[linux-l] Graphen und Didaktik (war: graphs of media-handling components)

Detlef Lechner Detlef.Lechner at gmx.net
Sa Jan 6 22:27:38 CET 2007


Hallo Volker,

Am Samstag, den 06.01.2007, 15:56 +0100 schrieb Volker Grabsch:

> Nunja, ich habe das auch nicht in einer Vorlesung gehört, sondern all
> das zusammgenfasst, was ich in der Schule und in verschiedenen Mathe-
> und Info-Vorlesungen darüber gehört habe. Eine extra Vorlesung über
> Graphentheorie gibt es nicht, das würde sich auch nicht lohnen.

Ich hatte "einer" als unbestimmten Artikel und nicht als Zahlwort
gemeint. Ich bin wie Du der Meinug, daß Graphen nicht genug Stoff
hergeben für eine ganze Vorlesung im Hauptstudium. Sie könnten einen
(kleinen) Teil einer Algebra-Vorlesung und später einer Vorlesung über
Datenstrukturen bilden.

> Es gibt aber eine Vorlesung "Graphen und Algorithmen", in denen es
> allgemein um Algorithmen, Datenstrukturen, deren Effizienz u.s.w.
> geht. 

Vielleicht an der einen oder anderen Hochschule. Die Kombination ist
nicht zwingend. Es gibt auch Vorlseungen 'Algorithmen und
Datenstrukturen' (nach berühmtem Vorbild). Diese beiden Konzepte sind m.
E. enger miteinander verflochten.

[...]

> Nicht einmal die Vorlesung über Compilerbau geht auch nur annähernd
> in diese Richtung.

Muß sie ja auch nicht, nicht wahr?

> > > (Weil unser Gehirn zwischen räumlichen und zeitlichen Dimensionen
> > > unterscheidet, bedingt durch diese komische 3:1-Aufteilung in unserem
> > > konkreten Universum. 3:1, das ist auch der tiefere Sinn dahinter, warum
> > > unsere räumliche Vorstellungskraft besser geschult ist, und warum wir
> > > zeitliche Ablkäufe uns immer irgendwie räumlich vorstellen, durch einen
> > > Zeitstrahl, Kalender, u.Ä., obwohl ich es viel cooler fände, wenn wir
> > > 4-dimensionale Geometrie im Kopf beherrschen würden. ;-))
> > 
> > Meinst Du mit "3:1-Aufteilung" 3 räumliche und 1 zeitliche Dimension in
> > der menschlichen Vorstellung?
> 
> Jain, ich meine die 3 räumlichen und die 1 zeitliche Dimension in der
> von uns wahrgenommenen Umwelt. 

Huch. Ich fürchte, Du hast Ursache und Wirkung verwechselt. Wo findest
Du denn in der Umwelt drei räumliche Dimensionen? Eine räumliche
Dimension ist doch eine Abstraktion unserer Wahrnehmung und existiert
nur in unserer Vorstellung.

> Dass unsere Vorstellung mehr oder
> weniger gut darauf geeicht ist, ist eher eine Folge-Erscheinung.

Zeig mir, wo in der natur drei räumliche Dimensikonen unabhängig von
unserer Vorstellung existieren!

> (Genauso, wie wir an Schwerkraft etc. gewöhnt sind ... merkt man
> besonders, wenn man 3D-Space-Shooter spielt, dass man sehr daran
> gewöhnt ist, sich jederzeit an ein gewisses "oben" und "unten" zu
> orientieren zu können, das man bei diesen Spielen plötzlich nicht
> mehr hat)

Nicht "genauso", sondern anders. Dein Beispiel kann die Existenz einer
Dimension veranschaulichen. Daß es zwei weitere (und nur genau nur zwei
weitere gibt), hat Du damit nicht bewiesen.
 
> > > Die Konzepte von Bäumen und Graphen sind also sehr allgemein und ihre
> > > Verwendung ist stark von der Art und Weise geprägt, wie unser Geist
> > > arbeitet, und wie wir Komplexität beherrschen können.
> > 
> > Daher rührt wohl auch die große Menge von unterschiedlichen Definitionen
> > von 'Graph' im Internet.
> 
> Nein, diese unterschiedlichen Definitionen rühren daher, dass man
> je nach Anwendungsfall verschiedene Varianten von Graphen haben will.

Deine Sicht der (Graphen-)Dinge ist legitim und sicher auch die
praktischere. 

