[linux-l] GPL ist nicht Public Domain

Volker Grabsch vog at notjusthosting.com
So Nov 26 15:35:57 CET 2006


On Sun, Nov 26, 2006 at 03:11:45AM +0100, Steffen Dettmer wrote:
> > Bitte halte dich an die gängigen Begriffs-Bedeutungen. Sowohl DFSG als
> > auch die FSF-Richtlinien sind sind einig darüber, dass GPL zu den
> > "freien" Lizenzen gehört. Darüberhinaus ist es längst im Sprachgebrauch
> > fast jeden OpenSource-Programmierers.
> 
> Wenn wir schon über genaue Begriffe diskutieren und die langläufig
> üblichen zu verbessern suchen, kann man sich nicht unbedingt an diese
> halten :)

Du siehst es als Verbesserung, den Freiheitsbegriff so stark einzuschränken,
dass nicht einmal der Klassiker, die GPL, dazu zählt? Eine deratige
Umdichtung des Wortes "frei" könnte ich nicht als Verbesserung ansehen,
und viele andere auch nicht (-> FSF, DFSG, ...)

> Die GPL schreibt ja selbst was von "frei im Sinne von Freiheit" und so,
> weil den Autoren schon klar war, das "frei" recht ungenau ist.

Nein. Es heißt "free as in freedom", weil das *englische* Wort "free"
zu verschiedene Bedeutungen hat. Im Deutschen ist die Nebenbedeutung
"kostenlos" viel weniger au.

In internationalen Geschäften und Webseiten findest du oftmals groß
zu lesen: "free", oder "for FREE", "20% free" ...

Aber hast du das schonmal in einem deutschen Geschäft das Wort "FREI"
gelesen? Da heißt es "reduziert", "kostenlos", "gratis", ...
Außer "Freibier" fällt mir im Moment überhaupt kein deutsches Marketing-
Wort ein, das "frei" im Sinne von "kostenlos" benutzt.

Die Klarstellung "free as in freedom" ist im Englischen wirklich nötig,
weil der Sticker "free" auf einer Software sonst gnadenlos
missverstanden würde. Der deutsche Begriff "Freie Software" hingegen
ist sehr dich an der gemeinten Bedeutung dran, im Gegensatz zum
englischen "Free Software".

> Open
> Source ist auch ein prima Beispiel, es heisst nicht Free Source. Und
> Open Source muss ja auch nicht GPL sein. Da sieht man IMHO recht gut,
> dass die Begriffe nicht genau sind.

Open Source ist ein Marketingbegriff, der besser klingen soll als "Free
Software". Jedoch klingt "Free Source" nicht so gut. Ich würde solche
Marketing-Entscheidungen nicht überbewerten, und schon gar nicht als
linguistischen Präzedenzfall sehen.

> > Du beziehst dich also gar nicht auf den *Inhalt* des Absatzes deines
> > Vorredners. Das ist Irreführung. So kann man nicht diskutieren.
> 
> Vermutlich hast Du meinen Absatz nicht zu Ende gelesen, als Du das
> schriebst: ich habe meinen Standpunkt verteidigt, der von Olaf ja
> kritisiert wurde. Er meint, GPL hat was mit frei<->unfrei zu tun,

Was der "GPL-Erfinder", Richald M. Stallman, auch oft genug betont hat.

Wozu die Intention des Autors am Text vague erraten, wenn er diese
ständig klar und unmissverständlich darlegt?

> ich
> meine, es geht um kommerziell<->nichtkommerziell - "frei" ist mir zu
> relativ, insbesondere, da ja durch die GPL genau Freiheiten
> eingeschränkt werden - wobei wir genau beim Subjekt wären.

Jede Lizenz macht Einschränkungen, selbst BSD. Das macht sie aber nicht
gleich "unfrei". Wie Olaf bereits ausführlich erklärt hat, kommt darauf
an, *welche* Rechte eingeschränkt werden.

[MySQL]
> Die GPL verbietet auch nicht, Leute für das Entwickeln zu bezahlen...

Und wieso verbietet sie dann deiner Meinung nach Kommerz? In dem Moment,
wo jemand den Entwickler bezahlt, hat er auch ein (berechtigtes)
Interesse daran, mit dem Ergebnis Geld zu machen. Sei es durch Verkauf
propritärer Lizenzen, oder durch Verkauf mit freier Lizenz, oder durch
freie Verbreitung mit Verkauf von Support, ...

