[linux-l] OT mir ist schlecht, siehe Link

Thorsten Stöcker tstoecker at baerensoftware.de
Do Aug 30 10:36:03 CEST 2007


Moin Peter,

Am Donnerstag, 30. August 2007 08:09 schrieb Peter Ross:
> Hi Thomas,
>
:-) Thorsten


> > Welche Ordnung? Mann, der Osten hängt am Tropf, nicht nur in
> > wirtschaftlicher Hinsicht. 56 Jahre Diktatur, das hängt den Leuten in
> > den Köpfen.
>
> Sicher.
>
> Ich bin ja auch in der DDR aufgewachsen und zur Schule gegangen.
> Auslaenderfeindlichkeit und Gewalt waren nicht Teil meiner Erziehung.
>
> Ganz so simpel laesst sich das vielleicht doch nicht erklaeren.
>

Hier ist und war es auch nicht Teil der Erziehung, wenn ich mir allerdings 
angucke wie in der Ex-DDR mit den Vietnamesen umgegangen wird, von meiner 
Generation, dann weiß ich Bescheid.

> > MacPom, leer und arm. Keine Perspekzive.
>
> Warum eigentlich?
>

Weil es schon immer so war? Vielleicht zu kurz gegriffen, aber nicht von der 
Hand zu weisen. Und in solchem Umfeld gedeiht radikales Gedankengut besonders 
gut.

> > Jede Medallie hat 2 Seiten und die mangelnde Integration ausländischer
> > Mitbürger ist auch etwas, was das Versagen beider Seiten aufzeigt.
>
> Sicher, nur sind die Tuerken (die gibt es hier mehr im Norden der Stadt)
> hier sicher nicht so anders. Sie kamen zur gleichen Zeit, haben den
> gleichen kulturellen Hintergrund.. und sind hier integriert.
>

Nun, ich würde nicht behaupten, das die Türken den gleichen kulturellen 
Hintergrund haben. Die BRD hat sich viele Probleme in den 60gern geschaffen, 
als Arbeitskräfte in ganz Europa angeheuert wurden um hier das 
"Wirtschaftswunder" zu befeuern.

> Zum Beispiel gib es hier keine Kopftuchhysterie. Oder halbe
> Volksaufstaende wegen eines Kreuzes an der Schulwand. Kein
> "Hardcoresekularismus", sondern Religionsfreiheit.
>

Religionsfreiheit? Sehr interessante Theorie, mit Symbolen an der Wand. Das 
ist nicht Religionsfreiheit.

> Der chinesische Tempel unweit meines Hauses
> (http://www.chia.chinesemuseum.com.au/biogs/CH00027b.htm) steht hier seit
> 1856.
>

Ja, und weiter? Religionsfreiheit wie in den USA? Nein, ganz sicher nicht. 
Religionsfreiheit bedeutet auch, das man sich gegen jede Religion entscheiden 
kann, aber wie? Religion ist Opium fürs Volk. Besser wäre Weltanschauung ist 
Opium fürs Volk. Der Alleinvertretunsganspruch ist das Problem und hier 
schließt sich der Kreis zu den Regierungen. Macht, ob religiöser oder 
weltlicher Natur, basiert auf der Manipulation von Informationen. Deshalb ist 
die Allgegenwärtigkeit von Informationen die größte Bedrohung für die 
Mächtigen.

> > ist englisch im Gegensatz zu deutsch, russisch oder chinesisch eine
> > banale Sprache.
>
> Gemessen an Deutsch? Ein paar Regeln sind einfacher, dafuer kann man das
> Lesen nicht uebers Buchstabieren erlernen, muss sich ganze Woerter
> einpraegen, da das Geschriebene nichts ueber die Aussprache aussagt.
>

Im Deuschen ist das nicht anders, ein schönes Beispiel sind "weg" und "Weg" 
und noch schlimmer ist es bei den Bedeutungen. Der schöne Witz mit dem 
Engländer, der einen Deutschen fragt, ob geschlagen und geprügelt das selbe 
wäre, nachdem der Deutsche dies bejaht hat, wundert sich der Engländer warum 
die Deutschen ihn auslachen, wenn er sagt die Kirchturmuhr hätte gerade 12 
Uhr geprügelt.

> Meine Tochter (7) hat gerade lesen gelernt, sie liest das Sams auf deutsch
> und Harry Potter auf englisch. Sie ist kein Genie, nur durchschnittlich
> begabt. Eines von vielen zweisprachig aufwachsenden Kindern in Melbourne.
>

:-) naja, ich kenne genügend Kinder in meiner Umgebung, die 3-sprachig 
aufwachsen (schwedisch, deutsch, englisch), (englisch, deutsch, spanisch), 
was ab und an zu erheblichen Kommunikationsproblem führt, weil ich nur 
deutsch und englisch spreche. Die Kinder verstehen mich zwar, antworten aber 
unter Umständen auf schwedisch oder spanisch. 

>
> Nichsdestotrotz, es gibt de facto keine Ghettoisierung in Melbourne, die
> ganze Minderheiten von der hoheren Schulbildung ausschliesst.
>

Naja, Ghettoisierung hat viele Ursachen, Platzangebot, Bildung der Leute die 
zuziehen, Sprachkenntnisse und Einkommensverhältnisse um nur ein paar zu 
nennen.

