[linux-l] [su at su2.info: TELEPOLIS: "Mehr Linux, mehr Freiheit"]
Oliver Bandel
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Fr Jul 18 00:54:06 CEST 2003
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von Stephan Uhlmann <su at su2.info> gesandt.
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Frau Lochner-Fischer wünscht sich also mehr Bier und Wein bei eurer
Arbeit :-)
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"Mehr Linux, mehr Freiheit"
Peter Riedlberger und Peter Mühlbauer 17.07.2003
Eine bayerische Landtagsabgeordnete zieht mit einem IT-Thema in den
Wahlkampf
Während die Sozialdemokraten im Europaparlament am 1. September
Softwarepatente legalisieren wollen, wirbt die Münchner SPD-Abgeordnete
und Programmiererin Monica Lochner-Fischer [1] derzeit großflächig mit
Linux-Plakaten. Telepolis hat nachgefragt, wie sich das verträgt, und
dabei einiges über den Gesetzgebungsprozess in Brüssel und Straßburg
erfahren.
Auf Ihren Plakaten steht der Slogan "Mehr Linux, mehr Freiheit". Was
ist damit genau gemeint?
Monica Lochner-Fischer
Lochner-Fischer: Ich denke damit an Freiheit in mehrerlei Hinsicht:
Zum einen an die Freiheit für den Endanwender, aus einem möglichst
breiten Angebot wählen zu können, und zum anderen auch an die Freiheit
für Staat und Behörden, nicht in zu große Abhängigkeiten zu geraten.
Konkret sieht das so aus, dass ich im Landtag Entscheidungen zu
verhindern versuche, die uns an einen Konzern ketten würden.
Ist das nur Ihre Politik, oder wähle ich mit der SPD insgesamt eine
Partei, die Linuxinteressen fördert?
Lochner-Fischer: Ich stehe nicht allein in der SPD. Otto Schily hat
ja auch erkannt, dass Linux der richtige Weg ist. Und in München hat
sich der Stadtrat, vor allem wegen der SPD-Mehrheit, für Linux
entschieden.
Bleiben wir in der Bundespolitik. Im SPD-geführten Justizministerium
gibt es den Patentreferenten Dr. Welp, der sehr weitreichende
Vorstellungen zur Patentierbarkeit von Software hat, die Linux die
schiere Grundlage entziehen würden. Wie passt das zusammen?
Lochner-Fischer: Eigentlich passt das überhaupt nicht zusammen. Die
Schwierigkeit ist, dass die Softwarepatentierbarkeit in der Politik
noch gar nicht als Problem erkannt wurde. Da werden wir noch sehr viel
Überzeugungsarbeit leisten müssen.
Also sind die Themen Linux und Softwarepatente weniger eine
Angelegenheit, in der Parteien scharf abgegrenzte Positionen haben, als
vielmehr eine Frage von einzelnen Persönlichkeiten?
Lochner-Fischer: Im Moment ist es wohl noch eine
Personenangelegenheit. Machen wir uns nichts vor: In technischen Dingen
ist die Mehrheit der Politiker immer, äh - wie soll ich das formulieren
- abwartend. Weil sie schlicht nichts davon versteht. Viele fragen sich
einfach nur, was kurzfristig billiger ist, und sehen nicht auf die
Folgen. Da muss man in der Politik noch eine ganze Menge arbeiten. Ich
hoffe, dass ich meine Partei noch überzeugen kann.
In der Europapolitik, wo letztlich über Softwarepatente entschieden
wird, befürworten die Sozialdemokraten mehrheitlich die
Patentierbarkeit von Software...
Lochner-Fischer: Da gibt es divergierende Meinungen. Die Abgeordnete
Evelyne Gebhardt [2] ist z. B. dagegen. Ich glaube, da bewegt sich
noch was. Jetzt wurde eine eigene SPD-Kommission gegründet, denn im
Vorfeld wurde das Problem gar nicht erkannt. Ich hoffe, dass die
Kommission klar herausstellt, was Softwarepatente bedeuten würden: Dass
sich Großkonzerne alles mögliche patentieren lassen und so verhindern,
dass andere überhaupt noch Programme schreiben können.
Aber bis jetzt sind die Patentbefürworter bei den europäischen
Sozialdemokraten in der Mehrheit. Wie kommt das?
Lochner-Fischer: Gerade in Europa spielt die Lobbyarbeit der
Konzerne eine noch größere Rolle als in der bayerischen Politik.
Deshalb sind wir in Bayern in unseren Entscheidungen freier, weil der
Druck nicht ganz so immens ist. Ich weiß, welche wirtschaftliche Macht
sich da zusammenballt und spür's am eigenen Leib. Ich habe Anfang
August ein Gespräch mit Microsoft. Die versuchen schon sehr - hm -
deutlich Einfluss auf die Politik nehmen.
Was bedeutet Lobbyarbeit konkret?
