[linux-l] GPL ist nicht Public Domain

Volker Grabsch vog at notjusthosting.com
Di Nov 28 03:28:05 CET 2006


On Mon, Nov 27, 2006 at 10:32:14PM +0100, Steffen Dettmer wrote:
> * Volker Grabsch wrote on Sun, Nov 26, 2006 at 21:42 +0100:
> > Ich sagte, wenn mir *nur* andere Dinge vorenthalten werden, und keine
> > Freiheitsrechte, dann ist es freie Software.
> > 
> > Der IE ist also nicht frei, weil M$ mir Freiheitsrechte (z.B. Zugang zum
> > Quellcode) verwehrt.
> 
> Stimmt doch gar nicht, es sind nur andere Bedingungen dran geknüpft, als
> bei GPL-Software. Natürlich kannst Du den IE Quellcode bekommen. Also,
> vielleicht wird es für Dich persönlich schwer und teuer, aber das heisst
> ja nichts (ein Mercdes ist ja auch teuer, aber "jeder kann ihn kaufen").

Das ist kein Freiheitsrecht. Das wäre nur dann ein Freiheitsrecht, wenn
mir mit dem Erwerb des IE auch der Quellcode zur Verfügung stünde.
(Neben anderen weiteren Software-Freiheits-Rechten)

> > Das kannst du grundsätzlich auch bei freier Software. Darum geht es in
> > der GPL doch *überhaupt nicht*.
> 
> Nein, Du kannst "Linux" nicht "kaufen". Das geht nicht. Du kannst aber
> IE kaufen (jedenfalls theoretisch).

Nein, kannst du auch nicht. Oder anders ausgedrückt:

Wenn du so viel Geld hast, um Microsoft ein ernst zu nehmendes Angebot
zu machen, dann hast du auch genug Geld (Mittel), um alle Linux-Autoren
aufzusuchen.

Selbst wenn wir mal unterstellen, Microsoft würde einen Preis für den
IE festlegen, während sich die Linux-Autoren weigern, egal wieviel Kohle
du ihnen bietest. Selbst dann wäre die Ursache dafür nicht die Lizenz,
sondern die Gruppe selbst, also die Community.

Also Autor="Bunter Haufen" versus Autor="Große Firma". Einen direkten
Zusammenhang mit der Lizenz sehe ich nicht.

> > Das ist ein reines Problem mit "einem Autor <-> viele Autoren".
> 
> Nein, ist es nicht, weil man die GPL nicht "zurückziehen" kann.

Eine IE-Lizenz kannst du auch nicht nachträglich zurückziehen. Du kannst
nicht allen Nutzern, die den IE bereits erworben haben, dieses Recht
wieder entziehen.

> Höchstens für neuere Versionen (unter bestimmten Umständen etc) und dann
> bleibt die alte verfügbar.

Genau wie es beim IE der Fall wäre.

> Das ist im "Schatz der Allgemeinheit" dann
> drin und ist da nicht mehr rauszukriegen. Das ist bei kommerziellen
> Produkten grundsätzlich anders. Die kann man z.B. abschaffen (exklusiv
> Rechte kaufen, aber nicht lizensieren z.B., was ja auch schon
> vorgekommen ist).

Wenn es dir nur darum geht: Ja, mag sein, dass du in diesem Punkt recht
hast. Aber diese Eigenschaft besitzen auch viele unfreie Lizenzen. Das
ist einfach nichts wirklich Charakteristisches für freie Software,
sondern nur ein Aspekt von vielen. Wenn du lediglich das mit "nicht-
kommerzialisierbar" meinst, dann verfehlst du einfach wichtige Punkte.

Und deshalb finde ich den Begriff "nichtkommerzialisierbare Software"
total ungeeignet.

> > > Also nicht kommerzialisierbar, oder?
> > 
> > Er könnte die GPL-Software weiter entwickeln, und damit Geld machen.
> > Das ist für mich Kommerz. 
> 
> Womit kann er Geld machen? Nicht mit der Software an sich.

Hatten wir schon, siehe anderer Disussionsteil (bitte dort antworten):
Verkauf von Lizenzen macht ebenfall kein Geld mit der Software "an sich",
sondern eben, wiegesagt, mit Lizenzen, also Nutzungserlaubnissen.

