[linux-l] GPL ist nicht Public Domain

Volker Grabsch vog at notjusthosting.com
So Nov 26 21:42:07 CET 2006


On Sun, Nov 26, 2006 at 05:33:12PM +0100, Steffen Dettmer wrote:
> > Du siehst es als Verbesserung, den Freiheitsbegriff so stark einzuschränken,
> > dass nicht einmal der Klassiker, die GPL, dazu zählt? Eine deratige
> > Umdichtung des Wortes "frei" könnte ich nicht als Verbesserung ansehen,
> > und viele andere auch nicht (-> FSF, DFSG, ...)
> 
> Zunächst mal war ich in Gedanken beim Ursprung des Theads: "Solidarische
> Software". Den Begriff finde ich weniger treffend.

ACK.

> "Solidarische Software" macht das meiner Meinung nach weniger klar, als
> z.B. "nichtkommerzialisierbare Software".

Ich finde beides unklar.

> > > Die GPL schreibt ja selbst was von "frei im Sinne von Freiheit" und so,
> > > weil den Autoren schon klar war, das "frei" recht ungenau ist.
> > 
> > Nein. Es heißt "free as in freedom", weil das *englische* Wort "free"
> > zu verschiedene Bedeutungen hat. 
> 
> Nicht "nein", sondern "genau". Ich schrieb ja, "das "frei" recht ungenau
> ist", was ja auf das gleiche hinausläuft wie das das "Wort `free' zu
> verschiedene Bedeutungen hat".

Das Wort "free" (englisch) ist zweideutig und missverständlich.

Das Wort "frei" (deutsch) ist weitestgehend eindeutig.

(Bis auf "Freibier" und "Freiminuten" fällt mir wirklich keine Verwendung
des Wortes "frei" in der Bedeutung "kostenlos" ein. Vielleicht ist
"Freibier" ja in Wirklichkeit nur aus dem Englischen schlecht ins
Deutsche transportiert worden?)

> > Im Deutschen ist die Nebenbedeutung "kostenlos" viel weniger au.
> 
> "au"?

Ich wollte sagen: Im Deutschen tritt die Nebenbedeutung "kostenlos" viel
weniger auf.

> Freibier ist ein Beispiel,
> ja. Meines Sprachverständnisses nach ist etwas "frei", wenn es wenig
> eingeschränkt ist. Freie Arztwahl (ich kann mir den Arzt aussuchen) usw.
> Frei ist sowas wie "unabhängig".

Ja, diese Facette der Freiheit ist mit freier Software auch gemeint: Man
kann sich seine Software auszuchen. Man kann jederzeit eine Komponente
gegen eine andere austauschen, z.B. bei der LGPL:
Ich kann eine propritäre Software, die auf der "glibc" aufbaut, und die
ich nur in Binärform habe, jederzeit auch mit einer neueren oder älteren
Version der glibc verwenden. Ich kann sogar meine "eigene glibc"
schreiben, und gegen das Programm linken. Das sichert mir die LGPL zu.
Wenn die propritäre Software das nicht ermöglicht, darf sie nicht
zusammen mit der glibc verwendet/vertrieben werden.

> > Die Frage ist nur, *was* dem User vorenthalten wird, wenn er nicht bezahlt.
> > Werden ihm dann Software-Freiheitsrechte vorenthalten, redet man von
> > propritärer Software. Werden ihm hingegen "nur" andere Dinge
> > vorenthalten (Doku, Support, ...), so redet man von freier Software.
> 
> Das ist aber eine komische Definition. Beim Internetexplorer werden mir
> weder Doku noch Support vorenthalten, ich komme kostenlos ans MSDN usw.,
> also ist das "freie Software"?

Das habe ich nie behauptet. Du verdrehst meine Aussage.

Ich sagte, wenn mir *nur* andere Dinge vorenthalten werden, und keine
Freiheitsrechte, dann ist es freie Software.

Der IE ist also nicht frei, weil M$ mir Freiheitsrechte (z.B. Zugang zum
Quellcode) verwehrt.

> Ich kann proprietäre Software komplett kaufen und dauerhaft nutzen, weil
> sie mir ja gehört.

Das kannst du grundsätzlich auch bei freier Software. Darum geht es in
der GPL doch *überhaupt nicht*.

