[linux-l] [_ at gmx.de: heise online: Mit Digital Rights Management direkt in den Zensurstaat]

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Do Jan 23 22:45:05 CET 2003


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Mit Digital Rights Management direkt in den Zensurstaat



 Die Aktion privatkopie.net[1], Vertreter von Cyber-Rights-Gruppen,
Hochschulen und Bibliotheken haben heute in Berlin eindringlich an die
Bundesregierung und den Bundestag appelliert, den heftig umstrittenen
Entwurf[2] für ein neues Urheberrecht nicht in der bisherigen Form zu
verabschieden. Die Politik sei dabei, warnte Andy Müller-Maguhn vom Chaos
Computer Club (CCC[3]), das Zepter gänzlich an die Medienindustrie
abzugeben: "Die Frage der Information wird eine Frage des Budgets". Die
Regierenden würden sich aller Handlungsoptionen berauben, wenn sie der
Industrie dank der Sanktionierung technischer Kopierschutzmethoden die
Steuerung der zukünftigen Wissensversorgung überließen. Forscher und
Bibliothekare sehen Kostenlawinen auf ihre Institute zukommen -- mit
schlimmen Folgen für die Allgemeinheit. 

 Einen besonders unheilvollen Blick in die hierzulande drohende Zukunft
warf John Perry Barlow[4], Mitgründer der Electronic Frontier Foundation[5]
und Verfasser der legendären, vor sieben Jahren auf dem
Weltwirtschaftsforum in Davos geschriebenen "Unabhängigkeitserklärung für
den Cyberspace[6]". Er zeigte, wie sich die Situation in den USA verändert
hat, wo bereits seit vier Jahren der von Forschern stark kritisierte und
dem diskutierten deutschen Urheberrechtsentwurf[7] nicht unähnliche Digital
Millennium Copyright Act (DMCA[8]) in Kraft ist. Die Politiker müssten sich
bewusst sein, "dass sie mit der Verabschiedung der Regelung ein
Medienmonopol stark bevorzugen würden, das sich in den USA gerade zu einem
privatwirtschaftlichen Totalitarismus auswächst".

 Dieses Übergewicht der Industrie hat laut Barlow zwei gravierende Folgen:
Zum einen begünstige es ein "Realitätsverstörungsfeld", das für den
demokratischen Prozess schädlich sei. Zum anderen werde die Architektur des
Internet, die Barlow als das "Nervensystem des menschlichen Bewusstseins"
sieht, in eine Richtung verändert, die Behörden mehr Kontrolle gebe. "Das
Digital Rights Management von heute ist das Political Rights Management von
morgen", erklärte Barlow. Die neuen technischen Strukturen, die auch die
kommenden Generationen beträfen, könnten für Zensur einfach missbraucht
werden. Weiter warnte der ehemalige Liedschreiber der Grateful Dead, dass
die Versiegelung des menschlichen Wissens durch die von der Industrie in
Stellung gebrachten "Schutztechniken" die Nachhaltigkeit der
Informationsgesellschaft in Frage stelle. "In ein paar Jahren wird alles
unlesbar aufgrund von DRM", so Barlow. "Viel wird verloren gehen."

 Ein anschauliches Beispiel für die bevorstehenden Konsequenzen der
Gesetzgebung brachte auch Bernd Lutterbeck[9]. Der Informatikprofessor an
der TU Berlin hatte just in der Entscheidung des Obersten US-Gerichtshof
zur Bestätigung der Verlängerung der Copyrightfristen[10] jenseits des
Atlantiks um 20 Jahre in einem Artikel in der Londoner Times gelesen,
demzufolge der US-Medienkonzern Time Warner nach dem Aufkauf der Rechte des
1893 von zwei US-amerikanischen Lehrern geschriebenen Geburtstagsständchens
"Happy Birthday" jährlich rund 2 Millionen US-Dollar Lizenzeinkommen
einfährt. Die Rechte gelten noch bis 2009. Lutterbeck wollte den aus sechs
Sätzen bestehenden Bericht gern als normale Kopie zur Pressekonferenz
mitbringen. Das gestattete der Times-Verlag -- allerdings bei 100 analogen
Vervielfältigungen für stolze 50 Britische Pfund. Würde er seine
Arbeitszeit hinzurechnen, so Lutterbeck, käme der Spaß auf 387 Euro,
inklusive Steuern.

