[linux-l] Re: "webforen sind was fuer windows heinis"

Peter Ross Peter.Ross at alumni.tu-berlin.de
Do Apr 7 03:17:12 CEST 2005


Am Dienstag, 1. März 2005 21:44 schrieb Uwe Berger:

> Wie habt ihr denn angefangen, mit welchem Betriebssystem seid ihr
> zuerst in Kontakt gekommen. (Mal abgesehen von den KC-Freaks, wie ich
> es auch einer war...)
>
> Ich wette, zu 99% wird es DOS und/oder Windows gewesen sein, oder?
>
> Und jeder wird irgendwann seine Gründe gehabt haben, zu einem anderen
> BS zu wechseln. Welche waren denn das?

Noch einer von den 1%, die nicht zuerst mit DOS/Windows begannen;-)

Als ich Ende 1984 meinen Studienplatz fuer Informatik bekam, waren noch
ueber zwei Jahre Zeit bis zum Anfang, da dazwischen die wunderschoenen 18
Monate bei der NVA lagen ("Drei Worte genuegen: Nie wieder Ruegen";-)

So dachte ich mir, meinen Job als Strippenzieher bei der Post aufzugeben
und einen der sogenannten Abiturientenplaetze zu suchen, und fand ihn beim
Dieselmotorenwerk in Rostock. In den ersten Wochen wusste so recht keiner,
wozu ich gut sein sollte - ich auch nicht. Auf den K1520 und dem PC 1715
lefen CP/M-kompatible DDR-Betriebssysteme (CP/A, SCP 1715 etc.), drinnen
werkelte der U880, die Erfurter Kopie des Z80, es gab BASIC-Interpreter,
und ausserdem wurden taeglich ein paar Lochkartenstapel und
Halbzollbaender ein paar Strassenbahnstationen weit gefahren, um dort
einen ESER-Grossrechner (Ost-IBM-Mainframe-Kopie) zu befuellen, die
Programme waren teils in Assembler, teils in COBOL geschrieben. Auf den
CP/M-Rechnern entdeckte ich Turbo Pascal 3.0, und schrieb meine ersten
Routinen, z.B. eine, die den 521 Byte langen Kopf einer REDABAS (Ost-dBase
2)-Datei auslas (das interpretative REDABAS war so langsam, dass ein
Dateilesen in Pascal wesentlich schneller ging).

Gegen Ende meiner Zeit dort gab es im Hause einen K 1630 (PDP/11), auf der
neben dem RSX-11 tatsaechlich ein Unix lief: Mutos, welches ein Kollege
auf Band aus Dresden (ich glaube, von der TU) mitbrachte.. aber leider war
meine Zeit abgelaufen, nix Unix..

Der K1630 begegnete mir auch wieder, als ich 1987 mein Studium an der Uni
Rostock begann, und ich begann mich tiefer in die Geheimnisse eines
Multitask/Multiuser-OS einzugraben, RSX-11. Ein Buch darueber fand ich in
einer Bibliothek auf Microfiche.

In den Baracken der Informatik brach morgens um vier schon einmal jemand
in Wutgeheul aus, da der Intel-Assembler, der auf den PC 7150, auf denen
CP/M 86 installiert war (inside lief der Waschmaschinenprozesser K 1810 WM
86, eine russische Kopie des 8086), lief, nicht das gewuenschte Resultat
auswarf, waehren jemand anders auf dem 9-Nadler ein Sybex-Handbuch ueber
die Interupts ausdruckte (ein Hoellenlaerm, wenn es gar drei taten).

Im altehrwuerdigen Hauptgebaeude dagegen taten die offiziell "FR-1" und
FR-2" genannten Rechner ihren Dienst, von denen offiziell keiner wissen
sollte, dass es VAXen waren, da diese auf der COCOM-Liste standen. Wuerde
gern mal wissen, wie die schrankwandgrossen Teile den illegalen Weg in die
DDR geschafft haben..Als Terminals taten ebenfalls illegale Schneider-PCs
ihren Dienst.

Als das neue Informatikgebaeude fertig war, kam der Mauerfall. Glueckes
Geschick, wollten doch nicht unbekannte westliche Grossunternehmen ihre
Produkte promoten, damit wir spaeter brave Kunden werden - also gab es ein
IBM-Labor (mit PS/2-Rechnern und OS/2 1.3, welches nicht so richtig rund
lief, das unbeliebteste Labor), ein Mac-Labor (auf denen die beste
Microsoft-Word-Version lief, die mir je begegnet ist, ich konnte jeden Tag
an einem anderen Apple tippen, drucken ging immer und es gab nie
Probleme!), und in der Unix-Abteilung taten diskless HP-Systeme (das war
eher abschreckend, langsam und fehlertraechtig, dazu konnte man mit dem cc
kaum ein "Hello World" kompilieren, ohne an den Defaults fuer
Segmentgroessen zu drehen), Suns (waren schon besser) und flotte
DECstations mit Ultrix ihren Dienst. Mit der Installation und Pflege von
Unix-Systemen wurde ich bei einem Praktikum bei der damals sich
aufloesenden Akademie der Wissenschaften vertraut, dort sollte ich
X-Windows-Programme schreiben, habe aber die ersten Wochen damit
verbracht, gemeinsam mit einem VMS-vertrauten Admin Unix-Systeme zum
Laufen zu bringen: ULTRIX auf einer DECstation, SCO Unix auf einem PC.