> Natürlich
> kann er Spenden einsammlen, weil er so einen schönen Schreibstil hat
> oder Eintrittskarten für eine Ausstellung besonders schöner Code
> Ausdrucke verkauft - oder weil ihm jemand Geld gibt, damit er *dieses*
> und nicht jenes (zuerst) entwickelt, klar.

Und all das zählt für dich nicht als "kommerziell"?

> > Wir haben offenbar verschiedene Ansichten darüber, was eine
> > "kommerzialisierte Software" ist. Du trennst scharf zwischen Lizenzen,
> > Distribution und Support. Aber es bezieht sich doch alles nur indirekt
> > auf die Software. 
> 
> Ja, "indirekt" bezieht sich alles irgendwie auf alles. Distributionen
> und Support können eingestellt werden, da kannste nix machen. Wenn Novel
> ab morgen kein SuSE mehr verkauft und Redhat seinen Laden dicht macht,
> ist das eben so. Dann ist der Kram einfach weg. Gibt kein Support mehr
> usw. Jemand könnte die Rechte am SuSE-Handbuch kaufen (sofern's nicht
> GPL ist)

Er kann sie auch dann kaufen, wenn das Buch GPL ist. Er kann es
wahrscheinlich nur nicht mehr exklusiv vermarkten.

> und den Nachdruck niemandem erlauben und selbst nichts drucken.
> Bums, ist kein SuSE Handbuch mehr zu kriegen.

Exklusive Lizenzen. Meinetwegen, aber das scheint bisher der einzige
stichhaltige Punkt zu sein, und das beschreibt nur einen Bruchteil von
dem, was freie Software ausmacht.

> GPL-Software wirds dann aber immer noch genau so geben.

... wenn jemand ein GPL-Expemplar von dem Buch hat, dann ja. Sonst
wahrscheinlich nicht. Man sollte sich also mit dem Kauf von SuSE beeilen
;-)

> > Und alles dient letztlich der Finanzierung der Software-Entwickler.
> > Daher ist diese Unterscheidung Haarspalterei, wie es Olaf im anderen
> > Teil-Thread anhand seiner "Arbeit für Geld"-Analogie schon versuchte,
> > zu erklären.
> 
> Für mich ist es aber halt wesentlich, weil es z.B. dafür sorgt, dass es
> nicht "verschwinden" kann. Das find ich total spannend. Mit jeder Zeile
> GPL Code (oder vergleichbarer Lizenzen) wächst eine Art
> "Allgemeinwissen".

Ja, das ist schön, aber noch nicht alles. Nur, weil die Binärpakete noch
überall rumschwirren, wächst nicht unbedingt Allgemeinwissen. Man
braucht mehr dazu, nämlich Zugang zum Quellcode, das Recht des
Mofizierens bzw. Eigenständigen Weiterentwickeln und
Wiederveröffentlichens. All das deckt dein Begriff nur zu einem
Bruchteil ab.

"Allgemeingut-Software"?

Hmmz ... ist auch sehr missverständlich. Man könnte das damit
verwechseln, dass die Software niemanden gehört, was ja so auch wieder
nicht stimmt ...

> > Der Scrabbler ist wie der Compiler ein Programm, das Code entgegen nimmt
> > und (Binär/Quell-)Code ausspuckt. Auch der Scrabbler muss erstmal mit
> > Code gefüttert werden, und *das* ist dann der Quellcode.
> 
> Wo steht das? Warum ist der gescrabbelte Quellecode kein Quellcode,
> obwohl er vom C-Compiler verstanden wird?

Weil Quellcode dadurch definiert ist, dass er von Menschenhand getippt
wurde. Und nicht dadurch, dass er einer bestimmten Syntax folgt.

Quellcode ist *inhaltlich* definiert, nicht *formal*.

> Wo steht überhaupt, dass ich
> "Hintergrundinfos" zu meinem Programm auch weitergeben "muss"?

Was im Detail zum Quellcode gehört oder nicht, das muss im Zweifelsfall
ein Gericht entscheiden. Natürlich ist die Definition nicht ganz scharf.
Aber im Falle von absichtlicher Unlesbarkeits-machung ist das ziemlich
eindeutig.

