[linux-l] Probleme mit Denglisch und Techniker-Slang (was: Vorschlag für Vortrag)

Volker Grabsch vog at notjusthosting.com
Fr Jun 9 12:21:58 CEST 2006


On Fri, Jun 09, 2006 at 12:31:17PM +0300, Philipp Strathausen wrote:
> Pe data de Joi 08 Iun 2006 19:41, Silke Meyer a scris:
> > Kreativen wird damit die Chance gegeben, von den 
> > Möglichkeiten des Internets zur Distribution ihrer kreativen Werke
> 
> Es passiert immer wieder: Hier hätte man auch gut "Verteilung" sagen 
> können, und es tut kein bisschen weh, auch wenn hier manche schon 
> Dateien durch "files" ersetzt haben, oder mal so richtig gedownloaded 
> statt heruntergeladen.

Mag sein, aber es gibt auch viele Fachbegriffe, die nicht von Anfang an
eingedeutscht wurden, höchstens in ihrer Schreibweise (E-Mail). Diese
sollte man ebenfalls so lassen wie sie sind.

Das eigentliche Problem sehe ich an einer anderen Stelle. Nicht am
"Erhalt" der deutschen Sprache, die sich sowieso ständig weiter-
entwickelt und ändert, wie jede andere Sprache auch.

Nein, ich sehe das Problem beim End-Anwender. Und gerade beim Thema
"creative commons" will man ja gar nicht die Geeks ansprechen (die
kennen GPL, BSD-Lizenz, CC-Lizenzen, etc. zur genüge), sondern eben
diekenigen, die nicht so viel Ahnung von der "Szene" haben, vielleicht
sogar den Computer höchstens zur Aufnahme ihrer Stücke benutzen. Es
sind also wirklich "End-Anwender" im klassischen Sinne, und da wirkt
dieses Denglisch viel zu "technisch" (ich weiß, und den Technikern
viel zu banal ;-)).

Genauso auch im WWW. Die Zielgruppe von Webdesignern sind eigentlich
kleinere Unternehmen (große Unternehmen brauchen viel mehr als bloß
Webdesigner). Aber kleinere Unternehmen, die viel mit Computern zu tun
haben, werden ihre Webseite selbst schreiben, und sich das Geld für den
Webdesigner sparen. Bleibt also die große Masse an kleineren Unternehmen,
die kaum Ahnung von der Technik haben. Diese wird aber schon allein durch
den Begriff "Webdesign" abgeschreckt.

Es ist also nicht bloß eine Verhunzung der Sprache, wie sie ohnehin
ständig geschieht. Nein, es ist ein viel ernsthafteres Problem, eine
Verfehlung der Zielgruppe! Und was das für ein Unternehmen bedeutet,
brauch ich hier wohl niemanden zu erzählen.

Dies ist übrigens nicht nur ein Problem der Computer-Szene und -Industie.
Auch der Rest der Wirtschaft leidet darunter, dass z.B. Marketing-Firmen
und -Abteilungen zu sehr in ihren eigenen Slang verfallen, und fast eine
eigene Sprachkultur entwickelt haben. (... für die "Denglisch" eine noch
viel zu lobende Bezeichnung ist)  Auf ihren "Meetings" und "Session" mit
ihren "Brainstormings"  (d.h. ihre Treffen zur Ideen-Findung)  reden sie
in ihrer eigenen Sprache statt in der Sprache ihrer Zielgruppe. Es gab
eine Studie, die gezeigt hat, dass die meisten tollen Werbe-Slogans gar
nicht beim Kunden angekommen sind. Die meisten Leute auf der Straße
konnten mit "Douglas - come in and find out" überhaupt nichts anfangen,
genauso wie mit "Sat1 - we love to entertain you".  (und dabei war das
sogar *ordentliches* Englisch!)

Gerade für Marketing ist das natürlich tödlich. Unter den Technikern sind
Fachbegriffe etwas sehr sinnvolles, da sie effiziente Kommunikation
ermöglichen, insbesondere Missverständnissen vorbeugen. Aufgabe des
Marketings sollte es sein, diese technischen Errungenschaften dem Normal-
bürger näher zu bringen - nur so können sie es zu Geld machen. Statt
diese Dinge aber einfacher und anschaulicher zu umschreiben, verfallen
sie in einen Slang, der noch viel, viel schlimmer ist als der von den
Technikern. Dass solche Marketing-Leute überhaupt noch Arbeit finden,
kann ich mir nur so erklären, dass zu viele Manager ebenfalls Teil dieser
extravaganten Sprachkultur geworden sind, und daher nicht merken, was
für ein (sprachlicher) Müll ihnen da vorgesetzt wird.


Übrigens sind es meiner Erfahrung nach nicht die Techniker, die es
dermaßen übertreiben. Dafür ist auch diese Liste hier ein sehr gutes
Beispiel: Diejenigen, die Ahnung haben, verwenden Fachbegriffe nur, um
sich präziser auszudrücken. Wenn ein Fachbegriff jedoch nicht dem
Verständnis hilft, weicht man auch einfache und alltägliche Worte aus
(und nicht auf noch unterständlichere Begriffe).

Genauso mit der "leet" Sprache: Sie wird mittlerweile vorrangig von
Spiele-Freaks und IRC-Spielkindern benutzt. Unter Hackern und in der
OpenSource-Gemeinschaft wird es eher sparsam verwendet - nur solange,
wie es noch witzig ist. In letzter Zeit sah ich das sogar nur noch,
wenn sich jemand über die Spielkinder lustig gemacht hat:

send me pixx!!!!!11elf

In meinen Augen ist auch "Confixx" ein gutes Beispiel dafür, dass
vergeblich versucht wurde, an die Namensgebungen von Unix und Linux
anzuknüpfen. Herausgekommen ist aber nur ein Name ohne Stil. Oder
es war tatsächlich als zusammengezogenes Wort gemeint "configure + fix".
So gesehen wäre der Name sogar sinnvoll, wenn er nur ein "x" hätte.
Außerdem beschreibt "fix" die Qualität der Software ziemlich gut. ;-)


Viele Grüße,

    Volker

-- 
Volker Grabsch
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