Lochner-Fischer: Naja, Lobbyarbeit ist eine sehr kontinuierliche
Herangehensweise an Abgeordnete. Sie werden praktisch "gepflegt". Dank
regelmäßiger Gespräche nehmen Abgeordnete praktisch nur die Probleme
der Lobbyisten als die Probleme der Branche wahr. Probleme, die die
nicht haben wollen, die werden halt nie besprochen - es gibt keine
Lobby der kleinen Programmierer, der kleinen Softwarefirmen. Zudem
verwechseln die meisten Parlamentarier Softwarepatente mit normalen
Patenten und glauben tatsächlich, sie würden den Mittelstand
unterstützten, während sie in Wirklichkeit dabei sind, ihm die
wirtschaftliche Grundlage zu entziehen.
Politiker sind also nicht geschmiert von Lobbyisten, sondern nur naiv?
Lochner-Fischer: Es ist nicht vorhandenes Fachwissen. Was für das
Patent für den Handwerker gilt, gilt halt nicht für Software. Viele
werden das erst mitkriegen, wenn es vielleicht schon zu spät ist.
Was kann der Bürger dann überhaupt noch tun, wenn er in Wahlen nicht
die Partei gegen Softwarepatente wählen kann?
Lochner-Fischer: Nutzen Sie die Kommunikation. Schreiben Sie Ihren
Abgeordneten an, am besten mehrere Abgeordnete. Und schreiben Sie
persönlich, und zwar einen Brief. Ein echter Brief wirkt mehr als
Hundert E-Mails. Massenmails mit vorformulierten Texten bringen gar
nichts.
Werden denn die hübsch formulierten Briefe nicht sofort vom Referenten
abgeheftet?
Lochner-Fischer: Die gibt's im Landtag ohnehin nicht. Und wenn
Bundestags- oder Europaparlamentarier jeden Tag vom Referenten gesagt
bekommen, dass schon wieder fünf Briefe wegen Softwarepatenten gekommen
sind, dann werden die sich auch langsam schlau machen. Denn die
Referenten müssen ja auch angewiesen werden, wie auf die Anfragen
geantwortet werden soll. Es gibt aber auch noch andere Möglichkeiten,
sich Gehör zu schaffen. Gerade läuft ja der Wahlkampf in Bayern.
Besuchen Sie die Wahlveranstaltungen und sprechen Sie das Thema
Softwarepatente an. Und dann gibt es auch noch die Bürgersprechstunden.
Je öfter Politiker mit dem Thema Softwarepatente konfrontiert werden,
desto wahrscheinlicher ist, dass sie sich sachkundig machen.
Aber entschieden wird doch in Europa. Wie soll man denn an seinen
Europaabgeordneten herankommen, der viel weniger lokal präsent ist und
einen viel größeren Wahlkreis hat?
Lochner-Fischer: Das ist wirklich ein Problem. Es bleibt nur, die
Abgeordneten anzuschreiben. Noch besser suchen Sie sich eine Firma im
Wahlkreis, die den Abgeordneten anschreiben soll und dabei erwähnt, wie
gefährlich Softwarepatente für ihre wirtschaftliche Existenz sind. Ich
hoffe immer noch, dass nicht am 1. September über die
Softwarepatentierbarkeit beschlossen wird. Es wurde schon mehrfach
verschoben, und hoffentlich verschieben sie es wieder. Nächstens Jahr
ist Europawahl - da könnte man das Thema ganz anders angehen.
Wenn in Europa Softwarepatente beschlossen werden, könnte das das Ende
oder mindestens die technische Unterlegenheit von Linux bedeuten.
Lochner-Fischer: Ich weiß. Und ich sehe das mit Sorge. Der Dreh- und
Angelpunkt ist Europa, ich kenne nur den Hebel noch nicht. Notwendig
wäre, dass auch die Firmen, die hinter Linux stehen, in Brüssel mal
einen parlamentarischen Abend veranstalten. Das ist so die
Gepflogenheit in den Kreisen. Also sprich, die Parlamentarier mal
einladen. Ich weiß nicht, was man in Brüssel derzeit so trinkt, zu
Bier, zu Wein oder sonst was. Und dann so richtig bearbeiten. Sprich:
Auch Lobbyarbeit betreiben.
Es gibt ja nun schon eine Lobby gegen Softwarepatente, und zwar in
Form des FFII [3]. Aber deren Arbeit ist, ähem, "trockener"...
Lochner-Fischer: (Lacht) Die brauchen wir schon auch. Wie gesagt,
das Grundproblem ist, dass die Leute im Parlament zu wenig Sachwissen
haben. Aber man muss den Abgeordneten auch dazu bringen, die trockenen
Sachen zu lesen.
Mit Bier?
Lochner-Fischer: Bier... oder Wein. Naja - aber nicht zu viel.
Links
[1] http://www.lochner-fischer.de
[2] http://www.gebhardt-mdep.de
[3] http://www.ffii.org/index.de.html
Telepolis Artikel-URL:
http://www.telepolis.de/deutsch/inhalt/te/15239/1.html
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