> Vielleicht hab ich ganz wichtige UML Diagramme als Basis für mein GPL
> Framework - die ich nur für viel Geld anschauen lasse?

Wenn aus diesen Diagramme der Code automatisch generiert wurde, gehören
sie zum Quellcode. Wenn sie nur an der Wand hingen und der Rest von
Menschenhand geschrieben wurde, bin ich mir nicht sicher, das könnte
ein Präzedenzfall sein.

> > Benutzt du in deinem Projekt einen Code-Generator, z.B. flex/bison, so
> > ist auch da nicht der generierte C-Code dein Quellcode, sondern die
> > Flex- und Bison-Dateien.
> 
> Und der Flex-Code, richtig?

Nein, der nicht.

Das gehört zu den "Build-Werktzeugen", genauso wie Compiler, Linker, etc.

Aber das ist ein anderes interessantes Problem: Zum Beispiel verlangt
Debian, dass nicht nur der Quellcode frei zugänglich ist, sondern auch
dass der gesamte Build-Prozess mit ausschließlich freien Build-Werkzeugen
möglich ist.

Siehe OpenOffice: Das kam zunächst nicht in Debian rein. (in Debian
non-free schon, aber nicht in Debian/main, und darum geht es hier ja.)
Wieso? Weil es nur mit dem JRE von Sun funktionierte, und mit keinem der
freien JREs. Übrigens eine typische Falle, in die Java-Programmierer
tappen. Jedenfalls haben die Debian-Maintainer sehr viel Zeit und Mühe
darauf verwendet, OpenOffice auch mit ner anderen JRE (weiß nicht mehr,
welche das war) zum Laufen zu bringen. Und sie haben es geschafft.
Deshalb ist OpenOffice heutzutage in Debian/main mit drin. Und das
OpenOffice-Projekt ist unabhängig von Sun geworden.

> > "Quellcode" kommt von "Quelle", also der erste Punkt, bei dem das
> > Wasser aus dem Berg austritt. Übertragen auf Software also direkt das,
> > was vom menschlichen Hirn über die Tastatur in den Rechner gelangt ist.
> 
> mmm.. Deutsche und englische Wikipedia sehen das anders:
> 
> | Unter dem Quelltext oder auch Quellcode (engl. source code) oder
> | Programmcode versteht man in der Informatik den für Menschen lesbaren in
                                                    ^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^

Deshalb ist die Sache mit dem Scrabbler ziemlich eindeutig.

> | einer Programmiersprache geschriebenen Text eines Computerprogrammes.
> | Abstrakt betrachtet kann man den Quelltext eines Computerprogramms auch
> | als Software-Dokument bezeichnen, welches das Programm so formal exakt
> | und vollständig beschreibt, dass dieses aus ihm vollständig automatisch
> | vom Computer generiert werden kann.

Also auch bei Code-Erzeugung die Quell-Dokumente mitliefern. Wie ich's
gesagt habe.

> In der englischen heisst es sogar: "Source
> code (commonly just source or code) is any series of statements written
> in some human-readable computer programming language." was noch viel
> eindeutiger passt, da steht nichtmal, dass das in der" human-readable
> computer programming language" geschriebene selbst menschenlesbar oder
> gar menschenverständlich sein müsse.

Ja, da haben die Leute Mist gebaut. Davon abgesehen gibt es in der Tat
eine abstrakte Nebenbeutung des Wortes "Quellcode", weil man in der
Wissenschaft natürlich erstmal nur den Compiler-Input damit meint.

Das hat aber mit dem Begriff des Quellcodes, wie er von den Lizenzen
genutzt wird, nichts zu tun. Insbesondere ist diese zweite Bedeutung
nur im Compilerbau zu finden, das Alltags-Wort hat die offensichtliche
Bedeutung, nicht diese abgefahrene "wird von irgendeinem Compiler
verstanden"-Bedeutung.

> > > Nein, nicht auf den Source, sondern "the physical act of transferring a
> > > copy".
> > 
> > Das ist doch genau die Sorte von Haarspalterei, über die sich auch Olaf
> > schon aufgeregt hat. Letztendlich ist doch nur wichtig, dass Geld zum
> > Entwickler der Software fließt, und damit ist es kommerziell.
> 
> na gut, wenn es für Dich ausreicht, dass "irgendwo in Beziehung dazu
> stehend Geld fliesst", gibt es natürlich NICHTS, was nicht kommerziell
> ist.

