[linux-l] [OT] Deutschlands Vorzuege

Peter Ross Peter.Ross at alumni.tu-berlin.de
Mo Dez 19 03:14:21 CET 2005


On Sun, 18 Dec 2005, Ivan Villanueva wrote:

> Hallo Peter,
> schoen Dich in dieser Liste zu haben.

Danke. Ein Gruss zurueck:-)

> Am So, Dez 18, 2005 04:45:35 +1100, Peter Ross schrieb:
>> Was vielleicht ueberall ein wenig in Vergessenheit geraten ist - die
>> Sozialkomponente, sowohl in Dtl. als auch in Australien, ist eine
>> Errungenschaft von Arbeitenden, die dafuer aufgestanden sind und gekaempft
>> haben.
>
> Ich weiss nicht Australien, aber West Europa bekam $100 Milliarden als
> Entwicklungshilfe (mit Ausnahme von Spanien :-(:
> http://en.wikipedia.org/wiki/Marshal_plan

Das war sicher etwas, was Westdeutschland geholfen hat,
aber das Sozialsystem hat seinen Ursprung im 19.Jahrhundert.

Downunder auch. Nun, den Marshallplan haben die Aussies nicht benoetigt, 
sie haben den 2.Weltkrieg ohne grosse materiellen Schaeden ueberstanden.

Personell sah es uebrigens etwas anders aus, die Aussies wurden von der 
britischen Krone ziemlich verheizt. Wenn's Dich interessiert, such nach 
Literatur ueber Singapur, ueber die Zwangsarbeit der gefangenen Digger zum 
Bau von Eisenbahnen fuer die Japaner im Dschungel von Burma und im Norden 
Thailands, oder lies David Maloufs "Great Wide World".

> Schoen waere, wenn andere Laender im Not so viel Geld bekommen wuerden.

Das setzt vitales Interesse der Amerikaner an der Zukunft des Landes 
voraus.

>> Sie sind ein Zugestaendnis, um sozialen Frieden zu haben, der Reichtum
>> erst dauerhaft moeglich, sicher und geniessbar macht.
>
> Geniessbar fuer wen ? Fuer die 10 % Arbeitslose ?

Nein, ich dachte an das Interesse der Reichen. Wenn es den Aermeren 
einigermassen geht, braucht man nicht in Ghettos seinen Reichtum 
abgeschottet und in Paranoia verteidigen (ich habe heute morgen gerade mit 
jemand ueber Sao Paulo geredet, ueber die meterhohen Mauern, die den 
Reichtum von den Favelas, no go zones fuer betuchte Reiche, trennt)

<IRONIE>Westberlin hatte das Glueck, dass diese Mauern von den armen Ossis 
selbst gebaut wurde, der Abriss hat so manche dann "schwer getroffen".. 
Die Suedkoreaner wollen Nordkorea gar nicht kollabieren sehen. Das wird 
ihnen viel zu teuer</IRONIE>

Es mag zynisch klingen, aber Gesellschaft ist auch ein Spiel, indem ich 
etwas erreiche, wenn ich dem anderen etwas biete (z.B. Reichen die 
Moeglichkeit, ihren Reichtum zu geniessen), um selbst etwas zu erreichen.

Der soziale Friede in Dtl. ist immer noch ein verlockendes Argument fuer's 
Kapital, es verheisst Investitionssicherheit. Eine Masse unzufriedener 
Arbeitsloser und Arbeitender ist dem abtraeglich.

Eine Revolution oder Diktatur ist halt auf Dauer teurer als ein Verzicht 
auf ein paar Prozent Dividende. Was meinst Du, warum's Siemensstadt gibt?

Vermutlich hat das auch das Kapital Deines Heimatlandes 1975 so gesehen. 
Nach Franco war wohl kein so begabter Deckel-auf-den-Topf-Halter in Sicht, 
so besonders gut vorwaerts ging's wirtschaftlich mit Franco auch nicht 
mehr, und Spanien ist mit der Wiedereinsetzung der Demokratie und der EU 
nicht schlecht gefahren.(Meine Interpretation.)

>> Derzeit wird viel davon abgebaut - und oft ohne Gegenwehr der Betroffenen.
>> Wenn's dann explodiert, kann's richtig heiss werden.
>
> Nein, nein, man muss nur 3,2 % als Kriminell stempeln und die meisten 
> davon hinter
> Gitter bringen, damit sie nicht stoeren. Eine schlechte Bildung hilft 
> auch, damit
> 60 % der Gesellschaft, das jedes Jahr weniger verdienen, nicht zu laut werden.
> Ich prognostiziere etwas Aehnliches fuer Deutschland, die o.g. Daten 
> aber betreffen USA:
> http://de.wikipedia.org/wiki/Gesellschaft_der_USA

Es gibt schon kulturelle Unterschiede zwischen den USA und Australien 
(BTW: Auch hier ist David Malouf eine gute Quelle, "Our British Heritage" 
in den Quarterly Essays letztes Jahr),

aber zwischen Dtl. und USA sind sie noch viel groesser.

Nach meiner Erfahrung hier mit asiatischen Einwanderern, und in Dtl. mit 
Einwanderern aus Osteuropa und der Tuerkei, ist die Faszination und 
Anpassungswilligkeit an Amerika (grob vereinfacht) je groesser, umso 
weniger die Geschichte des eigenen Herkunftslandes, der eigenen Tradition 
gewertschaetzt und vereinbar mit der heutigen Zeit zu sein scheint.

Daher glaube ich nicht, dass Deutschland ein deutschsprachiges Amerika 
wird.

Es gruesst
Peter



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