[linux-l] Was passiert eigentlich wenn SCO (M$) recht hat?!

Dietmar Bremser dietmar.bremser at it-rust.de
Mi Jun 4 01:02:28 CEST 2003


Monz,

wolle mer mal de Faden wiedah aufnehmen.

Ich habe mich nun auch mal schlau gemacht und ein ziemliches WirrWarr an
rechtlichen Fakten festgestellt.

Erstmal eine Aussage für Ramses bezüglich der GPL, auf die noch keine
Mail-dung kam:
Die GPL hat politische Intentionen und basiert auf dem Prinzip des CopyLeft.

Das heißt nicht, dass Rechte an der Software aufgegeben werden.
Der spitzfindige Advokat würde dies unterstellen.
Aber vielleicht ist der Begriff der "juristischen Person" ein Begriff.
Im Gegensatz zu den natürlichen Personen wie alle Listenteilnehmer ist
die juristische Person ein abstrakter Begriff für eine Organisation,
deren Grenzen durch ihre Verfassung (Gründungsvertrag, etc.) bestimmt
wird. Damit ist die "juristische Person" exklusiv, also nur für die
Mitglieder der Organisation bestimmt.
Ojeeh, großes juristisches Kauderwelsch.

Nun verhält es sich bei der GPL so, dass die Rechte auf die Software
beschränkt werden und ebenfalls einer abstrakten Person zur Verfügung
gestellt werden.
Wer nachliest, wird aber feststellen, dass diese Person eigentlich nie
benannt wird. Weil abstrakte Personen immer die Eigenschaft der
Exklusivität für eine bestimmte Gruppe bedeuten.
Dies wollte man aber mit der GPL ausschalten.
Die Rechte an der Software sollten der Allgemeinheit zur Verfügung
gestellt werden. Das bedeutet, dass die Allgemeinheit das Recht zur
Benutzung und zur Erweiterung der Software hat, aber nicht die Pflicht.
(Im Normalfall ergeben sich aus Rechten immer Pflichten.)
Aber die Allgemeinheit hat auch nicht das Recht, gegen
Weiterentwicklungen zu votieren und den Status Quo zu fixieren, was
einem Weiterentwicklungsverbot gleichkommen würde.
Ich komme jetzt mal besser zum Punkt: niemand soll in die Lage versetzt
werden, sich privates und damit exklusives Eigentum an der öffentlichen 
Ware einer GPL-lizensierten Software zu verschaffen.
(Ein Beispiel, in dem die Privatisierung - auch unter dem Deckmantel 
einer öffntlichen Organisation; man beachte die Exklusivrechte - einer 
öffentlichen Ware funktioniert hat, ist das Wasser.)
Das funktioniert nur, indem man eine "Rechtssache" der "gesamten
Menschheit" zur Verfügung stellt, aber ihren Mitgliedern die persönliche 
Aneignung der "Rechtssache" verbietet.

Damit kann man von der abstrakten Person der "gesamten Menschheit" als
Besitzer und eingeschränkt auch als Eigentümer der Software reden.
Denn auch die gesamte Menschheit dürfte GPL-Software nicht unter einer 
Organisation wie der UN privatisieren. Es würde nämlich wieder nur zu 
den ewigen Streitereien führen, wehr "mehr Recht" hat.
Denn des Menschen Neigung sich überreichlich aus einem Topf an freien
Gütern zu bedienen, ist nicht erst seit gestern bekannt.

Ich würde sagen, dass dies das Wesen der GPL ist.

Kleine Anmerkung: der Programmierer gibt mit der GPL zwar seine 
Eigentumsrechte auf, aber bekommt sie nach der Veröffentlichung unter 
der GPL dann sofort wieder zurück, weil er ja Bestandteil der 
"Allgemeinheit" ist.

Deshalb auch CopyLeft und nicht CopyRight.
CopyRight := Exklusiv- bzw. Bestimmungsrecht an der Kopie und damit dem
Eigentum
CopyLeft :=  Exklusiv- bzw. Bestimmungsrecht an der Kopie und damit dem
Eigentum wird unter das "Anti-Diskriminierungs-Gebot jeglicher Personen
und Gruppen" gestellt.

Nun zu SCO:
da könnte man sicher lange über die Geschichte von UNIX schwatzen.
Aber mir erscheint diese Schlägerei wie ein Nebelgefecht.

Wie in diesem Kreis sicher die meisten wissen, war die Quelle von Linux
der Kern von Torvalds. Und dieser war ja im wesentlichen seiner
Auseinandersetzung mit MINIX zu verdanken, einem Abkömmling von UNIX.
MINIX wurde entwickelt, weil Unix mit der Version V kommerziell wurde.
Und Linux, weil MINIX nur im akademischen Bereich frei war.
Jedesmal waren die Grund Eigentumsrechte, die man durch eine
Eigenentwicklung einfach umgangen hat.
Sicher war UNIX das Vorbild, aber keiner wird bestreiten, dass -gemäß
der Logik von SCO - DaimlerChrysler jetzt alle KfZ-Hersteller verklagen 
müsste, weil sie alle Autos bauen, die auf dem Prinzip von  Gottlieb 
Daimler aufbauen.