Das ist ein reines Problem mit "einem Autor <-> viele Autoren".
Ebenfalls ein Nebeffekt freier Software, und alles andere als
unerwünscht, aber dennoch nicht das, worum es in den Lizenzen eigentlich
geht.

> > Du sagst, es geht um eine nicht gewinnorientierten Wissensbasis.  Ich
> > sage, es geht um eine für jedermann dauerhaft nutzbare Wissensbasis.
> 
> Also: jedermann UND dauerhaft (und kostenlos)? Weil es keiner kaufen
> kann (um es dann jemandem vorzuenthalten), korrekt?

> Also nicht kommerzialisierbar, oder?

Er könnte die GPL-Software weiter entwickeln, und damit Geld machen.
Das ist für mich Kommerz. Wir haben offenbar verschiedene Ansichten
darüber, was eine "kommerzialisierte Software" ist. Du trennst scharf
zwischen Lizenzen, Distribution und Support. Aber es bezieht sich doch
alles nur indirekt auf die Software. Und alles dient letztlich der
Finanzierung der Software-Entwickler. Daher ist diese Unterscheidung
Haarspalterei, wie es Olaf im anderen Teil-Thread anhand seiner "Arbeit
für Geld"-Analogie schon versuchte, zu erklären.

> > Nein, sondern die GPL stellt sicher, dass der Kunde alle wichtigen
> > Mittel in die Hand bekommt, um mit etwas Know-How unabhängig vom
> > Hersteller agieren zu können.
> 
> Ich glaube, das stimmt nicht. Ich kann meinen Code durch einen scrabbler
> jagen und unter der GPL veröffentlichen.

Falsch. Quellcode ist nicht dadurch definiert, dass er vom C-Compiler
verstanden wird.

Der Scrabbler ist wie der Compiler ein Programm, das Code entgegen nimmt
und (Binär/Quell-)Code ausspuckt. Auch der Scrabbler muss erstmal mit
Code gefüttert werden, und *das* ist dann der Quellcode.

Benutzt du in deinem Projekt einen Code-Generator, z.B. flex/bison,
so ist auch da nicht der generierte C-Code dein Quellcode, sondern
die Flex- und Bison-Dateien.

> Kann jeder ändern, haha. Der
> Kunde (der ja kein Kunde ist, weil er es gar nicht kauft) hat dann das
> wichtige Mittel "orginal code" aber nicht.

Willst du schon wieder neue Begriffe erfinden?

Was du hier als "orginal code" bezeichnest ist *genau das*, was
jedermann unter "Quellcode" versteht.

"Quellcode" kommt von "Quelle", also der erste Punkt, bei dem das
Wasser aus dem Berg austritt. Übertragen auf Software also direkt das,
was vom menschlichen Hirn über die Tastatur in den Rechner gelangt ist.

> > Stell dir eine Sony-Kamera vor, die doppelt soviel kostet wie normal,
> > aber dafür auch mit Nicht-Sony-Speicherchips arbeitet, deren Linse man
> > auch durch eine Zeiss/...-Linse ersetzen kann, und bei der die Baupläne
> > mitgeliefert sind, sodass sie der Kunde in einer Fabrik seiner Wahl
> > nachproduzieren lassen kann. Dort bekäme der Benutzer grob gesagt
> > GPL-artige Rechte. 
> 
> Nein, bekäme er nicht, weil die die Kamera selbst nicht nachbauen
> dürfte, sondern nu Nicht-Sony-Speicherchips oder Linsen.

Das wäre der Fall, wenn Sony eine Linse und einen Speicherchip verwenden
würde, die beide unter LGPL stehen. :-)

Nein, du hast nicht richtig gelesen. Ich sprach davon, dass der Kunde
die Pläne der Kamera bekommt, sowie das Recht, die Kamera in einer
beliebigen Fabrik beliebig oft nachbauen zu lassen.

[GPL-Software]
> "may charge a fee for the physical act of transferring a copy", klar
> Aber Du kannst sie nicht kaufen und z.b. exklusiv oder gar nicht
> lizensieren.

