[linux-l] VCS als Alternative zum Fileserver (war: Server als zentraler Ausfallpunkt)

Steffen Dettmer steffen at dett.de
Fr Sep 15 12:35:03 CEST 2006


Hi!

Interessantes Thema. Ich hab da gerade mal ein bisschen drüber
nachgedacht und fühle mich verleitet, mal ein bisschen "visionär" zu
werden. Soviel also schonmal als OT-Warnung :-)

* Volker Grabsch wrote on Fri, Sep 08, 2006 at 10:44 +0200:
> On Fri, Sep 08, 2006 at 10:25:54AM +0200, Volker Grabsch wrote:
> > Also, was geschah? Einer der Mac-Rechner wurde zum "Fileserver"
> > befördert, auf dem alle Daten liegen.
> 
> Zum Thema "Organisation via Fileserver" vielleicht noch eine Anmerkung:
> Zu Hause arbeite ich übrigens mit einem VCS. 

Naja, vermutlich ist die Summe der Nachteile wiedermal konstant...
dezentrale Datenhaltung führt beispielsweise i.d.R. zu aufwändigeren
Backups. Wenn ein zentraler Server kaputt geht, kann man ihn schneller
tauschen. Theoretisch. Man könnte einen cold-standby im Regal haben und
bei Bedarf anstöpseln (in der Praxis hab ich aber meist erlebt, dass man
das nicht macht und halt stundenlange Ausfallzeiten hat - IT im
Durchschnitt sinkt im technischen Niveau vermutlich genauso schnell wie
IT Informationen im wissenschaftlichen - aber bunter wirds).

Nett könnten auch virtuelle Lösungen sein. Ist ein Server platt, läuft
die entsprechende virtuelle Maschine notfalls halt auf dem Mailserver
oder weiss ich was. Vielleicht holt sie sich ein RAID-5 ran (was
normalerweise nicht benutzt wird) oder was in der Art. Der Nachteil ist
hier wohl, dass man ständig mit Performance bezahlt.

Für Dokumente sind SCM Systeme wie CVS oder SVN ja auch nur bedingt
geeignet. Suchen und Anschauen funktionieren nur begrenzt, Konflikte in
WORD und PDF Dateien sind ein Problem und während des Backups sollte
nicht eingecheckt werden können, damit man ein konsistentes hat (weiss
gar nicht, ob SVN sowas kann - müsste man also noch ein LVM Snapshot
ziehen oder sowas). In der Praxis ist das meiner Meinung nach so lange
kein Problem, so lange man seine Daten noch kennt. Heutzutage hab ich
aber den Eindruck, dass man mehr managed, als man eigentlich kann. Es
gibt gern Riesenstrukturen, wo Kram drin liegt, den eignetlich keiner
mehr kennt. Viele MB oder gar GB werden pro Mitarbeiter und Jahr an
Daten erstellt (obwohl ja so viel Entropie überhaupt nicht enstehen
/kann/). Wenn man sich grosse Softwaresysteme anguckt, findet man teils
gar unbenutzte Funktionalitäten etc, ohne das man das wirklich weiss
("Nutzt eigentlich noch jemand dieses alte Modul?!"). Man hat vielleicht
gar keine wirkliche Kontrolle mehr, weil man Sachen (IMHO) falsch macht,
und schreit dann nach Tools, die diese Probleme "lösen" (also die
Wirkungen vermindern). Am Ende hat man stapelweise Mails, mit Infos, die
eigentlich besser in einem Wiki abgelegt werden. Man ersetzt Software
(vielleicht Forensoftware im Internet) heute sogar schon, ohne die Daten
zu übernehmen (wozu zum Henker basiert das alles auf SQL Relationalen
Datenbanken, wenn man die Daten nicht übernimmt?). Dieses Wissen geht
dann verloren - das das geht, zeigt meiner Meinung nach vor allem, dass
man gern auch viel zu viel "Geschichte" speichert - und dann auch noch
so, dass man eigentlich gar nix mehr davon hat, weil man es nicht
findet.

