[linux-l] von der Natur der Informatik

Jan-Benedict Glaw jbglaw at lug-owl.de
Do Jun 24 18:16:20 CEST 2004


On Thu, 2004-06-24 16:51:08 +0200, Axel Weiß <aweiss at informatik.hu-berlin.de>
wrote in message <200406241651.08727.aweiss at informatik.hu-berlin.de>:
> So? Das sehe ich entschieden anders. Um bei der Physik zu bleiben: Heerscharen 
> von Physikern erforschen z.B. Materie/Materialien, um supraleitende oder in 
> hoher Dichte speichernde Stoffe zu entwickeln. Dabei gehen die Entwicklung 
> von Modellen und deren Erprobung/Anwendung Hand in Hand.
> 
> Oder noch krasser: ohne die Entwicklung der Atombombe hätte man die Modelle 
> zur Beschreibung der Kernspaltung nicht aufstellen können - und umgekehrt.

Ein Modell beschreibt (in einer kompakten Weise) eine Methode, um zu
Zahlenwerk zu gelangen, daß man so auch messen kann (oder hätte messen
können). Von meinem Modell (auf meinem Bank-Konto liegen n*10^6 EUR)
kann ich leider nicht sagen, daß es auf die Wirklichkeit zutrifft;
ebensowenig beeinflußt es Zahlen, die ich real (durch einen Blick auf
den Konto-Auszug) erfassen kann.

*Gute* Modelle treten zudem dadurch in Erscheinung, daß man mit ihnen
Voraussagen machen kann (über bisher nicht gemessene Größen), die sich
bei einer Überprüfung bestätigen.

Ein Modell muß konstant daraufhin überprüft werden, ob es mit meßbaren
Größen immernoch übereinstimmt. Somit kannst Du so ein Ding aufstellen,
einige Male verifizieren, aber wenn einmal irgendetwas nicht paßt, dann
kannst Du's eintüten...

> Und, um Euch weiter zu provozieren, gilt das für die Mathematik auch: der 
> theoretische Teil beschreibt die Modelle (Logik, Axiomatik, Prädikatenlogik, 
> Beweise), und der praktische Teil liefert nützliche Sätze (Algebra, 
> Geometrie, Zahlentheorie, Funktionentheorie, Graphentheorie usw.). Seit Gödel 
> wissen wir ja, daß die Mathematik selbstbezüglich ist und gewissermaßen für 
> sich selbst die Theorie liefert.

Die Mathematik hat einen verdammt großen Vorteilen gegenüber (den
übrigen?) Naturwissenschaften:

Sie baut auf einer (verdammt kleinen) Anzahl von Aussagen auf, die man
als "richtig" anerkennt; alle weiteren Aussagen sind *Beweise*, die auf
diesen ersten, trivialen Erkenntnissen basieren.

Ist etwas einmal bewiesen, mußt Du es nimmer in Frage stellen (abgesehen
von all den Aufsätzen, die mit "Wenn ... wahr ist, dann gilt auch..."
anfangen). Bei den Naturwissenschaften ist's genau andersherum: Dein
Modell mußt Du mit /jeder/ Messung, die Du machst, auf's neue in Frage
stellen, da es eben ein Modell und kein Beweis ist.

MfG, JBG

-- 
   Jan-Benedict Glaw       jbglaw at lug-owl.de    . +49-172-7608481
   "Eine Freie Meinung in  einem Freien Kopf    | Gegen Zensur | Gegen Krieg
    fuer einen Freien Staat voll Freier Bürger" | im Internet! |   im Irak!
   ret = do_actions((curr | FREE_SPEECH) & ~(NEW_COPYRIGHT_LAW | DRM | TCPA));
-------------- nächster Teil --------------
Ein Dateianhang mit Binärdaten wurde abgetrennt...
Dateiname   : signature.asc
Dateityp    : application/pgp-signature
Dateigröße  : 189 bytes
Beschreibung: Digital signature
URL         : <https://mlists.in-berlin.de/pipermail/linux-l-mlists.in-berlin.de/attachments/20040624/a4adc052/attachment.sig>


Mehr Informationen über die Mailingliste linux-l