In all diesen Fällen wird dem Anwender etwas genommen, oder besser
gesagt: etwas nicht gegeben, wenn er dafür nicht bezahlt. Entweder wird
ihm die Doku nicht gegeben (oder nur ein einfaches Handbuch, keine
richtige "Knowledge Base"), oder die aktuellste Version vorenthalten
(wird bei PHP-Nuke gemacht), ...

Kommerzielle Interessen sind immer dabei, wenn die Entwicklung in einer
Firma stattfindet (das ist letztlich die Definition einer Firma). Die
Frage ist nur, *was* dem User vorenthalten wird, wenn er nicht bezahlt.
Werden ihm dann Software-Freiheitsrechte vorenthalten, redet man von
propritärer Software. Werden ihm hingegen "nur" andere Dinge
vorenthalten (Doku, Support, ...), so redet man von freier Software.

Die GPL verhindert auch nicht, dass jemand eine Software so designt,
dass sie ohne einwöchiges Training nicht bedient werden kann. Da steckt
dann auch heftiger Kommerz hinter, weil jeder erstmal einen Lehrgang
besuchen muss, bevor er die Software einsetzen kann. Die GPL verhindert
lediglich, dass dieser jenige der *einzige* ist, der solche Lehrgänge
abhalten kann. Die GPL will in erster Linie für einen gesunden Markt
sorgen, und nicht für gemeinnütziges Handeln. Die GPL erzwingt zwar
Nachhaltigkeit der Software, das ist etwas gemeinnütziges. Aber sie
verhindert dennoch kein gewinnorientiertes Verhalten.

> > > Eigentlich genau das. Ein Ziel der GPL ist die
> > > Verbreitung einer kostenfreien (nicht gewinnorientierten) Wissensbasis.
> > Nein, in der GPL geht es um eine für jedermann dauerhaft nutzbaren
> > Wissensbasis.
[...]
> Ich sagte "Verbreitung einer Wissensbasis". Du sagst: "Nein, es geht um
> eine Wissensbasis". Ist das "kostenfrei" der Punkt?

Du hast mich missverstanden. "dauerhaft nutzbar" ist der Punkt.

Du sagst, es geht um eine nicht gewinnorientierten Wissensbasis.
Ich sage, es geht um eine für jedermann dauerhaft nutzbare Wissensbasis.

Der Unterschied ist, dass die GPL eben *nicht* sicherstellt, dass
Entwicklung/Vertrieb/... der Software auf keinen Fall gewinnorientiert
ablaufen.

Nein, sondern die GPL stellt sicher, dass der Kunde alle wichtigen
Mittel in die Hand bekommt, um mit etwas Know-How unabhängig vom
Hersteller agieren zu können.

Stell dir eine Sony-Kamera vor, die doppelt soviel kostet wie normal,
aber dafür auch mit Nicht-Sony-Speicherchips arbeitet, deren Linse man
auch durch eine Zeiss/...-Linse ersetzen kann, und bei der die Baupläne
mitgeliefert sind, sodass sie der Kunde in einer Fabrik seiner Wahl
nachproduzieren lassen kann. Dort bekäme der Benutzer grob gesagt
GPL-artige Rechte. Würde Sony dann (für deine Begriffe) etwa nicht
gewinnorientiert arbeiten?

Vielleicht würden sie weniger Gewinn machen als maximal möglich.
Vielleicht aber auch nicht, denn wenn der Markt es verlangt, weil die
Konkurrenz das auch anbietet, würden sie sonst auf ihrem Zeug sitzen
bleiben. Egal, was von beiden der Fall ist, auf jeden Fall wären sie
von "nicht-kommerziell" noch ein gutes Stück weit entfernt.

> Das steht aber so in der GPL, hatte ich ja zitiert.

In der GPL steht etwas von "nicht gewinnorientiert" drin? Also:

| When we speak of free software, we are referring to freedom, not
| price.

Aha, es geht also gerade *nicht* um "kostenlos".

| Our General Public Licenses are designed to make sure that you
| have the freedom to distribute copies of free software (and charge for
| this service if you wish), that you receive source code or can get it
| if you want it, that you can change the software or use pieces of it
| in new free programs; and that you know you can do these things.