 Für den Professor ist damit klar: Das diskutierte Urheberrecht gebe den
Verwertern ein Monopol an die Hand, das erlaube, absurde Preise zu
verlangen. Mit der ursprünglich angestrebten "Innovationsförderung" habe
das nichts mehr zu tun. Der Politik empfahl er darüber nachdenken, "ob
solche Gesetze überhaupt noch Sinn machen in dieser neuen Zeit".
Entscheidend für ihn: "Wir Wissenschaftler können uns dieses Urheberrecht
schlicht nicht mehr leisten". Die Grundlage für die Gesetzesvorlage, die
der Bundestag im Februar verabschieden soll, in Form der EU-Richtlinie[11]
werde zudem von "gewichtigen europäischen Stimmen" hinterfragt und als
völkerrechtswidrig bezeichnet[12].

 Gravierende Auswirkungen befürchtet zudem Gabriele Beger, Vorsitzende der
Rechtskommission des Deutschen Bibliotheksverbands[13]. Sie beklagt, dass
Bibliotheken ihren digitalen Fundus nur auf Basis von Lizenzen zugänglich
machen dürfen. Angesichts hoher Sätze der Lizenzgeber und langer
Verhandlungszeiten sieht Beger unerschwingliche Kosten auf die Bücherhallen
zukommen. Der öffentliche Auftrag, Medienkompetenz zu vermitteln und
aktuelle Informationen zur Verfügung zu stellen, sei nicht mehr erfüllbar.
Das fange bei einfachen Dingen wie dem Zuschicken einer Kopie eines
Zeitungsartikels an. Sollten sich die Rechteinhaber bei der Lizenzierung
querstellen, stünde zwar der Klageweg offen. "Aber das dauert drei bis fünf
Jahre", führte Beger aus. "Ich hoffe, Sie haben dann noch Interesse an der
Kopie."

 Um die Ausgeburten des "Digital Restrictions Management" zu stoppen und
die Rechte und Interessen der privaten Nutzer[14] und der
Öffentlichkeit[15] zu wahren, fordern die Aktivisten von privatkopie.net
ein Moratorium im Gesetzgebungsprozess. "Wir brauchen einen Entwurf, der
die bestehenden Rechte aus der analogen Welt vollständig integriert",
erklärte Jeanette Hofmann vom Wissenschaftszentrum Berlin. Um ihr Anliegen
zu erläutern, hat die Truppe für heute Abend um 18 Uhr zu einer
"Alternativen Anhörung" zur Urheberrechtsnovelle im Hauptgebäude der
Humboldt-Uni in Berlin eingeladen, an der auch Barlow teilnehmen wird. Der
Eintritt ist frei. (Stefan Krempl) / (anw[16]/c't)

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 http://www.heise.de/newsticker/data/anw-23.01.03-005/

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 [4] http://www.eff.org/~barlow/
 [5] http://www.eff.org/
 [6] http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/te/1028/2.html
 [7] http://www.heise.de/newsticker/data/jk-30.01.02-012
 [8] http://eon.law.harvard.edu/openlaw/DVD/dmca/
 [9] http://ig.cs.tu-berlin.de/bl/
 [10] http://www.heise.de/newsticker/data/anw-15.01.03-006/
 [11] http://www.heise.de/tp/deutsch/special/copy/11547/1.html
 [12] http://www.heise.de/newsticker/data/jk-26.04.02-010/
 [13] http://www.bibliotheksverband.de/
 [14] http://www.heise.de/newsticker/data/jk-12.12.02-008/
 [15] http://www.heise.de/newsticker/data/jk-16.12.02-005/
 [16] mailto:anw at ct.heise.de

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