[linux-l] OT mir ist schlecht, siehe Link

Thorsten Stöcker tstoecker at baerensoftware.de
Do Aug 30 20:40:41 CEST 2007


Moin,
> >
> > Hier ist und war es auch nicht Teil der Erziehung, wenn ich mir
> > allerdings angucke wie in der Ex-DDR mit den Vietnamesen umgegangen wird,
> > von meiner Generation, dann weiß ich Bescheid.
>
> Das ist doch eine Feststellung und keine Erklaerung, warum.
>

Oh, die Erklärung ist einfach und doch komplex. Es ist das Unbehagen vor dem 
Unbekannten und Unverstandenen.

>
> Auch war DDR-Erziehung nicht gewaltverherrlichend.
>

Naja, das würde ich lieber nicht so laut sagen. Ich kenne zwar nur Berichte 
aus dritter Hand, der Zufall hat mich auf der anderen Seite der Mauer 
aufwachsen lassen, aber nun ja.


> Es ist ein ploetzlicher Werteverfall, eine Desillusionierung, wie ihn
> Deutschland schon einmal erlebt hat, nach 1945. Das Wirtschaftswunder hat
> das am besten uebertuenchen koennen, ein Aufbruch, der viel Arbeit nach
> sich zog.
>

Ich weiß nicht, ob man den Verfall der "Werte" der DDR oder des Dritten Reichs 
bedauern muß. Ich würde eher sagen, Gott sei Dank.

> Diese Arbeit als Beschaeftigungstherapie, zur Ablenkung, waehrend der
> Neuorientierung, ist in Ostdeutschland ausgeblieben. Der Wohlstand zog
> ein, unbestritten, aber ohne Eigenbeteiligung.
>

Dank Kohl, der den teuersten Trabbi-Kauf der Geschichte eingeleitet hat, um 
wiedergewählt zu werden. Als West-Berliner vergisst man die Kohlschen Lügen 
nie insbesondere wenn man daran denkt wer Wortführer gegen die brandschen 
Ost-Verträge war.


> > Nun, ich würde nicht behaupten, das die Türken den gleichen kulturellen
> > Hintergrund haben.
>
> Ich meinte die Tuerken in Melbourne und die in Berlin. Sie kamen hier auch
> in den 60ern als billige Arbeitskraefte. Deren Integration ist besser
> gelungen, wuerde ich aus eigener Anschauung sagen.
>

Ohne Melbourne zu kennen, würde ich das schlicht bestreiten. Auch hier gibt es 
die integrierten Türken und sie bilden die Mehrzahl, der Rest sorgt für 
Schlagzeilen.


> > Ja, und weiter? Religionsfreiheit wie in den USA? Nein, ganz sicher
> > nicht. Religionsfreiheit bedeutet auch, das man sich gegen jede Religion
> > entscheiden kann, aber wie?
>
> Australien hat kultur-(und religions-)historisch einen ganz anderen
> Hintergrund als die USA.
>

Was auch in good old Europe nicht so ganz unbekannt ist. :-)

> > Religion ist Opium fürs Volk. Besser wäre Weltanschauung ist
> > Opium fürs Volk.
>
> Es gibt nur eine Wahrheit;-) Religionsfreiheit heisst nicht Entscheidung
> gegen Religion, sondern die Moeglichkeit, religioes gebunden zu sein und
> seine Religion ausueben zu koennen. Das hat auch was mit Toleranz zu tun..
>

Und es heißt auch, sich gegen jede Religion entscheiden zu können, bzw. 
Weltanschauung. Und Religion/Weltanschauung ist immer Opium fürs Volk, weil 
Glaube das Gegenteil von Wissen ist.

> Und da schliesst sich fuer mich der Kreis. Andersartigkeit zu akzeptieren
> ist des Deutschen Staerke nicht.
>

Ein bißchen sehr pauschal, dafür das etwas unter 20 Prozent der in Deutschalnd 
lebenden Personen Nicht-Deutsche sind. 

> Desweiteren kann eine Gesellschaft, die gelassen ist, auch besser mit
> ihren Wurzeln umgehen, die auch religioeser Natur sind. Ganz sicher zeigt
> Dir das jeder Gang durch die Stadt, vorbei an den Kirchen, in die Museen,
> ins Theater.. ohne Kenntnis des Christentums beraubst Du Dich selbst der
> Augen, um das zu sehen und zu verstehen.
>

Was hat Kenntnis mit Religion zu tun. Nichts! Wenn ich irgendwann mal genug 
Zeit habe, werde ich mich durch die Bibel und den Koran ackern. Obwohl ich 
eine kirchliche Schule besucht habe, ist nicht viel hängen geblieben. Ach ja, 
das Kapital habe ich durch und Kritik der reinen Vernunft irgendwann 
angefangen. Aber ich bin weder ein Anhänger des Christentums noch des 
Marxismus oder Kommunismus. Ergo?