Ich bin überzeugt, dass man für weitere Steigerungen neue Wege gehen
muss. Vielleicht muss man in Zukunft mindmap-orientiert ablegen oder
sowas. Dokumentenmanagementsysteme sind meiner Meinung nach oft nicht
wirklich was für Menschen - wirkt irgendwie "falsch". Sieht man auch bei
Software, z.B. bei Java, da gibts Riesenbibliotheken für alles mögliche,
die SVN-trees sind Riesig, aber man findet nix, weil am Ende doch wieder
nur Ausgewählte viel auswendig wissen. Man nutzt von den Systemen am
Ende nur 5% von denen man 1% wirklich braucht. In der Theorie spricht
man von Abstraktion zwischen Inhalt und Präsentation, aber in der Praxis
muss ich Word-Dokumente schreiben (mit halbherzigen Vorlagen), kann
keine Infos direkt aus Wikis einbauen, für Datenbank-Infos muss ich mit
ODBC Datenquellen und weiss ich was hantieren, und mal eben einen
Funktionsprototypen automatisch in ein Word-Dok einbauen, geht auch
nicht. Nehme ich Doxygen, kann ich das Ergebnis nicht über ein Tool a la
Powerpoint präsentieren, Powerpoint ist im Browser (meiner Meinung nach)
nicht zu gebrauchen. Habe ich Dynamik, kann ich MS Projekt verwenden,
was meiner Meinung nach mehr ein Malprogramm ist. Da gibts zwar
Microsofts "Dokumentarchitektur", aber funktionieren tuts meiner Meinung
nach alles nicht wirklich. Mit StarOffice etc. ist das IMHO das gleiche
- es wird irgendwie viel abgeschrieben, aber wirklich neue Sachen werden
sich wohl erst noch durchsetzen müssen. Und dann kommt noch jemand und
erklärt Single-Sign-On, wo ich mich dann wieder frage, warum ich dann
jeden meiner Arbeitsvorgänge auf eine einzige Rolle mappen muss. Kann
ich denn nicht mal Dokumente lesen, und bewusst auf Schreibrechte
verzichten oder sowas? Oder mal sehen will, was öffentlich ist?

Am Ende sind die Systeme unbeherrschbar komplex und es kommen komische
Sachen bei raus. Alles Mögliche wird vereinheitlicht, globalisiert,
modernisiert, integriert.

Aber wie ist denn der /Mensch/? Globalisierung funktioniert meiner
Meinung nach schon mal nicht - führt sogar zu ähnlichen Problemen.
Menschen möchten vielleicht gar nicht vereinheitlichen, weil die
Mikrowelle anders bedienbar sein /soll/ als das Telefon. Dann schreibt
der eine SMS und der andere kann das nicht leiden. E-Mail ist wunderbar
global, und man muss mit Stapeln und Antivierensoftware und Spamfiltern
kämpfen, damit es dann doch noch ein bisschen funktioniert. Einheitlich
ist das nicht, die einen schreiben HTML und verwenden exotische
Schriften ("Briefpapier" für die "persönliche Note"), andere mögen die
schlichte Effizienz von plaintext. Am Ende werden dann PDFs gemailt,
archiviert - und stundenlang gesucht ("irgendjemand hatte mir die
Statistik doch gemailt!?"). Im PHP-Foren-Zeitalter sind
UniformResourceLocators eher TemporarySomethingPointers
(news/id=today05.php), google treibt einen Riesenaufriss wird aber immer
weniger effizient, weil redundante Daten kaum erkannt werden können
("Dieser Artikel basiert auf Informationen aus der Wikipedia..." - warum
kein Link!?), aber so kann man eigene Werbebanner einbauen.

Solange man gar keine Informationen managen möchte, sondern Werbebanner
verkaufen oder mit neuen Supertools rumspielen möchte (ich schätze,
vieles wird nur verwendet, weil es nette Spielzeuge sind, nicht weil es
/richtig/ ist), solange wird man auch keine Informationen wirklich
managen. Sondern halt Banner verkaufen und rumspielen.

Wie könnte sowas später mal aussehen? Man möchte anonym sein,
gleichzeitig aber auch Geschäfte tätigen können und "Bekannte" haben.
Könnte man sich vorstellen, mit "virtuellen Identitäten" durch
"virtuelle Realitäten" zu wandern? Sowas gibt's ja in jedem Portal, aber
man hat immer eine andere Identität (diese ist also lokal). Andererseits
kenne ich etliche, die gleiche (ähnliche) Namen in verschiedenen
Foren/Spielen/Chats verwenden. Die haben dann zwei, drei
Lieblingsspitznahmen, die dann benutzt werden. Man bewegt sich am Ende
fast wie ein Rollenspieler durch das Internet (jetzt bin ich gerade der
BlaueFalke und ich mag Steaks. Morgen bin ich der GrüneSeestern und
Vegetarier)? Der GrüneSeestern verkauft MP3 Musik und der BlaueFalke
schreibt Rezessionen. Möchte der GrüneSeestern was vom BlaueFalken
wissen, besucht er dessen öffentliche Homepage oder sowas, weil ja nur
öffentliche Informationen wirklich anonym sein können. Der BlaueFalke
kann dann bei SpiegelOnline arbeiten usw.

Aber ist es wirklich das/alles, was Mensch will? Sitze ich dann mit
Spiegelonline-Kollegen um ein virtuelles Lagerfeuer bei einer virtuellen
Betriebsfeier?

Vielleicht ist das nur eine Spielwiese, wo ich was ausprobiere und
vielleicht hier und da mal was in mein "wirkliches Leben" übernehme. Am
Ende macht Urlaubsdias und Internet Foto Gallerien für sich beide keinen
Spass, glaube ich, dann setzt man sich lieber mit einem Bier in den
Garten. Ob man die Fotos dann als Hardcopy, von der Cam oder Laptop aus
anguckt, ist letztendlich fast egal.

oki,

Steffen

-- 
Dieses Schreiben wurde maschinell erstellt,
es trägt daher weder Unterschrift noch Siegel.





Mehr Informationen über die Mailingliste linux-l