[linux-l] GPL ist nicht Public Domain

Volker Grabsch vog at notjusthosting.com
Di Nov 28 02:20:49 CET 2006


On Mon, Nov 27, 2006 at 11:22:06PM +0100, Steffen Dettmer wrote:
> > Wie gesagt, die Lizenz verbietet nicht, für die Weitergabe der Kopie
> > Geld zu verlangen, d.h. eine Kopie zu verkaufen. Sie schreibt aber vor,
> > dass die Software (ob kostenlos oder gegen Entgelt) nur unter den
> > Bedingungen der GPL weitergegeben werden darf. Unter einer anderen
> > Lizenz darfst Du es nicht weitergeben, egal ob es auf anderem Wegen
> > unter GPL verfügbar ist oder nicht.
> 
> Wo hast Du das jetzt gefunden? Das kenn ich so nicht (was nicht viel
> heisst, klar :)).

Das ist mir auch neu.

Vielleicht hat sich Olaf nur unglücklich ausgedrückt, aber so wie's da
steht, stimmt das einfach nicht, AFAIK.

> Die GPL funktioniert doch so: Du nimmst sie an (und zwar komplett) oder
> auch nicht. Und wenn man sich nicht annimmt, kann man eine andere
> annehmen - falls denn verfügbar. Macht natürlich i.d.R. keinen Sinn,
> sowas zu machen, aber das heisst ja nicht, dass es nicht "geht". Und ich
> kann mir Fälle vorstellen, wo das Sinn macht.

Ja, da hast du Recht. So kenn ich das auch. Wenn mir der Autor eine
alternative Lizenz gestattet, so kann ich mich auch in diese binden,
und die GPL hat für mich keine Bedeutung.

Sonst gäbe es ja auch z.B. keine Doppel-Lizensierung. Aber die ist
gang und gäbe. Bei Qt auf jeden Fall, und AFAIR auch bei MySQL.

> > (Es sei denn die Schnittstelle ist trivial, s.o...)
> 
> Dann müssen wir jetzt aber mal gucken, ob nicht irgendwas gegen readline
> gelinkt ist! Dann ist ja dann automatisch auch GPL, ja?

Jepp, so isses.

Es ist nunmal eine strategische Entscheidung, ob man seine Lib lieber
unter LGPL stellt, gegen die man beliebige Software linken kann (unter
gewissen Bedingungen, die sicherstellen, dass man diese Software
jederzeit auch gegen eine andere Version der Lib linken kann).

Oder man stellt seine Lib unter GPL, schließt damit explizit nicht-GPL-
Software aus, und hofft, dass dadurch Software-Hersteller motiviert
werden, ihr Programm unter GPL zu veröffentlichen, weil sie unbedingt
diese tolle Lib verwenden wollen.

Stallmans stategische Empfehlung lautet hier: Libs, die es wie Sand am
Meer gibt, unter LGPL stellen. Einzigartige Libs bzw. Libs mit wenig
Konkurrenz unter GPL stellen.

> Muss doch mal
> jemandem passiert sein, da gibts vielleicht noch ein paar libs, oder?

Kannst ja gern mal suchen. Die FSF wäre da für einen Tipp sicher
dankbar. Obwohl die nur bei GNU-Software (z.B. readline) wirklich was
machen kann, ansonsten musst du eben den Autor benachrichtigen, nur
der kann klagen bzw. "Einigung erzielen".

> > > Wann sind denn bitte offene Schnittstellen einer GPL lib "universell"
> > > und wan nicht? Warum muss es auch "alternative Implementierungen
> > > geben" und wie will man das feststellen?
> > 
> > Wenn eine Schnittstelle nur von einer einzigen Bibliothek implementiert
> > wird, 
> 
> Wie willst Du das jemals rauskriegen? Woher weisst Du, was privat Leute
> in Neuseeland für Libs verkaufen? Das kann doch kein Kriterium sein!
> 
> Ausserdem wäre es extrem leicht auszuhebeln: man implementiert es
> einfach fix (tut zwar nix sinnvolles, aber konform zur Schnittstelle)
> und schon gibt's ne alternative Implementierung.

Nee, ganz so einfach ist es nicht. Du solltest schon mindestens eine
buggige halb-funktionierende Version dieser Libs bereit stellen, mit
der seine Software auch halbwegs läuft. ;-)

Davon abgesehen gibt es ein viel einfacheres, bekannteres Beispiel für
solch eine Aushebelung: Die libbz2 ist GPL. Das heißt, wenn deine
Software die Lib benutzt, muss sie GPL sein. Ruft deine Software
hingegen nur das Kommandozeilentool "bzip2" auf, unterliegt sie AFAIK
keinen Auflagen.

> Also, die automatische Benutzung (z.B. durch Aufruf einer C Funktion)
> führt dazu, dass der "Benutzende" oder "Nutzniesser" (mein Programm) GPL
> ist.