>
> Danach waeren selbst Vertreter eines radikalen Rueckzugs der Einwanderer
> rassistisch ("Australien den Aboriginals!" ["Deutschland den
> Deutschen"?]), da sie exakt eine Abtrennung einer mit westlicher Kultur
> unvereinbarer Aboriginalkultur fordern.
>

Natürlich ist das Rassismus, die Frage ist nur ob nicht gewisse Ausprägungen 
des Rassismus gesünderer Natur sind. Es macht einen Unterschied ob ein paar 
Glatzen losziehen und fremdländisch aussehende Mitbürger durch die Stadt 
hetzen oder wie in Teilen Brasiliens, man andere Zivilisationen sich selbst 
überläßt und die Miglieder wählen können ob sie traditionell leben wohlen 
oder sich der westlichen Zivilisation anschließen. Die Kultur der 
Aboriginals, über die ich zugegeben wenig weiß, dürfte erheblichen Schaden 
davon getragen haben und ich glaube nicht, das irgendwer die Aboriginals 
gefragt hat, ob sie das möchten. 


>
> Ich sprach vom "modernen Deutschland", dem nach dem letzten Kriege.. Wie
> einfach es ist, Jude zu sein, kann man an den Wachen vor juedischen
> Schule, Synagogen, geschaendeten Friedhoefen etc. sehen, und das nicht nur
> im Osten.
>

Das eine, hat nicht viel mit dem anderen zu tun. Das eine kleine Minderheit 
gegen andere Religionen und Ausländer hetzt ist fast bedeutungslos (natürlich 
nicht für den Einzelnen und natürlich muß das bestraft und verfolgt werden), 
schlimmer ist der subtile Rassismus, die Ausgrenzung. Und diese wird von 
beiden Seiten mehr oder minder aktiv betrieben.

> .. und die Tuerken sind offensichtlich eines der Hauptprobleme an
> deutschen Schulen. Vorgestern auf Spiegel-Online - eine Aushilfsleherin in
> Koeln (sorry, kann es nicht mehr finden, so ohne URL - und es gab
> aehnliche Berichte ueber Berliner Schulen zuvor) Drittklaessler, die nicht
> ansatzweise lesen koennen. 

:-), ja und die Rütli-Schule und was sonst noch so aufgeblasen wird. Das lenkt 
aber vom eigentlichen Thema ab. Nämlich das in vielerlei Hinsicht vergessen 
wurde gegenzusteuern, rechtzeitig. Die Probleme waren bekannt. Die 
Aushilfslehrerin in Köln ist ein schönes Beispiel, wie man nun 
Flickschusterei betreibt, um die Versäumnisse der 80ger und 90ger zu beheben. 

> Die nicht stillsitzen. Ein Regal, demoliert 
> waehrend der Schulstunde. Kinder, die ohne Essen zur Schule kommen, weil
> die Eltern nicht aufstehen.
>

Ja, aber was willst Du dagegen tun? Verantwortungslosigkeit gibt es überall, 
das ist kein typisch deutsches, sondern ein typisch menschliches Problem.

> Ja sicher, die Eltern. Aber warum passiert das nicht in Melbourne? Die
> Menschen sind die Gleichen!
>

Woher willst Du wissen, das es nicht in Melbourn passiert? Nur weil es nicht 
berichtete wird? Das ist wie mit Backdoors, Bugs und ähnlichem, nur weil wir 
nicht wissen das es existiert, heißt das nicht, das es nicht existiert, 
sondern nur, das wir nichts von der Existenz wissen.

> Was mich so nervt: die Diskussionen in Deutschland schmoren im eigenen
> Saft. Hat denn schon einmal versucht, auch nur ansatzweise zu erklaeren,
> warum es Probleme gibt und wie man sie loesen kann, indem er sich mal
> anderswo umgeguckt hat?
>

Wo denn? Lösungsansätze anderer Länder und Kulturen sind nur bedingt tauglich, 
eher untauglich. Die Geschichte ist voll, von gescheiterten Versuchen 
systemimmanente Fehler durch das Aufpropfen fremder Lösungen zu beheben.

Es ist wie mit dem Wechsel des Betriebsystems :-) es ist nicht einfach und die 
Reibungsverluste sind hoch und oft klappt es auch nicht. Während Du unter 
Umständen auf das eine oder andere Programm verzichten kannst, wird das im 
kulturellen Bereich schon deutlich schwieriger. Das aufgeprofte Systeme in 
der Realität nicht funktionieren, hat der real existierende Sozialismus zur 
Genüge bewiesen, schon der Mauerbau war ein Eingeständnis des Scheiterns 
einer an und für sich bedenkenswerten Idee.

Trotzdem wird mir immer wieder schlecht, wenn ich bedenke das es Leute gibt, 
die glauben es gäbe ein legitimes Interesse des Staates in meinem 
Privatangelegenheiten herumzuschnüffeln. Und mir ist angesichts der Bedrohung 
völlig egal, ob das irgendwie und irgendwann demokratisch legitimiert worden 
ist oder auch nicht.

Es gibt und gab keine unverfänglichen Informationen, nie. Und die 
automatisierte Auswertung, Verknüpfung und Weitergabe von Daten hat ein 
bedrohliches Ausmaß angenommen, sie bedroht die Freiheit jedes Einzelnen in 
den Grundfesten. Das Erschreckende daran ist, das sich prügelnde Kinder auf 
dem Schulhof einen höheren Nachrichtenwert besitzen als die Bedrohung der 
persönlichen Freiheit. Und das dies viele, auch die sogenannten Fachleute, 
mit einem Schulterzucken abtun.

Gruß
Thorsten

-- 
Bären-Software
Thorsten Stöcker
Wichernstr. 40
13587 Berlin-Spandau
T: +49 (0)30 / 333 098 12
F: +49 (0)30 / 333 098 13
M: +49 (0)160 / 973 101 68
W: http://www.baerensoftware.de



Mehr Informationen über die Mailingliste linux-l