> Manchmal will man Schlaufen zulassen (d.h. eine Kante darf von einem
> Knoten zu sich selbst führen). Manchmal ist es sinnvoller, dies von
> vornherein auszuschließen. Manchmal sollten die Kanten eine Richtung
> haben, manchmal lieber nicht. Manchmal will man den Knoten oder Kanten
> Gewichte (also Zahlen) zuordnen, man spricht auch davon, den Graph zu
> "färben" (ist ja egal, ob man die Zahl als Gewicht oder als Farbe
> interpretiert). Manchmal will man das nicht. Manchmal ist es sinnvoll,
> das "Gewicht 0" als "keine Kante" zu interpretieren, manchmal nicht.
> Und so weiter.
> 
> Man kann diese Defintionen natürlich vereinheitlichen zum allgemeinsten
> Fall (gewichteter Graph, in dem Schlaufen und Mehrfachkanten zulässig
> sind), und alles andere als Spezialfälle davon definieren. Aber das ist
> normalerweise viel umständlicher, als sich gleich auf das zu
> beschränken, was man braucht. Zumal in der Anwendung meist völlig klar
> ist, welche Art von Graph gemeint ist.

ACK.

> 1) Das heißt, es gibt unterschiedliche *abstrakte* Definitionen.
> 
> Jenachdem ist es dann sinnvoller, die Kanten als 2-Mengen (ungeordnet)
> oder als Paare (geordnet) zu modellieren. Oder als Funktion. Man weist
> z.B. jedem Knotenpaar eine Zahl zu ... "0" steht dann für "keine Kante".
> Selbst die Knoten müssen keine Menge sein. Manchmal realisiert man sie
> auch als Liste oder Array. Oder man nummeriert sie einfach durch, d.h.
> die Kantenmenge ist keine beliebige Menge, sondern eine der Form
> {1,2,3,...,n}. In diesem Fall kann man die Knoten als Adjazenzliste
> oder als Adjazenzmatrix realisieren.
> 
> 2) Das heißt, es gibt zu jeder abstrakten Definition unterschiedliche
>    *Realisierungen* in Form von Datenstrukturen.
> 
> Außerdem kann man Graphen auch anschaulich erklären, z.B. als Bäume
> mit Querverbindungen, oder als Personen und Freundschaftsbeziehungen,
> oder oder oder. Solche Dinge müssen manchmal ebenfalls als Definition
> herhalten, obwohl es streng genommen keine sind. Sie sind für den
> Formalismus völlig unwichtig, haben aber großen didaktischen Wert. Aber
> das ist normalerweise von viel größerer Bedeutung als der Formalismus.
> Ein guter Mathematiker/Informatiker kann eine verstandene Idee auch
> selbst in einen Formalismus bringen. Aber die versteckte Idee aus
> einem reinen Formalimus zu erkennen, das ist verdammt hart.
> 
> 3) Das heißt, es gibt zu jeder abstrakten Definition auch noch
>    unterschiedliche Veranschaulichungen.
> 
> Diese 3 Faktoren sorgen dafür, dass man im Netz so eine große Flut
> von vermeintlich verschiedenen Definitionen findet.

ACK

> Vielleicht noch was zur Didaktik:
>
> Diesen Fehler erlebe ich übrigens recht häufig in der Mathematik und
> Informatik, dass man sich zu viel Mühe mit einer formalen Definition
> gibt, statt erstmal an Beispielen klar zu machen, worum es eigentlich
> geht. 

Mit dem "eigentlich" ist das so eine Sache. Der Kommilitione sieht die
fertige Abstraktion des Konzepts als den Kern des Konzepts an. Ein guter
Lehrer weiß, daß die schwer zu verstehen ist und konzentriert sich auf
die Erarbeitung des Verständnisses des Studenten.

> Während die Profs und Übungsgruppenleiter da nicht so schlimm
> sind, tendieren Studenten sehr dazu, wenn sie diese Dinge anderen
> erklären sollen. Sie erklären es dann formal korrekt (manchmal nichtmal
> das ;-)), statt es didaktisch gut zu erklären. In früheren Semestern
> war ich manchmal aber genauso, muss ich zugeben.

Autoren von schlechten Büchern sind besonders übel: Sie schreiben eine
Formel ab und denken: "Damit ist eigentlich schon alles gesagt."

> Man kann z.B. erklären, was ein Körper ist, indem man von einer Menge
> mit zwei Gruppenstrukturen redet, die durch ein Distributivgesetz
> miteinander gekoppelt sind. Und das dann nochmal in Formeln
> hinschreiben. Man kann aber auch einfach sagen, ein Körper ist ein
> Gebilde, in dem die 4 Grundrechenarten funktionieren. :-)
> 
> (Danach kommen Beispiele wie Q, R, C und Gegenbeispiele wie Z, N,
> und *dann* erst kann man überlegen, das Zeug formal hinzuschreiben.)

ACK

Gruß
Detlef

-- 
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