[linux-l] GPL ist nicht Public Domain

Frank Reker frank at reker.net
So Nov 19 01:08:41 CET 2006


Am Sat 18. Nov 2006 15:11 +0000 schrieb Volker Grabsch:

>On Sat, Nov 18, 2006 at 01:52:55PM +0100, Steffen Dettmer wrote:

>> Dann schickst Du ne Mail mit einem .tgz. Weil das den Kunden natürlich
>> nicht interessiert, wirst Du diese Mail vermutlich nie schicken müssen.
>
>ACK. Aber mit diesem einen Satz im Vertrag ist das noch lange nicht
>getan, oder?

doch. du musst sie ihm nur zugaenglich machen. und wenn auf anfrage.


>> musst Du ja, da der Kunde die
>> Lib austauschen dürfen muss, das Recht zugestehen, eine eigene Version
>> zu benutzen. Auch dass kannst Du einfach garantieren: auf Verlangen
>> werden vom Kunden gelieferte Object-Files gelinkt. Damit ist das Recht
>> des Kunden gewahrt. Würde Arbeit machen, falls der Kunde tatsächlich mal
>> mit Object files kommt, aber wenn ihn das gar nicht interessiert, wird's
>> halt nicht dazu kommen, und wieder ist alles fein.
>
>Unnötiges Risiko. Kein vernünftiger Mensch würde sowas in seine Verträge
>schreiben. Da wäre es ja einfacher, dem Kunden zusätzlich ein dynamisch
>gelinktes Binary zu geben.

es reicht so etwas in einen zusatz (z.b. in ein readme) zu schreiben.


>Bei BSD/MIT ist nach kurzem Lesen klar, was ich darf und was nicht.
>Bei GPL/LGPL nicht. Diese Hürde ist nicht technischer Natur, sondern
>sie besteht IMHO darin, dass ein komplexes Regelwerk demotiviert, ein
>einfaches hingegen motiviert.

ja, die gpl ist komplexer. aber das groessere problem ist denke ich
eher, dass es so viele geruechte gibt was die (l)gpl alles vorschreiben
und tuen wuerde, was haeufig gar nicht stimmt. und dann das 
sprachproblem. da kommt so'n armer italiener mit seinen drei brocken
englisch an, und soll dann einen juristischen text in englisch verstehen. 
geschweige denn die auswirkungen in seinem eigenen heimatland.

und das ist das naechste problem. die gpl (genauso wie die bsd, mit
lizenzen) sind auf das us-amerikanische rechtssystem ausgelegt. aber
inwieweit gilt das auch in europa???
schon allein der fakt der sprache. in den meisten europaeischen laendern
ist nicht einmal juristisch geklaert, ob englisch-sprachige lizenzen
ueberhaupt rechtskraeftig sind. afaik auch in deutschland nicht. 
dann die anderen juristischen feinheiten. zum beispiel gibt es in
deutschland ueberhaupt kein copyright. es gibt ein urheberrecht,
aber das sind juristisch zwei voellig verschiedene dinge. das
copyright ist ein kommerzielles vermarktungsrecht, das ist uebertragbar,
vererbbar, verkaufbar, ... das deutsche urheberrecht soll das geistige
eigentum des urhebers schuetzen und ist nicht uebertragbar, oder
vererbbar oder verkaufbar. es gilt bis 70 jahre nach dem tod des
autors, und zwar ob dieser es haben will oder nicht. selbst wenn der
autor keine copyright notiz reinschreibt, sogar wenn er nicht mal
seinen namen erwaehnt, ist er der urheber und hat entsprechende
rechte. sozusagen gibt es in deutschland ueberhaupt kein "public
domain", bzw. ein (programm-)text wird erst 70 jahre nach dem tod
des autors zu "public domain" - vorher nicht. also selbst wenn du
ein programm im internet findest ohne angabe des autors, und dieses
verwendest, kann der autor noch nach 20 jahren kommen und dich wegen
urheberrechtsverletzung anklagen.
ob diese oder andere juristische feinheiten auswirkungen auf die gpl
oder andere freie lizenzen haben, muesste erst einmal ueberprueft 
werden. was afaik bislang nicht geschehen ist.
bislang wird defakto die gpl als gueltig angenommen. aber ob sie einer
juristischen ueberpruefung des bvg standhalten wuerde ist nicht sicher.

wenn es aber unterschiedliche urheber/lizenz-rechtliche bedingungen
gibt, dann stellt sich die frage der rechtszustaendigkeit. was ist,
wenn ein tuerke mit deutschem pass auf einem italien urlaub freie
software auf einem server veroeffentlicht, der in frankreich steht,
aber unter einer spanischen domain ansprechbar ist? welches
recht gilt dann? was ist, wenn er es zeitgleich auch auf einem
polnischen server veroeffentlicht?

aber diese problem ergeben sich mit den bsd- oder mit-lizenzen genauso.
im gegenteil - da die (l)gpl viel mehr regelt, duerfte sie eine hoehere
rechtssicherheit aufweisen als bsw. die bsd-lizenz, die viele sache
nicht regelt, und damit der nationalen gesetzgebung ueberlaesst.
ergo - komplexere lizenzen moegen vielleicht schwerer zu verstehen
sein, geben aber _oftmals_ bessere rechtssicherheit.


zur urspruenglichen frage:
der begriff solidarisch koennte schnell politische assoziationen
hervorrufen, die freier software nicht zutraeglich sind. der begriff
"freie software" hat sich auch erfolgreich gegen die "freibier"-
interpretation durchgesetzt. auch wenn der begriff missverstaendnisse 
hervorrufen kann, ist er imho immer noch die beste bezeichnung. und bei 
diskussionen sagt man "frei im sinne der debian-definition von freier 
software", damit eruebrigt sich dann jede weitere diskussion.


-- 
Don't worry be happy ...
Ciao Frank
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