>
> Und wie heisst denn heute die Loesung?
>

Nein, falsche Frage, die Frage muß lauten, wie soll die zukünftige Lösung 
aussehen? In Anbetracht der Länderhoheit, sehe ich da eher schwarz. Lösungen 
der bayrischen Dorfschule passen nicht nach Berlin und Berlinner Lösungen 
sind nicht 1:1 nach Hamburg übertragbar.

> Wenn ich ein Problem loesen will, faengt das sicher mit einer
> Problembeschreibung an. Und da gehoert die Ruetli-Schule dazu.
>

Nein, die Rütli-Schule ist ganz sicher nichts, was in die Problembeschreibung 
gehört, es sei denn, man ist der nachvollziehbaren aber unausgegorenen 
Meinung, ein Problem ließe sich durch die Aufzählung seiner Auswirkungen 
beschreiben. Das wäre nicht zielführend.

> > Woher willst Du wissen, das es nicht in Melbourn passiert? Nur weil es
> > nicht berichtete wird?
>
> Es wird ueber Probleme berichtet, ganz gewiss. Nur sind die in Melbourne
> nicht so derartig krass wie in manchen deutschen Grossstaedten..
>

Falsch, ihr habt andere Probleme.


> Nirgendwo sonst in der entwickelten westlichen Welt wird wie in
> Deutschland ein Drittel der Kinder schon fruehzeitig abgeschrieben, in
> einem schulischen Verwahrungssystem. Deutschland ist Spitzenreiter in
> sozialer Segregation des Bildungswesens!
>

Ja, so man PISA und ähnlichen Unsinn glaubt. In Deutschland werden nicht 12% 
Anaplhabeten produziert, und die Selbstmordrate unter den Schülern ist nahezu 
0, Sie finden Ihre Landeshauptstadt wieder und Sie sprechen ein, meist aber 2 
Fremdsprachen.  Wusstes Du, das ein deutscher Abiturient eine Bachechlor des 
Anglo-Amerikanischen Systems locker in die Tasche steckt, das in Südafrika 
die Kinder nach der 4. Klasse in Mathe und Physik weiter sind, ihr 
Sprachverständnis hinterher hinkt (obwohl zweisprachig). Wußtest Du, das in 
Berlin beim Schulsenat, die ausländischen Vertreter, auch der so genannten 
zivilisierten Länder, sich die Klinke in die Hand geben, weil das deutsche 
Schulsystem erfolgreicher ausbildet. Nein, weißt Du wahrscheinlich nicht.

Das sich die sozialen Unterschiede auch in der Schul-Ausbildung 
niederschlagen, ist nicht systembedingt, sondern findet in den Köpfen von 
Lehrer, Eltern und Schülern statt. 

Das ist das Problem. Aber wie gesagt, es reden besonders gerne die über das 
deutsche Schulsystem, die es nicht verstehen.

> Es ist erstaunlich, dass das selbst das zu einem nicht geringen Teil
> private Schulsystems Melbournes (ca. 1/3 der Schueler ab Klasse 7 gehen in
> eine Privatschule) das nicht geschafft hat, auch wenn das staatliche
> Schulsystem in den letzten Jahren erheblich gelitten hat.
>

Tja, auch in Deutschland ist ein erheblicher Teil Privatschulen, man weiß es 
nur nicht, ich war auf so einer.

> > Wo denn? Lösungsansätze anderer Länder und Kulturen sind nur bedingt
> > tauglich, eher untauglich.
>
> Es ist schon merkwuerdig, dass man es ueber Jahrzehnte nicht schafft,
> Probleme mit "Eigenmitteln" zu loesen, aber das andere abgeschaute
> Methoden nicht helfen, weiss man doch ziemlich bestimmt.
>

Ja, wenn man den Background kennt, kann man das durchaus beurteilen, 
jedenfalls besser als die Leute, die ihre eigene Lösung auf der Basis von 
unvollständigen Informationen anbieten. Aber ich mach Dir keinen Vorwurf, man 
muß schon sehr tief in die Materie einsteigen, um zu begreifen, das ein 
Umkrempeln des Systems mehr Probleme verursachen als lösen würde.

Um es freundlich auszudrücken, man hat sich in D den Luxus erlaubt an der 
(Aus)-Bildung zu sparen. Es gab da plötzlich ein zusätzliches Viertel, das 
mit versorgt und aufgebaut werden mußte und immer noch werden muß. Auch 
mental.

Und das, soll erst ein Mal jemand nachmachen, irgendwo auf der Welt.

Gruß
Thorsten
-- 
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