[linux-l] OT mir ist schlecht, siehe Link

Peter Ross Peter.Ross at alumni.tu-berlin.de
Do Aug 30 08:09:13 CEST 2007


Hi Thomas,

(erst einmal eine Entschuldigung fuers Off-topic)

On Thu, 30 Aug 2007, Thorsten Stöcker wrote:

> Am Donnerstag, 30. August 2007 00:34 schrieb Peter Ross:

>> Wie sehr man seit Jahren, bald zwanzig, in Ostdeutschland den Verfall
>> einer Ordnung kleinredet, die nicht mal fuer koerperliche Sicherheit
>> garantiert, ist doch unglaublich.
>>

> Welche Ordnung? Mann, der Osten hängt am Tropf, nicht nur in 
> wirtschaftlicher Hinsicht. 56 Jahre Diktatur, das hängt den Leuten in 
> den Köpfen.

Sicher.

Ich bin ja auch in der DDR aufgewachsen und zur Schule gegangen. 
Auslaenderfeindlichkeit und Gewalt waren nicht Teil meiner Erziehung.

Ganz so simpel laesst sich das vielleicht doch nicht erklaeren.

> MacPom, leer und arm. Keine Perspekzive.

Warum eigentlich?

> Jede Medallie hat 2 Seiten und die mangelnde Integration ausländischer 
> Mitbürger ist auch etwas, was das Versagen beider Seiten aufzeigt. 

Sicher, nur sind die Tuerken (die gibt es hier mehr im Norden der Stadt) 
hier sicher nicht so anders. Sie kamen zur gleichen Zeit, haben den 
gleichen kulturellen Hintergrund.. und sind hier integriert.

Zum Beispiel gib es hier keine Kopftuchhysterie. Oder halbe 
Volksaufstaende wegen eines Kreuzes an der Schulwand. Kein 
"Hardcoresekularismus", sondern Religionsfreiheit.

Der chinesische Tempel unweit meines Hauses 
(http://www.chia.chinesemuseum.com.au/biogs/CH00027b.htm) steht hier seit 
1856.

> Mal ganz abgesehen davon, das die Sträflingskolonie eine lange Tradition 
> darin hat, schwierige Mitbürger zu integrieren, 

;-)

> ist englisch im Gegensatz zu deutsch, russisch oder chinesisch eine 
> banale Sprache.

Gemessen an Deutsch? Ein paar Regeln sind einfacher, dafuer kann man das 
Lesen nicht uebers Buchstabieren erlernen, muss sich ganze Woerter 
einpraegen, da das Geschriebene nichts ueber die Aussprache aussagt.

Meine Tochter (7) hat gerade lesen gelernt, sie liest das Sams auf deutsch 
und Harry Potter auf englisch. Sie ist kein Genie, nur durchschnittlich 
begabt. Eines von vielen zweisprachig aufwachsenden Kindern in Melbourne.

> Oh, das sind sie hier auch. Ich bin mir sicher, das der Rassismus auch 
> in Aus existiert, er ist vielleicht etwas subtiler,

Es ist nicht alles Gold, was glaenzt, sicher. Und es ist auch ein langer 
Prozess. Mulicultural Melbourne entstand nicht ueber Nacht..

Nichsdestotrotz, es gibt de facto keine Ghettoisierung in Melbourne, die 
ganze Minderheiten von der hoheren Schulbildung ausschliesst.

> aber die Aborginals sind ein gutes Beispiel.

Ohne etwas zu beschoenigen, aber es ist ein Aufeinandertreffen so 
vollstaendig unterschiedlicher Kulturen, wie sie zumindest im 
europaeischen Rahmen kaum vorstellbar ist.

Die Vergangenheit laesst sich nicht ungeschehen machen, die Gegenwart ist 
aber eine Herausforderung an das Zusammenleben, die keine einfachen 
Loesungen hat.

Dabei moegen unterschiedliche Kraefte unterschiedliche Motivationen haben 
(und da laeuft mir einiges ziemlich zuwider), das Plakat Rassismus hilft 
aber nicht besonders gut weiter.

Ich habe hier einmal den Anfang des deutschen Wikipedia-Artikels:

"Rassismus teilt die Menschheit in Gruppen oder Rassen ein, die als 
homogen betrachtet werden und unterstellt diesen eine kollektive Identität 
sowie unveränderliche Merkmale und Charakterzüge. Anhand dieser Einteilung 
bewertet der Rassismus die Menschen, hierarchisiert sie oder stellt sie 
als miteinander unvereinbar und konkurrierend dar..."

Danach waeren selbst Vertreter eines radikalen Rueckzugs der Einwanderer 
rassistisch ("Australien den Aboriginals!" ["Deutschland den 
Deutschen"?]), da sie exakt eine Abtrennung einer mit westlicher Kultur 
unvereinbarer Aboriginalkultur fordern.

>> Zu einer solchen Integration scheint das Deutschland nach dem 2.Weltkrieg
>> nicht mehr faehig zu sein.

> Deutschland, weiß ich nicht, Berlin definitiv ja. Die Stadt hat die 
> Polen, die Franzosen (Hugenotten und französiche Streitkräfte), die 
> Juden und auch viele Türken, die Vietnamesen und vieles ander 
> integriert. Der Berliner Dialekt ist voll von Ausdrücken aller möglichen 
> Sprachen: Jidisch, französiche, polnisch, türkisch.

Ich sprach vom "modernen Deutschland", dem nach dem letzten Kriege.. Wie 
einfach es ist, Jude zu sein, kann man an den Wachen vor juedischen 
Schule, Synagogen, geschaendeten Friedhoefen etc. sehen, und das nicht nur 
im Osten.

.. und die Tuerken sind offensichtlich eines der Hauptprobleme an 
deutschen Schulen. Vorgestern auf Spiegel-Online - eine Aushilfsleherin in 
Koeln (sorry, kann es nicht mehr finden, so ohne URL - und es gab 
aehnliche Berichte ueber Berliner Schulen zuvor) Drittklaessler, die nicht 
ansatzweise lesen koennen. Die nicht stillsitzen. Ein Regal, demoliert 
waehrend der Schulstunde. Kinder, die ohne Essen zur Schule kommen, weil 
die Eltern nicht aufstehen.

Ja sicher, die Eltern. Aber warum passiert das nicht in Melbourne? Die 
Menschen sind die Gleichen!

Was mich so nervt: die Diskussionen in Deutschland schmoren im eigenen 
Saft. Hat denn schon einmal versucht, auch nur ansatzweise zu erklaeren, 
warum es Probleme gibt und wie man sie loesen kann, indem er sich mal 
anderswo umgeguckt hat?

Gruss
Peter


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