Etwas, das bereits an andere lizensiert wurde, egal ob propritär oder
frei, kann sowieso nicht mehr exklusiv lizensiert werden. Genauso wie
ein Informant dem Reporter keine Exklusiv-Story geben kann, wenn er
sich schon woander verplappert hat.

Dafür braucht man keine freie Software, das ist sowieso klar. :-)

> > Aber das bezieht sich ja nur auf den Source. 
> 
> Nein, nicht auf den Source, sondern "the physical act of transferring a
> copy".

Das ist doch genau die Sorte von Haarspalterei, über die sich auch Olaf
schon aufgeregt hat. Letztendlich ist doch nur wichtig, dass Geld zum
Entwickler der Software fließt, und damit ist es kommerziell. Ob das
über den Umweg einer properitären Lizenz geschieht, über den Umweg
der "Verteilens", oder über den Umweg von Support, ist doch rein
praktisch gesehen unerheblich.

Wenn du so einen haarfeinen Unterschied als Begründung für deinen Begriff
"nichtkommerzialisierbare Software" nimmst, dann wäre ja jede "Freeware"
schon frei. Da bekommt das Programmier-Team ja ebenfalls kein Geld über
die Lizenzen. Weil es sich jeder kostenlos runterladen kann, kann auch
keiner Exklusiv-Rechte daran erwerben. Die, die ne Kopie haben, können
sie ja immer noch legal kostenlos weiter verteilen.

Auch Freeware wäre nach deinen Begrifflichkeiten "nicht kommerzialisierbar",
aber sie ist ganz sicher keine "Freie Software", weil dem Anwender immer
noch sehr wichtige Grund-Freiheiten vorenthalten werden: Studium des
Quellcodes, Modifizierung für eigene Zwecke, dadurch keine Portierung
auf andere/neuere Hardware, und daher keine Nachhaltigkeit, weder des
Codes noch des Wissens.

Dein Begriff verfehlt einfach wichtige Eigenschaften freier Software,
genauso wie auch "soziale Software".


Zum Thema frei<->unfrei vs. kostenlos<->kostenpflichtig probiere ich
mal eine Skizze:

      .|. kostenpflichtig  ,  kostenlos
-------+----------------------------------------
frei  '|' RHEL, SLES, ...  `  Linux, Gimp, ...
unfrei |  Photoshop, ...      AcrobatReader, ...


> Freie Software ist sowas wie
> vielleicht "unabhängig" und zwar unabhängig von komerziellen Interessen
> (z.B. es gar nicht nicht zu lizensieren, weil ein anderes Produkt mehr
> Gewinn bringt).
[...]
> Vielleicht ist "nicht-kommerzialiesbar" sogar noch ein bisschen zu kurz
> gefasst, auch nicht-komerzielle Interessen (vielleicht gäbe es eine
> Sekte gegen die Programiersprache C oder so) sind geschützt.

Genau. Und wie nennt man den Schutz vor und die Unabhängigkeit von
gewissen Interessen anderer?  Freiheit!

Was du eben mit der Anti-C-Sekte beschrieben hast, ist die einfache
Tatsache, dass die Freiheit des einen dort aufhört, wo die Freiheit des
nächsten beginnt. Weil jeder die Freiheit hat, Kopien zu verkaufen, hat
niemand die Möglichkeit, exklusiv Kopien zu verkaufen. Diese Eigenart
der Freiheit ist völlig normal. Das ist sogar sehr charakteristisch für
Freiheit. Ein extra Wort dafür wie z.B. "nichtkommerzialisierbar" halte
ich für völlig überflüssig.

Ich kann mir nicht helfen, aber der Begriff "Freie Software" ist in
meinen Augen einfach mal verdammt gut gewählt. Er mag nicht perfekt
sein, aber es "passen" sehr viel mehr Nebenbedeutungen, als bei allen
anderen Begriffs-Versuchen, einschließlich "Open Source".

> Für mich ist es Kommerz mit "irgendwas neben der Software", ausserhalb
> des GPL Scopes (wie treffend in Deutsch? Sichtfeldes? nee...),

Bevor sich Philipp zu Wort meldet, mach ich mal schnell nen Vorschlag:
Einflussbereich. Also:

    ... außerhalb des Einflussbereiches der GPL ...


Viele Grüße,

    Volker

-- 
Volker Grabsch
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