[linux-l] GPL ist nicht Public Domain

Volker Grabsch vog at notjusthosting.com
Sa Nov 18 12:48:49 CET 2006


On Sat, Nov 18, 2006 at 10:43:33AM +0100, Olaf Radicke wrote:
> Bei dem Begriff "Solidarische Software" käme kein klar denkender Mensch mehr 
> auf die Idee sich zu beschweren, das er seine Veränderungen oder 
> Verbesserungen mit anderen teilen muss.

Es würde aber suggerieren, dass er das *muss*, und das stimmt auch
wieder nicht. Änderungen *muss* ich überhaupt nicht weitergeben. Nur
*wenn* ich sie weitergebe, muss ich das zu den Bedingungen der GPL tun.

Außerdem hat "solidarisch" noch einige andere implizite Zusatz-
Bedeutungen, die in meinen Augen nicht passen. Mein Gegenvorschlag
wäre: Gemeinschafts-Software.

> Die BSD-Lizenz ist zwar frei, schützt den Urheber aber nicht vor unsozialer 
> Nutzung. GPL räumt dem Benutzer weitreichende Freiheit ein, begrenzt diese 
> aber, wo sie (die Freiheit) unsozial bzw. unsolidarisch wird.

Nicht nur. Die GPL, und auch die LGPL, zwingt einem zu mehr "Verwaltungs-
aufwand".

Das folgende ist halb fiktiv, halb real. Ich kritisiere die LGPL, aber
das alles trifft umso mehr auf die GPL zu. Versetzen wir uns einmal in
die Lage eines Auftrags-Programmierers. Der Kunde hat ein Problem, meine
Software soll es lösen. Außerdem soll die Konkurrenz des Kunden meine
Software nicht in die Finger bekommen. Dafür werde ich bezahlt, mehr
interessiert den Kunden nicht.

Ich hab ein Teilproblem, für das ich eine LGPL-Bibliothek einsetze.
Ich bin sie in mein Projekt ein, aber sie funktioniert nicht perfekt.
Also verssere sie nebenbei. Weil ich auch etwas zurückgeben will, sende
"Abhängigkeits"-Bereich des Produktes vermerke ich, dass diese Lib
genutzt wird. Dennoch wird das den Kunden kaum interessieren. Zum Schluss,
weil ich auch was zurückgeben will, lade ich meine Verbesserungen
irgendwohin hoch (veröffentlichen), sende dem Autor der Lib ne Mail mit
Dankeswort und Patch oder ähnlichem. Einfach, schnell, fertig.

LGPL heißt, dass ich mir erstmal ein komplexes Regelwerk zu Gemüte
führen muss. Ich muss aufpassen, ob ich die Bibliothek korrekt erwähnt
habe, ob der Kunde an die Lib rankommt (was ihn wahrscheinlich nicht die
Bohne interessiert), u.s.w.

Es ist einfach ne größere Hemmschwelle und der Mehrwert für die
Community ist IMHO sogar noch größer, wenn ich die Änderungen nicht
dem Kunden zugänglich mache (der sich damit gar nicht auseinander setzen
*will*), sondern dem Autoren der Bibliothek zurücksende. Schließlich
können so meine Verbesserungen gleich in die Distros.

Ich tue also insgesamt sogar *mehr* für die Community, und habe weniger
Aufwand damit. Ein Vorteil für alle. Aber nicht LGPL-Konform.

Will sagen, die (L)GPL erzwingt einige solidarische Handlungen, aber
sie ist pingelig, und das demotiviert solidarische Handlungen, die man
sonst *von sich aus* leisten würde. Die BSD erzwingt einige solidarische
Handlungen nicht, aber ermutigt dafür zu anderen. Außerdem hat man bei
BSD- und MIT-Lizenzen weniger Zeug zu beachten, also verbringt weniger
Zeit mit dem lesen der Lizenz.

Einfachheit motiviert zu Handlungen. Was für die API eine Bibliothek
gilt, und das User-Interface einer Software, gilt ganz genauso auch
für Lizenzen.

Das ist immer eine Gratwanderung zwischen Zwang und Freiräumen. Man kann
nicht ohne weiteres vorhersagen, bei welchem Lizenzmodell mehr "Rücklauf"
aus der Gemeinschaft kommen wird. Sowohl BSD- als auch GPL-Software
entwickeln sich prächtig. Befindet sich in Software in einem asozialen
Umfeld, ist GPL+Anwalt besser. Befindet sie sich in einem hilfsbereiten
Umfeld (z.B. System-Administration), ist wohl die BSD-Lizenz besser.


Viele Grüße,

    Volker

-- 
Volker Grabsch
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