Genauer gesagt ist es das Linken gegen die Bibliothek, in der die
Funktion steht. Das passiert nicht einfach "ausversehen".

> Die manuelle Benutzung (z.B. durch Mausklick) führt nicht dazu,
> dass der "Nutzniesser" (mein Bild) GPL ist? In beiden Fällen wende ich
> den Kram doch an, um ein Ergebnis zu erziehlen, oder?

Die Ausgabe des GCC unterliegt ebenfalls keinen Beschränkungen, d.h.
wenn der Quellcode dir gehört, tut es auch das Binary.

(das ist bei Visual-C++, zumindest in den kostenlosen Versionen, nicht
der Fall, AFAIR)

> Gut, mein Bild
> kann ich nur angucken, wenn ich GIMP oder einen "kompatiblen" Viewer
> habe (je nach Speicher-Format vielleicht nicht gegeben) - wie ich mein
> Programm nur laufen lassen kann, wenn ich diese Lib oder eine
> "kompatible" Implementierung hab (wobei ich vielleicht nichtmal weiss,
> ob es sowas nicht gibt - ich kann ja immer nur wissen können, dass es
> eine gibt).

Das ist in der Tat ein bekanntes Problem, siehe oben das bzip2-Beispiel.
Noch schlimmer ist es bei Web-Services: Was ist, wenn ich GPL-Software
auf meinem Server laufen lasse, und diese Funktionalitäten per
Web-Service in mein Programm einbinde? Dann unterliegen vielleicht
die auf dem Server laufenden Teile der GPL, nicht jedoch der
Client-Code.

Es gibt noch andere Beispiele. Etwas mehr Rechtssicherheit bietet
da die LGPL, aber dies ist ein sehr wichtiges Thema für die GPL v3,
neben anderen Dingen.

> > Du kannst ja wohl nicht ernsthaft die Benutzung der Software für
> > Irgendwas in einen Topf schmeißen mit dem Verkauf von Kopien oder
> > anderen Handlungen rund um die Software selbst.
> 
> Das Linken gegen readline und das aufrufen von entsprechenden Funktionen
> ist keine "Benutzung der Software" (readline)? 

Nein, AFAIK ist es wirklich ein Unterschied, ob du gegen die Lib linkst,
oder das Kommandozeilentool aufrufst.

> > Einzellizenzen machen für Dich die Software kommerziell, alles andere
> > gilt nicht. Findest Du das nicht etwas willkürlich?
> 
> Versteh ich nicht. Für mich ist die GPL auch nur eine Lizenz.

Du hast Olaf missverstanden. Er meint (was ich ebenfalls kritisiere),
dass für dich eine Software kommerziell ist, wenn sie durch
Einzellizenzen vertrieben wird. Aber wenn sie durch General-Lizenzen
für jedermann (z.B. GPL) vertrieben wird, und die Entwicklung auf
andere Weise finanziert wird (Service, Doku, Lehrgänge, ...), dann
ist sie für dich kommerziell.

Das ist merkwürdig, weil in beiden Fällen die Entwicklung der Software
kommerziellen Interessen unterliegt.

Und die Finanzierung über Lizenzen ist genauso indirekt wie die
Finanzierung über Support. Eine "direkte" Finanzierung wäre, wenn
der Kunde den Entwickler bezahlt, stattdessen versucht man, über
Lizenzen bzw. Support das Geld reinzukriegen, also indirekt,
"hintenrum". Ist ja auch normal. In der Industrie will man ja auch
nicht einen Kunden, der die Fabrik kauft, sondern Kunden, die die
Produkte kaufen.

Finanziert sich ein Unternehmen durch Verkauf der Lizenzen, so ist
die Entwicklung darauf ausgelegt, möglichst viele Lizenzen zu verkaufen.
Finanziert es sich durch Support, wird die Software so entwickelt, dass
man möglichst viel Support verkaufen kann. In beiden Fällen wird die
Entwicklung von kommerziellen Interessen bestimmt.

Ich verstehe nicht (und Olaf auch nicht), wieso du das eine als
kommerziell bezeichnest, aber das andere nicht. In beiden Fällen wird
die Software "an sich" kommerzialisiert, weil kommerzielle Interessen
die Entwicklung bestimmen, und in beiden Fällen geschieht die
Finanzierung "hinten rum", einmal über Lizenzen, das andere mal über
Support.

> Die GPL raubt einem Unternehmen übrigens gerade die Freiheit, etwas zu
> kaufen und exklusiv zu vermarkten.

Exklusiv-Recht und Freiheit sind zwei Begriffe, die sich gegenseitig
ausschließen. Etwas, das man nicht jedermann gleichermaßen gewährt
("Exklusiv-Rechte" ... "exklusiv" = "andere ausschließend"), ist wohl
kaum ein Freiheits-Recht, oder?


Viele Grüße,

    Volker

-- 
Volker Grabsch
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