[linux-l] [OT] KDV ist gesetzeswidrig?

Volker Grabsch vog at notjusthosting.com
Di Jun 13 11:22:51 CEST 2006


On Tue, Jun 13, 2006 at 12:21:47PM +1000, Peter Ross wrote:
> Es gibt sogar Geld fuer Initiativen, die Wehrdienstverweigerer beraten, 
> also fuer Leute, die sich Gesetzen widersetzen wollen..

Ich will nicht behaupten, dass der Staat nicht auch gesetzeswidrige
Sachen finanziert (-> Überwachungstechnik, und was hier schon alles
diskutiert wurde), aber die Beratung der KDVler ist dafür ein verdammt
schlechtes Beispiel.


Verabschiede dich von dem alten Bild, das vor der Weimarer Republik
herrschte, wo Widerstand immer gleich Gesetzeswidrigkeit bedeutet hat
(klassisches Beispiel: Gewerkschaften). Seit unserer ersten Demokratie
(d.h. der Weimarer Republik, wenn man die Revolution 1848/49 nicht
mitzählt) sind Gewerkschaften, Demonstrationen und viele andere sog.
"Widerstands-Organisationen" legitimiert worden. In Gesetzen wurde
festgeschrieben, wie weit sie gehen dürfen (und zwar ziemlich weit,
im Vergleich zu den vorher herrschenden Verhältnissen), bevor die
Staatsgewalt eingreifen darf. So mauserten sich die Gewerkschaften
von illegalen Untergrund-Organisationen zu öffentlich anerkannten
Institutionen.


Kriegsdienstverweigerung ist nicht gesetzeswidrig, im Gegenteil, sie wird
gleich in den ersten Paragraphen des GG legitimiert, z.B.:
* Schutz der Menschwürde
* Freie Entfaltung der Persönlichkeit
* Gewissens-, Glaubens- und Bekenntnisfreiheit

Die Wehrpflicht steht erst weiter hinten im GG und hat daher niedrigere
Priorität. Da das GG noch viel Interpretations-Spielraum lässt, schauen
wir in die konkreten Gesetze.

Schon allein die Existenz des Kriegsdienstverweigerungs-Gesetzes (KDVG)
bedeutet eigentlich, dass sie nicht gesetzeswidrig sein *kann*. Im
Gegenteil, sie ist Teil der Gesetze und wird genauso formal geregelt
wie auch alle anderen Einspruchsverfahren gegen die Staatsgewalt.

§1 des KDVG:

"Wer sich aus Gewissensgründen der Beteiligung an jeder Waffenanwendung
zwischen den Staaten widersetzt und deshalb unter Berufung auf Artikel
4 Abs. 3 Satz 1 des Grundgesetzes den Kriegsdienst mit der Waffe
verweigert, hat statt des Wehrdienstes Zivildienst außerhalb der Bundes-
wehr als Ersatzdienst gemäß Artikel 12 a Abs. 2 des Grundgesetzes zu
leisten."

Oder, um es einfach mal auf auf den Punkt zu bringen: Zivildienst ist
gesetzeswidrig?! Genau das bedeutet es nämlich: Zivildienst zu leisten
heißt, dass man den Kriegsdienst verweigert hat. Jeder Zivi muss aus
eine umfangreiche, persönliche Begründung schreiben, aus denen klar
hervorgeht, dass er den Kriegsdienst nicht mit seinem Gewissen verein-
baren kann. Sobald jemand irgendeinen Standard-Text abliefert oder zu
flach argumentiert, kann es passieren, dass sein Antrag auf KDV
abgelehnt wird. Das ist aber sehr selten, und dann gibt es persönliche
Konsultationen, Widerspruchsverfahren, etc.  Kurz: Wer's ernst meint,
kriegt seinen Antrag auch durch, und das sind mind. 99,9% aller Anträge.


Zum Thema Beratung: Wären die Kreiswehrersatzämter besser besetzt,
sodass sie auch beraten könnten, bräuchte man externe Institutionen
erst gar nicht. Also gehe ich mal davon aus, dass die finanzielle
Unterstützung dieser Initiativen den Staat immer noch weniger kostet,
als diese Beratung selbst aufzustellen und zu finanzieren. Ich verstehe
hier absolut nicht dein Problem.


Viele Grüße,

    Volker

-- 
Volker Grabsch
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