Dann nahm die schoene Zeit des Studiums ihr Ende, und dann kam die rauhe
Wirklichkeit auf mich zu: Windows fuer Wohngemeinschaften 3.11 und
"Borland Pascal mit Objekten"-Programmierung. Das war also Ende 1993, und
beim ersten Kunden, einer Grossbank in Hannover, konnte ich sehen, dass
Win-OS/2, die Windows-Emulation unter OS/2 2.1, stabiler als das Original
war.

1995 dann ein neuer Job, es galt, an einem Uni-Institut in Berlin eine
neue Arbeitsgruppe mit Rechnern auszustatten, eine Frage im
Bewerbungsgespraech war: "Wie bringt man eine Sun und ein paar Windows-PCs
zusammen?" Windows 3.11 habe ich schnell in die Tonne getreten, weil jede
Woche irgendein schlauer Student einen Mausbeschleuniger installierte, der
das System destabilisierte. Mit Unix-Wissen ueber Zugriffsrechte ein
Windows NT 3.51 abzusichern, erforderte schon ein wenig Uebung, wollten
doch immer irgendwelche Programme ihre Ini-Dateien im System-Verzeichnis
updaten, von User- statt System-Einstellungen hatten damals noch nicht
viele Applikationsprogrammierer gehoert. Auf der Sun lief Samba, so
konnten wir auf PC/NFS verzichten.

Ausserdem gab es an dem Institut Nextstep-Rechner, zuerst auf echten Next,
dann aber auch auf "weisser Hardware" (Intel). What you see is what you
get", mit Display Postscript nie ein Problem. Und ueberhaupt - ein
huebsches userfreundliches Unix (nicht wahr, liebe Mac-OS-X-Nutzer?;-)

1999 bin ich dann in eine Firma aus der Printwelt gewechselt, dort gab es
einen Sun-Backbone und Mac-Systeme fuers Layouten. Windows? Nur zwei
Machinen, um Daten aus Word und Excel zu extrahieren und in sinnvollere
Formate zu ueberfuehren. Wir hofften immer, dass die Win-NT-4.0-Systeme
nicht morgen sterben, weil sie wichtig waren, aber auch die wackligsten im
Hause.

Als ich ankam, tat dort eine eierlegende Wollmilchsau unter einem
aeltlichen SuSE ihren Dienst als Kontakt zur Aussenwelt (ISDN, DSL, Proxy,
FTP-Server etc.) und starb immer mal wieder, vergass Routen oder anderes.
Ein Freund gab mir den Tip, einen Ersatz mit FreeBSD zu versuchen - was
ich dann auch tat. Danach war mein Leben an dieser Front viel ruhiger. Ein
Versuch, ein paar durch eine bankrupte Firma "hinzugewonnenen" PC als
X-Terminals unter FreeBSD zu nutzen, scheiterte an Problemen mit der
i810-Onboard-Graphik, also habe ich Debian Potato installiert.

Debian bin ich auch beim Wechsel nach Australien treugeblieben, das
Betriebssystem war das beste an ansonsten ziemlich schlecht konfigurierten
Webservern, die ich zu betreuen hatte. Well, und nun tue ich als "Linux
Consultant" meinen Dienst, in einer Firma, die Unixe, AS/400 und auch
Windows-Systeme betreut (IBM-lastig, da IBM Business Partner) und intern
ein Windows-2000/2003/XP-Netzwerk betreibt. Well, es bleibt meinen
Besuchen ueberlassen, um auf dem Mailrelay (Red Hat Enterprise 3.0 mit
sendmail) festzustellen, dass einige Windosen sekuendlich nach
virtualindia.com mailen wollen, und auch nach drei Tagen weiss keiner,
woher das kommt (sendmail bekommt sie vom hausinternen
Lotus-Notes-Server), soviel zum Thema "Beherrschbarkeit eines
Windows-Netzwerkes" und Qualifikation von MS-Admins.

Das Gleiche erlebe ich, wenn ich mal wieder vor der Aufgabe stehe,
Samba-Server in Windows-Netzwerke zu integrieren. Es ist schon
faszinierend, wie diese Firmennetze verkonfiguriert und verrauscht sind.

Soweit fuer heute, Leute,
Gruss
Peter



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