[linux-l] Re: web 2.0 - nichts neues unter der sonne

Volker Grabsch vog at notjusthosting.com
Sa Sep 30 13:58:08 CEST 2006


On Sat, Sep 30, 2006 at 09:34:23AM +0000, Rocco Rutte wrote:
> Eine Web-2.0-Anwendung ist zum Beispiel die Web-Variante von Lotus Notes 
> oder AlphaBlox (auch IBM, IIRC gibt es Online-Demos von IBM) (das sind 
> die einzigen, mit denen ich intensiver zu tun habe). Da hat man 
> klassische Widgets der GUI-Programmierung (Menüleisten, Context-Menüs, 
> Icons, Drag&Drop,...)

Ist das Typo3-Backend dann auch Web 2.0?  ;-)

> nur eben im Browser zusammen mit in HTML und 
> JavaScript erstellten Dialogen, "richtigen" Desktops, etc...

In der BePHPUG wird das Thema regelmäßig diskutiert. Und der "richtige
Desktop", also der Versuch, seit Jahren veraltete Konzepte der Desktopwelt
Bug für Bug ins Web zu bringen, löst jedes Mal schreiendes Gelächter aus.

Man sollte IMHO die Chancen lieber dafür nutzen, um *bessere* User-
Interfaces für seine Applikationen zu basteln, nicht den alten nervigen
Desktop nachzubasteln, in dem man nicht nur jedes Fenster einzeln
rumschieben kann, sondern auch muss. Dann gilt es noch als tolles
Feature, dass man die Fenster autmatisch anordnen lassen kann. Statt
die Informationsbereiche *von vornherein* übersichtlich anzuordnen,
wie es jeder vernünftige Webdesigner (gezwungenermaßen) tun würde.

Mehr Aufwand für schlechtere Bedienbarkeit, das passiert leider viel
zu oft.

Sicher, AJAX & Co. erlauben nichts, was man nicht auch mit einem
klassichen GUI-Framework hinkriegt (z.B. Python + GTK2), aber es
macht aus irgendeinem Grund viel mehr Spaß. Dadurch wird es attraktiv
für eine bisher weniger bedeutende Masse von Designer, die sich ganz
besonders viele Gedanken um Übersichtlichkeit und Benutzerführung
machen (will sagen: Webdesigner machen sich m.E.n. mehr Gedanken
darüber als klassische GUI-Designer).

So lächerlich dieser "Web 2.0"-Hype auch sein mag, er spricht eine
neue Zielgruppe von Applikations-Designern an, und das hat großes
Potential, wenn man die Konzepte und guten Ideen von "beiden Welten"
(klassische GUI-Anwendungen und Web-Anwendungen) zusammen bringt.

Missbraucht man hingegen die neuen Möglichkeiten, um das alte Zeug
nachzubauen (z.B. durch Nachbauen eines Windows-Desktops), ist das
nicht nur lächerlich, sondern aktiver Rückschritt.


Das erinnert etwas an den Java-Garbage-Collector, der die ausgefeiten
Speicherverwaltungs-Mechanismen des unterliegenden OS komplett
ignoriert und aushebelt. Was der Java-GC erstmal in die Finger bekommt,
kann weder vom OS-Cache noch vom L1-Cache oder irgendeinen anderen
Mechanismus optimiert werden. Dadurch bauen sie diese
Chaching-Mechanismen z.T. in der VM nach, z.T.. müssen auch die
Applikationen selbst ran. Sog. "Container" (Begriff aus JEE) wie
JBoss müssen dann Pooling von großen Objekten betreiben, etc., kurz:
man baut alles, was das OS bietet, selbst nochmal nach. Und das auf
eine Weise, die eben nicht mehr transparent für die Applikationen ist.
Sabuere Schichtentrennung ist nicht mehr gegeben, stattdessen
durchziehen sie Java-Code wie eine Krake. Der Programmierer ist
darauf angewiesen, bestimmte "Design-Patterns" zu beachten, wenn
er darüber Herr werden will. Diese J2EE-Design-Patterns, die überwiegend
der Optimierung statt der Übersichtlichkeit dienen, rücken den von der
GoF geprägten Begriff der "Design Patterns" in ein ziemlich schlechtes
Licht.

Sorry für den Rant. Musste mal sein. :-)


Viele Grüße,

    Volker

-- 
Volker Grabsch
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