[linux-l] einfach zu bedienende programme - standard?

Uwe Berger bergeruw at gmx.net
Fr Apr 20 17:03:31 CEST 2007


MoinMoin,

nun muß ich mich doch mal zu Wort melden...

Ich bin einer Typen, die tagtäglich irgend welche "komischen" Programme
für Anwender konzipieren und letztendlich schreiben. Vor allem
beruflich, aber auch privat (warum privat, wird weiter unten deutlicher...).

Norm at nSteinbach schrieb:
> Sven Guckes wrote:
>> * Norm at nSteinbach <norm at nsteinbach.de> [2007-04-18 03:48]:
>>> Eine "bedienungsanleitung" kann ja auch aus den wichtigsten
>>> grundlagen die man wissen muss um das programm zu bedienen
>>> bestehen, und die restliche bedienung erklärt sich eben
>>> selbst.  warum macht das keiner? ist das so schwer?
>> ja - das *ist* schwer.

"Wasserdichte", (entschuldigung für das böse Wort) "idiotensicher" und
für alle verständliche Manuals zu schreiben ist genauso schwierig, wie
ebensolche Anwendungen zu schreiben!

Warum? Ganz einfach, der Wissenstand und die Ansprüche der einzelnen
Benutzer ist vollkommen unterschiedlich. Mal ist es ein Informatiker,
mal ist es die Dame vom Empfang oder es ist der 14-jährige Junge der
eigentlich nur spielen möchte. Dem einen ist es egal, ob der Button bunt
und animiert ist, er hätte wohl lieber die Kommandozeile, weil es
schneller geht. Der andere braucht die bunten Button, weil er sich sonst
nicht zurecht findet.

So, nun finde mal den goldenen Mittelweg? Der Informatiker braucht eine
man-Page mit der Beschreibung der Kommandozeilen-Optionen. Die Dame vom
Empfang braucht ein 500-Seiten-Buch plus einer Online-Demo und
wahrscheinlich noch eine 1-wöchige Schulung (plus der bunten/animierten
Button), um glücklich zu werden.

Achso, und dann ist da noch der arme Programmierer der Applikation, der
eine ganz andere Sicht hat und wahrscheinlich der einzige ist, der zu
100% weis, was sein Programm alles kann und wie es funktioniert! Wenn er
das aufschreiben würde, braucht er drei mal soviel Zeit, wie er für das
Programm selbst braucht (und die Zeit würde er nichtmal bezahlt
bekommmen...).

>>> ist es so schwer, ein standardisiertes framework
>>> für so etwas zu entwickeln, wo entwickler um ihre
>>> programme darauf zu portieren nurnoch die texte der
>>> einzelnen menüpunkte, buttons, captions, eingabefelder
>>> etc.  den funktionen ihres programmes zuweisen müssen?
>> du behauptest also, dass es leicht sei ein framwork
>> zu entwickeln das jeder programmierer lediglich
>> benutzen muss, damit jeder benutzer den sinn und zweck jedes
>> programms zu erfassen und ohne anleitung damit arbeiten kann?
> Ich weiß nicht ob es leicht ist, aber bei den komplexen Programmen die
> es gibt dürfte es keinesfalls komplexer sein, als das Programm selbst...
> 
stopp, doch es gibt soetwas. Das nennt sich dann MS-Windows, KDE, Gnome
usw.. Das sind doch Frameworks, die alle versuchen
Benutzerschnittstellen zu standardisieren und benutzerfreundlich zu
machen. Das sind die Produkte einer ganzen Wissenschaft(!), der
Softwareergonomie (ja, da kann man sogar seinen Dr. machen). Es gibt
viele Leute, die sich darüber den Kopf zerbrechen, wie andere Leute mit
dem Rechner arbeiten könnten. ... Und die Komplexität steigt mit der
Anzahl der unterschiedlichen Anwender, von denen jeder seine eigentliche
Persönlichkeit, Wahrnehmung und Herangehensweise hat...

Worauf soll sich nun der Entwickler konzentrieren?

1.) er fragt seine potentiellen Kunden, erstellt unzählige Prototypen
der Benutzerschnittstelle und einigt sich mit den Anwendern auf eine
Oberfläche. Mit Sicherheit kann er aber nicht alle seiner zukünftigen
Kunden befragen, weil es sie vielleicht noch garnicht gibt... (das ist
auch so die Vorgehensweise, die ich beruflich verfolge)

2.) Er hält sich an einen der oben erwähnten Standards, legt seine
Bücher über moderne Softwareergonomie daneben und schreibt sein
Programm. OK, er hat sich für Standard 1 entschieden, aber alle die, die
Standard 2,3,4,5,... bevorzugen, werden ihn ständig fragen warum hast du
es so gemacht und nicht wie unter Standard xy üblich?

3.) er schreibt sich(!) ein Programm, so wie er es will und er es
bedienen kann, weil es zwar die Lösung so ähnlich vielleicht schon gibt,
er sie aber nicht versteht (:-)) bzw. ihm viel zu kompliziert und
aufgebläht ist. Jeder andere, der sich sich nicht in seine Gedankengänge
rein versetzen kann, wird nur mit dem Kopf schütteln. Je komplexer der
Inhalt der Anwendung ist, desto wenige nützt auch das beste Manual
nicht! Ich bin übrings (privat) auch einer von den Typen...



>> Norman, wenn es wirklich so ist wie du sagst -
>> warum gibt es dieses framework noch nicht?
> Das verstehe ich ja eben selbst nicht.
> 
eigentlich ist es doch gut, dass es soetwas nicht gibt! Wäre doch doof,
wenn alle Windows benutzen, den gleichen Anzug anhaben, das gleiche Auto
fahren und die gleiche Wurst auf dem Einheitsbrot hätten, oder?


>> und was muessen wir tun, damit
>> du es endlich selber mal tust?
> Dazu müsste ich es lernen. Nur dass ich ohne "interaktiven workshop" (a
> la selfhtml) nicht wirklich das Durchhaltevermögen habe, mir
> eigenständig sowas massives anzueignen. Also, Antwort: Mir einen Lehrer
> zur Seite stellen & ausreichend Zeit geben. ;-)
> 
>> mach es doch einfach.
>> oder ist das schwer?
> Für jemanden ohne Programmierkenntnisse sicherlich.
> 
belege einfach mal ein paar Semester Softwareergonomie, lese ein paar
Bücher darüber, fange einfach mal an eine solche einheitliche Oberfläche
zu konzipieren und du wirst merken, was da alles beachtet werden muß und
wie schwierig das ist. Dazu braucht man keine Programmierkenntnisse, die
finden sich dann schon, wenn es wirklich gut ist. Wenn du dann aber
fertig bist, wirst du wieder ganz viele Normans finden, die deine Ideen
nicht verstehen...

Grüße Uwe

PS.: ich benutze übrings auch mc, aber nicht, weil ich von der
Oberfläche begeistert bin, sondern weil ich vor 20 Jahren mit dem
Norton-Commander angefangen habe und die Tastenkombinationen im Schlaf
kann und ich zu faul bin mir irgendwelche Optionen für das Hin- und
Herkopieren von Dateien zu merken (steht ja in der man-Page, wenn man es
wirklich braucht...). Reine Gewohnheitssache und eigentlich sind mir die
lustigen Spielereien bei irgendwelchen Button in der mc-Oberfläche noch
nie aufgefallen. ... au man, wie lange hat dafür wohl der Entwickler
seine Zeit verplempert und wofür? Sage ich, du siehst es anderes. Auch
gut so, denn ich würde es doof finden, wenn du meine Frau mögen würdest!






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