Diese Dinge dürfen z.T. auch Geld kosten, z.B. dass du dem Entwickler
erstmal 100 EUR geben musst, um eine Kopie der aktuellen Version zu
erhalten. Die kannst du dann kostenfrei oder für jeweils 200 EUR
weitergeben.

Auch kann der Autor/Distributor Geld für die Quellen verlangen, wenn
auch keine 100 EUR. ("for a charge no more than your cost of physically
performing source distribution")
Aber das bezieht sich ja nur auf den Source. Das heißt, hier geht es
nur darum, dass der "Aufpreis" für den Sourcecode möglichst gering
bleibt. Das ursprüngliche Angebot kann beliebig teuer sein.

Es ist sogar möglich, dass der Autor einer kleinen Zahl von Verkäufern
die Software gibt, für großes Geld, und gleichzeitig unterschreibt,
die Software selbst nicht weiter zu geben. Nur von ihren Kunden dürfen
die Verkäufer das nicht verlangen.

> > Wieder MySQL: Im Gegensatz von z.B. Microsoft hat MySQL kein Interesse
> > daran, ihre Software mit spionage- und kontroll-artigen
> > "Zusatzfunktionen" auszustatten. Aber nur, weil es für sie schädlich
> > wäre, was bei Microsoft nicht der Fall ist.
> 
> (Was bitte hab ich zu spionage- und kontroll-artigen Zusatzfunktionen
> gesagt? Ich meine, gar nichts...)

Sorry, die Gänsefüßchen bei "Zusatzfunktionen" sollten kein Zitat von
dir andeuten, sondern Ironie andeuten.

Ich wollte nur sagen, dass auch hinter freier Software kommerzielle
Interessen stehen können, nur dass sich das "Gewinnbestreben" bei freier
Software anders auswirkt als bei propritärer Software (MySQL <-> M$).

Nur, weil eine Firma ihren Kunden mehr Möglichkeiten in die Hand gibt
(z.B. durch GPL-Lizensierung), heißt das noch lange nicht, dass sie
keinen großen Profit anstreben.

> > Und du kannst nicht wirklich behaupten, dass die MySQL-Service-Leistungen
> > nichts mit der Software und deren Entwicklung zu tun hätten. Die GPL
> > ermöglicht andere Geschäfts-Modelle, also eine andere Form des Kommerz.
> > Aber vorhanden ist er trotzdem, und das ist auch gut so.
> 
> Ja, "eine andere Form des Kommerz". Nicht für die Software an sich. Ist
> auch bei der Wikipedia so. Klar fliesst da Geld, aber das Wissen an sich
> ist kostenfrei (auch wenn man seinen Internetanschluss bezahlen muss).

Auch wenn die Wikipedia nur gegen Geld ihre Seiten "ausliefern" würde,
wäre das GPL-Konform. (Ja, Wikipedia ist FDL, aber es geht hier ja immer
noch um die GPL)

Aber der User hätte dennoch das Recht, die Seiten selbst zum kostenlosen
oder kostenpflichtigen Download im Netz anzubieten.

Es wäre z.B. bei Spezial-Software sogar vorstellbar, dass sie unter
der GPL vertrieben wird, aber nichtmal der Kunde sie kostenlos weiter
gibt. Muss er ja auch nicht, wieso sollte er sie letztlich kostenlos dem
Konkurrenten geben, wenn er selbst dafür blechen musste?

Ein Außenstehender hätte dann nur die Möglichkeit, dem Autoren oder
einem der Kunden entsprechendes Geld zu geben, um daran zu kommen.
Diese Szenario ist also Kommerz pur, aber völlig GPL-Konform.

Natürlich wird das wahrscheinlich damit enden, dass es irgendwer doch
kostenlos weitergibt, und sei es nur wegen einem Wurm auf seiner Windoze-
Kiste. Bei Spezial-Software wäre ich mir dabei aber nicht so sicher.