Nun ist der Kern von Linux aber nicht alles: hinzu kamen Werkzeuge, die
GNU-Werkzeuge von Richard Stallmans HURD-Entwicklung.
Torvalds hatte den Kern und keine Werkzeuge. Stallman hatte die
Werkzeuge und einen wackeligen Kern. Klar, was dann geschah.
Aber auch die Werkzeuge wurden entwickelt angesichts der restriktiven
Eigentumsrechte von UNIX.
Und ob das Linux-grep wie das Unix-grep heißt, spielt erst dann eine 
Rolle, wenn grep ein geschützter Name war.
Wenn es anders implementiert wurde, was sich schon zwangsläufig aus dem 
Linux-Kern ergibt, gibt es da rechtlich wenig Chancen.
Zudem sei bemerkt, dass auch Software-Lizenzen von der Zeit überholt 
werden. Aber das ist eine Domäne der Patent- und Lizenz-Anwälte.
Und ich halte die Drohung  von SCO, sich von den Linux-Nutzern zu 
entschädigen zu lassen für Wahnwitz.
Ich glaube kaum, dass in den USA ein Käufer einer gestohlenen Sache bei 
Unwissenheit der rechtlichen Verhältnisse oder Vorgaukelung von Eigentum 
an der Sache durch den Verkäufer auch nur einen Cent Schadensersatz 
zahlen muss.
Und hier bewegt die Frage, warum SCO dieses Theater eigentlich 
veranstaltet. Dazu gleich mehr.

Mal ehrlich, wenn es schon in der Musikindustrie genügt, eine bekannte
Melodie ein wenig zu verfremden und einen anderen Text darüberzulegen,
ohne wegen Eigentumsrechtsverletzungen angegangen zu werden, dann ist
die Streiterei von SCO doch nur PillePalle.

Was soll den von IBM gekommen sein, diesem bürokratischen Haufen?
Die brauchten doch Micro$oft, um in der PC-Branche Fuß fassen zu können,
weil deren Betriebssysteme einfach unbenutzbar waren.
Und Bürokraten haben immer Angst, was die Vermutung des Lizenzklaus
schon im Ansatz verbietet. Aber das sind arge Vermutungen.

Mich erinnert die Situation an SouthPark:
die Chinesen verklagen die Italiener, weil sie die Nudeln als Spaghetti
in Europa verbreitet haben, die Afghanen die Europäer, weil sie die
Algebra übernommen haben, die Italiener verklagen die Spanier, Franzosen
und die Deutschen wegen des Gebrauches von lateinischen Begriffen, Xerox
verklagt alle Software-Hersteller, weil sie die grafischen
Benutzeroberflächen, basierend auf den Ideen von Xerox Parc, entwickeln,
die Nachfahren von Reis die gesamte Strom- und Telefonwirtschaft ... und
am Schluß kommt der "Anti-Belästigungsklagen-Panda" und ist traurig.

Dass Micro$oft, die feigen Hasen, die Rechte an UNIX gekauft hat,
verwundert überhaupt nicht. Wer sich mit den Ursprüngen von Windows 2000
befasst, weiß warum. Zudem bietet M$ für Windows 2000 auch ein
kostenpflichtiges Software-Paket an, mit dem man eine komplette
Unix-Umgebung nativ unter Windows laufen lassen kann.
Und außerdem, tschuldigung, dass ich das mal sagen muss, wenn man auf
die "besten" (man beachte den Kontext) Produkte aus dem Hause Micro$oft
schaut, stellt man fest, dass diese zumeist nie von Micro$oft selbst kamen.
Und mit DOS hat M$ da sicher noch eine Leiche im Keller.
Ich möchte nicht wissen, wieviel UNIX-Code darinnen steckt.

Vielleicht hat M$ da auch ein wenig mit SCO geflirtet.
Denn mit der Gründung von "UnitedLinux" ist Linux zu einer echten Gefahr
für M$ geworden.
Vorher gab es viele Distributoren, die alle ihr eigenes Süppchen
kochten. Und auf einmal schließen die meisten von ihnen sich zusammen, 
auch SCO/Caldera.
Panik im Hause M$.
Denn der lukrative Server-Markt gehörte M$ relativ konstant mit 44 bis
50%. Linux wurde eingesetzt, um alte UNIX-Maschinen zu ersetzen.
Und nun wollen die Distributoren in trauter Einigkeit Standards setzen
und den großen und mittleren Unternehmen mit einem verlässlicheren (als 
M$ Win), standardisierten und auch noch besseren Betriebssystem aufwarten?
Wir erinneren uns: M$ "Verdienst" war die Vereinheitlichung der
Software-Standards für PC's.

Es ist nur komisch, dass SCO diese Eigentumsverletzung erst jetzt 
auffällt. Nachdem sie bei UnitedLinux mitgewirkt haben. Nachdem sie von 
Caldera gekauft wurden. Damit haben doch eigentlich die Manager von 
Caldera die Schlammschlacht begonnen?
Sehr obskur alles.

Nun ja, den Rest denke sich jeder selbst.
Ich schreibe schon wieder zu viel.
Hoffe, dass die meisten was aus der Schreibe nehmen konnten.

Und vielleicht wird dieses sehr interessante Thema jetzt fortgesetzt.

Dietmar.






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