Ich meinte nur, dass Lizenzen nicht weniger weit herholt sind als
Support, und dass in beiden Fällen die kommerziellen Interessen direkt
die Entwicklung bestimmen.

Das *kann* bei freier Software passieren (MySQL), muss aber nicht
(Emacs).

> Müssen
> halt alle Windows XP lizensieren, wenn sie Office 2007 (?) nutzen
> wollen.

Ja und? Das kann dir mit GPL-Software auch passieren: Muss neuen
MySQL-Support kaufen, weil der alte abgelaufen ist.

(... weil MySQL die Firmen vom Support abhängig gemacht hat, indem
sie dieses oder jenes in ihrer Software hinreichend umständlich gemacht
haben)

Kommerzielle Interessen beeinflussen auch GPL-Software.

> > Wenn du so einen haarfeinen Unterschied als Begründung für deinen Begriff
> > "nichtkommerzialisierbare Software" nimmst, dann wäre ja jede "Freeware"
> > schon frei. Da bekommt das Programmier-Team ja ebenfalls kein Geld über
> > die Lizenzen. Weil es sich jeder kostenlos runterladen kann, kann auch
> > keiner Exklusiv-Rechte daran erwerben. Die, die ne Kopie haben, können
> > sie ja immer noch legal kostenlos weiter verteilen.
> 
> Freeware ist ganz einfach kommerzialisierbar. Ich kann den Namen ändern
> und sie verkaufen (je nach Lizenz natürlich; Freeware ist wohl ein
> weiter Begriff). Der Autor kann auch jegliche Weiterentwicklung
> blockieren (z.B. in dem er die Sourcen löscht). Geht bei GPL nicht, weil
> man die ja mindestens auf Verlangen rausgeben muss.

Ha! Das nächste Problem mit deinem Begriff. Er beschreibt die Sache
nicht nur unvollständig, sondern z.T. sogar falsch. Nach deiner
Definition wäre auch BSD-Software "kommerzialisierbar", schließlich
darf man die als Binary weitergeben, ohne Sources.

> Sind bei SLES nicht "unfreie" Teile dabei?

Ja.

> Du tust ja so, als ob man bei z.B. Windows keinen Quellcode bekommen
> könnte oder nichts ändern dürfe oder sonstwas. Das gilt aber alles nur,
> wenn Du nur diese "EULA" hast. Du kannst aber mehr "lizensieren". MS
> muss das aber nicht machen - das ist bei der GPL essentiell anders.

Du verdrehst da was. "Freie Software" bezieht sich auf Lizenzen. Eine
Lizenz kann frei sein oder nicht. Ein Freiheits-Recht besteht nicht
darin, dass irgendwer bestimmtes dein Quellcode haben darf, sondern dass
ihn *jeder* haben darf. Insbesondere kann eine Lizenz also in erster
Linie nur dann frei sein, wenn sie für jedermann gilt.

Eine Software, die unter mind. einer freien Lizenz angeboten wird, heißt
dann "Freie Software".

> > Ich kann mir nicht helfen, aber der Begriff "Freie Software" ist in
> > meinen Augen einfach mal verdammt gut gewählt. Er mag nicht perfekt
> > sein, aber es "passen" sehr viel mehr Nebenbedeutungen, als bei allen
> > anderen Begriffs-Versuchen, einschließlich "Open Source".
> 
> Ich glaube, dass kommt einfach nur daher, dass Du diese ("Computerwelt")
> Interpretation so gewohnt bist, dass Du ihn daher so passend findest.

Ich bin auch den Begriff "Freiminuten" gewöhnt, den kenne ich viel
länger als den Begriff "Freie Software", aber ich finde ihn ganz und
gar nicht passend. ;-)

> > Einflussbereich. Also:
> > 
> >     ... außerhalb des Einflussbereiches der GPL ...
> 
> ja, Danke, prima.

Für's nächste Mal: dict.leo.org

Das liefert in diesem Fall sogar eine noch bessere Variante:

    ... außerhalb des Geltungsbereiches der GPL ...

Hey, wo bleibt unser Fana^WPhillip?


Viele Grüße,

    Volker

-- 
Volker Grabsch
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