Darum geht es jedoch in der GPL nicht. Sondern es geht darum, dass
der Kunde auch lange Zeit später eine andere Firma mit der Neukompilierung/
Portierung/Verbesserung dieser Software beauftragen kann. Oder er
kann ein ähnliches Programm in Auftrag geben, das bestimmte
ausgereifte Algorithmen der alten Software benutzt. Diese "Wissensbasis"
in Form von Software ist also dauerhaft nutzbar. Das Wissen kann nicht
einfach so verloren gehen, wenn der Autor keine Lust oder Zeit mehr
dafür hat. *Darum* geht es der GPL. Freiheit für den Anwender.
Nachhaltigkeit.

Dass GPL-Software meistens auch kostenlos vertrieben wird, ist nur ein
(natürlich erwünschter) Nebeneffekt im modernen Internet-Zeitalter. Es ist
aber nicht die Grundidee oder Motivation, aus der heraus die GPL geschaffen
wurde. Stallman geht es um frei<->unfrei (im Sinne der FSF, nicht in
deiner Interpretation). Stallman geht es nicht um die Ent-kommerzialisierung
von Software. Es geht ihm auch nicht darum, dass Software kostenlos sein
muss. Er möchte nur, dass es auf dem Software-Markt kundenfreundlicher
zugeht. Er interessiert sich vorrangig für den (evtl. bezahlenden)
Anwender, nicht für die Software-Firma.

Na klar ist jedes Anwender-Recht ein Hindernis für den Hersteller. Die
Freiheit bezieht sich aber explizit auf den (End-)Anwender, nicht auf den
Hersteller oder Distributor.

Das geht sowohl aus der GPL als auch aus vielen anderen Texten von ihm
bzw. der FSF hervor.

> > Es gäbe weitaus weniger gute freie Software, wenn Firmen ("Kommerz")
> > nicht an GPL-Software arbeiten dürften.
> Ich habe nie behauptet, dass Firmen nicht an GPL-Software arbeiten
> dürfen. Ich habe nur behauptet, dass sie sie praktisch nicht kaufen und
> exklusiv vermarkten können.

Moment. "Exklusiv vermarkten". Darauf können wir uns einigen. Auch Olaf
wäre damit bestimmt einverstanden.

Dass GPL eine "exklusive Vermarktung" verhindert, das stimmt. Jeder
Kunde hat die Freiheit, die Software, die er erworben hat, selbst
weiter zu verkaufen bzw. zu verschenken.

Wenn du mit "Kommerz" lediglich "exklusive Vermarktung" meintest, dann
kann ich dir völlig zustimmen. Das ging aus deiner Beschreibung "nicht
gewinnorientiert" aber nicht hervor.

Ein Radiergummi-Hersteller arbeitet auch mit nicht-exklusiver
Vermarktung. Niemand verbietet es dir, deinen (evtl. benutzten)
Radiergummi weiterzuverkaufen oder zu verschenken. Kommerziell im Sinne
von gewinnorientiert arbeitet ein Radiergummi-Hersteller aber trotzdem.
Nur, dass ihm der Markt keine Möglichkeit gibt, seine Radiergummis
exklusiv zu vermarkten.

Genau so eine Markt-Situation wünscht sich auch Stallman. Die Software
unterliegt einer viel stärkeren Konkurrenz, Programmierer halten nicht
ständig alles geheim, Software ist auch noch nach Jahren nutzbar oder
zumindest unabhängig vom Hersteller wieder "aufpolierbar". Das soll
letztendlich auch dazu führen, dass Software-Pakete stärker aufeinander
aufbauen, und nicht jeder Firma ihr persönliches Rad neu erfindet. Und
dass ein Anwender die Software so benutzen kann wie einen Radiergummi.
:-)

Aber dass die Projekte nur noch gemeinnützig finanziert werden, oder
Enwickler von Vereinen statt Firmen angestellt werden, all das legt
Stallman geschickterweise *nicht* fest. Das Geschäftsmodell ist ihm
egal, hauptsache es entsteht freie Software.

Das ist aber in meinen Augen immer noch "Kommerz". Die Firmen wollen
(direkt oder indirekt) mit ihrer Software Profit machen. Entwicklung,
Vermarktung, etc. erfolgen immer noch gewinnorientiert. Dem Kunden
werden nach wie vor Hürden auferlegt. Nur eben keine, die seinen freien
Umgang mit der Software gefährden.


Viele Grüße,

    Volker

-- 
Volker Grabsch
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