mischvariante ein Schritt voran im Vergleich zum
derzeit genutzten System.

Küster: Wir sind damit in einer strategisch günstigen
Lage. Wie eine Spinne mitten im Netz können wir uns
dann zukünftig die Produkte und Lösungen greifen, die
uns von der sachlichen Anwendung her am meisten
interessieren und auch keinen Monopolistenpreis mehr
darstellen.

heute.online: Wie hoch werden die Kosten für die
Umrüstung des Bundestages sein?

Küster: Es ist ja nicht bloß die Frage, was die
Software und die Hardware-Komponenten, die unter
Umständen nachgerüstet werden müssen, kostet.  Bei den
Kosten ist auch die Schulung und der Support für die
nächsten Jahre mit eingerechnet.  Insgesamt liegt der
Kostenfaktor bei ungefähr 9,5 Millionen Euro.

heute.online: Wieviele Linux-Befürworter
und -Gegner gibt es in der Kommission?

Küster: Bislang gehen die Diskussionen davon aus, dass
wir uns in der Serverwelt in Richtung Linux bewegen
sollen. Bei der Frage, ob wir auch bei der
Office-Anwendung in Richtung Open Source gehen
sollten, ist die mehrheitliche Ansicht der Kommission
zurzeit eher nein. Bei einer flächendeckenden
Ausrüstung wäre das von der Kostenseite her derzeit
eher ungünstig. Insofern ist die gesamte Kommission
auf den Einsatz von Open-Source-Produkten in
bestimmten Bereichen eingestimmt.

Das Einzige, wo die Meinungen zurzeit
auseinanderfallen, ist die Frage, ob man sich beim
Verzeichnisdienst in Richtung des Microsoft-Produktes
Active Directory bewegt oder zu dem Open-Source-Produkte
Open LDAP. Unsere Sichtweise - die der SPD- und
Grünen-Fraktion - ist die, dass wir uns eher in
Richtung Open LDAP bewegen sollten.  Damit können wir
uns auch in drei, vier, fünf Jahren, wenn wir
Nachfolgerdiskussionen haben, jedem anderen Produkt
zuwenden.  Wenn wir das Microsoft-Produkt nehmen, sind
wir wiederum ziemlich eng an die Microsoft-Welt
angekoppelt, also strategisch ungünstig am Markt
platziert.

Mit dem Active Directory wird ein zentraler, d.h.
domänenübergreifender Verzeichnisdienst in das
Betriebssystem integriert, in dem umfassend
Informationen über alle verwalteten Benutzerkonten und
Ressourcen in einer Datenbank gespeichert werden
können. Open LDAP macht im Prinzip das gleiche, ist
allerdings unabhängig vom Betriebssytem. Ein solcher
Verzeichnisdienst erleichtert dem Administrator die
Arbeit, da alle relevanten Daten nur noch an einer
Stelle gespeichert und verwaltet werden. Das ganze
birgt natürlich auch Risiken, da jetzt nur noch an
einer Stelle personenbezogene Daten gespeichert
werden.

heute.online: Besonders aus Sicherheitsgründen soll
gerade der E-Mail-Server auf Linux-Software aufbauen.

Küster: Sicherlich spielt das eine Rolle.  Allgemein
wird Open-Source-Software von der strategischen
Bedeutung in der Sicherheitsfrage von Netzen sehr hoch
eingeschätzt. Microsoft hat vor einigen Monaten
entschieden, sich einen Monat ausschließlich
Sicherheitsfragen zuzuwenden. Nach meiner Bewertung
haben sie es einfach versäumt, Sicherheit als
strategische Entwicklungslinie mit im Auge zu
behalten.  Insofern muss man sich nicht wundern, wenn
es bei den Kunden zu Verstimmungen kommt. Viele andere
haben sich gegen Microsoft entschieden.  Ich habe
gerade vor ein paar Tagen gehört, dass das Pentagon
25.000 PC auf Open Source umgestellt hat. Das ist
natürlich ein hohes Vertrauen, das vom Pentagon in die
Open-Source-Entwicklung investiert wird.

heute.online: Wie wird Ihrer Meinung nach die
Entscheidung am kommenden Donnerstag aussehen?

Küster: Wir haben noch knapp eine Woche Diskussionszeit,
da werden noch ein Haufen telefonische und persönliche
Gespräche geführt. Die Öffnung auf den Servern ist keine
Diskussion mehr, auch bei den Clients ist klar, dass es
bei Windows XP bleibt. Des Weiteren gehe ich davon aus,
dass mehrheitlich eine Entscheidung für Open LDAP
getroffen wird, um uns zukünftig am Markt besser
platzieren zu können.

heute.online: Wie schnell wird Ihre Beschlussempfehlung
an den Ältestenrat weitergegeben? Wird der Ältestenrat
einfach zustimmen oder wird es in dem Gremium noch neue
Diskussionen geben?

Küster: So einfach ist der Ältestenrat nicht
strukturiert, dass er das Ganze einfach durch
Handauflegen absegnet.  Ich denke, es wird dort noch
einmal eine kurze Diskussion geben.  Terminiert ist dies
für den 14. März. Da wird der Ältestenrat das als
Vorlage haben und gegebenenfalls auch entscheiden.

=== Kurzlebenslauf von Uwe Küster

Uwe Küster wurde 1945 in Magdeburg geboren.  Seit 1990
sitzt der Ehemann und Vater zweier Kinder für die SPD
im Bundestag. Seit diesem Jahr ist Küster Mitglied der
IuK-Kommission, seit 1994 hat er den Vorsitz inne.

=== Zitate

"Die Öffnung auf den Servern ist keine Diskussion
mehr, auch bei den Clients ist klar, dass es bei
Windows XP bleibt.  Des Weiteren gehe ich davon aus,
dass mehrheitlich eine Entscheidung für Open LDAP
getroffen wird, um uns zukünftig am Markt besser
platzieren zu können." --Uwe Küster

"Ich habe gerade vor ein paar Tagen gehört, dass das
Pentagon 25.000 PC auf Open Source umgestellt hat.  Das
ist natürlich ein hohes Vertrauen, was vom Pentagon in
die Open-Source-Entwicklung investiert wird."
--Uwe Küster

"Insgesamt liegt der Kostenfaktor bei ungefähr
bei 9,5 Millionen Euro." --Uwe Küster

"Es ist also keine komplette Umstellung, die der
Bundestag jetzt in Richtung Open Source vornimmt,
sondern ein Einstieg." --Uwe Küster



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