[linux-l] Graphen und Didaktik (war: graphs of media-handling components)

Volker Grabsch vog at notjusthosting.com
Di Jan 9 09:27:44 CET 2007


On Sun, Jan 07, 2007 at 06:55:06AM +0100, Detlef Lechner wrote:
> Am Sonntag, den 07.01.2007, 01:20 +0100 schrieb Volker Grabsch:
> > > 
> > > Huch. Ich fürchte, Du hast Ursache und Wirkung verwechselt. Wo findest
> > > Du denn in der Umwelt drei räumliche Dimensionen? Eine räumliche
> > > Dimension ist doch eine Abstraktion unserer Wahrnehmung und existiert
> > > nur in unserer Vorstellung.
> > 
> > Dann sind wir da unterschiedlicher Ansicht, denn ich finde, dass so
> > ziemlich alles in der Natur 3 räumline und eine zeitliche Ausdehnung
> > haben.
> 
> "finden" hat mehrere Bedeutungen. Ich meinte damit, einen
> (unumstößlichen) Beweis, daß das in der Natur so ist und nicht erst vom
> Menschen so interpretiert wird.

Okay, ich habe mich blöd ausgedrückt: Ich meinte natürlich *mindestens*
3 räumlichen und *mindestens* einer zeitlichen Ausdehnung.

Aber diese 3+1 sind auf jeden Fall schonmal da, und jedem sofort intuitiv
zugänglich, und an diese sind wir auch gewohnt, unser Alltagsdenken ist
stark davon bestimmt.

Es ging um das menschliche Denken, und wie man es in abstrakten Modellen
berücksichtigen muss. Ich hatte nicht vor, eine Diskussion über Physik
und Geometrie anzuzetteln.

Übrigens: Genau genommen denken wir meist nur in 2 von diesen 3 räumlichen
Dimensionen, weil's bequemer ist. Den meisten fällt 3-dimensionales
Denken sogar schwer, sobald es etwas anspruchsvoller wird.
(und da will ich mich selbst gar nicht ausschließen)

> > Vielleicht gibt es noch mehr, keine Ahnung, das ist gerade bei einem
> > gekrümmten Raum auch Ansichtssache: Rede ich von der Dimension der
> > Mannigfalitigkeit, oder von der Dimension des R^n, in den sie
> > eingebettet ist? Was mache ich, wenn sie so gekrümmt ist, dass ihre
> > Form, aber nicht ihre Metrik sich als Teil des (euklisichen) R^n
> > interpretieren lässt?
> 
> Das Beispiel, das Du eben gebracht hast, zeigt ganz klar, daß der uns
> umgebenden Raum nicht 3 und nur 3 (d. h. genau 3) Dimensionen haben muß.

Nein, dann hast du es leider nicht verstanden. Ist auch nicht weiter
tragisch, Geometrie auf Mannigfaltigkeiten mit beliebigen Metriken
(gemeinhin auch "gekrümmter Raum" genannt) ist äußerst gewöhnungs-
bedürftig.

Ich wollte nur darauf hinaus, dass man jederzeit weitere Dimensionen
hinzudichten kann, die keinen Einfluss auf das Geschehen haben. Es ist
sogar noch schlimmer. Es kann sogar sein, dass man einen 3-dim.
"gekrümmten Raum" gar nicht richtig einbetten kann, egal wieviele
zusätzliche Dimensionen man definiert.
(Historisches Beispiel: Hyperbolische Geometrie)

Diese "Spitzfindigkeit" lässt sich einfach dadurch aushebeln, dass
man sich nur auf die sog. innere Geometrie konzentriert, und akzeptiert,
dass Einbettungsversuche in einen höherdimensionalen euklidischen Raum
nur unserer Anschauung dienen. Mathematisch notwendig sind sie nicht,
und in diesen Modellen herrscht auch eine gewisse Willkür. (Daher sucht
man dan den *einfachsten* Einbettungen, sofern es überhaupt welche gibt.)

> > Diese Spitzfindigkeiten außer acht gelassen, 
> 
> Du kannst das "Spitzfindigkeiten" nennen. Aber z. B. wird das Licht
> gemäß dieser Vorstellung abgelenkt, wenn es von Sternen an der Sonne
> vorbei zu uns gelangt. Das ist eine Tatsache und keine Spitzfindigkeit.

Nein, das ist etwas anderes. Das bedeutet erstmal nur, dass der Raum
gekrümmt ist.

Das *könnte* als Ursache haben, dass unserer 3-dim. Raum eine krumme
Hyperfläche in einem höherdimensionalen Raum ist. Das ist naheliegend,
muss aber nicht sein. Es ist reine menschliche Bequemlichkeit, zu sagen,
der Raum an sich sei "eigentlich" gerade, und wir leben auf einer
gekrümmten Hyperfläche darin.

Diese Sichtweise ist praktisch und "gehirngerecht", kann aber auch
schiefgehen!
(z.B. bei negativer Raumkrümmung wie es in der hyperbolischen
Geometrie der Fall ist)

> > Mein Beispiel sollte gar nicht die Existenz einer Dimension belegen,
> > sondern die Existenz einer von unserem Geist künstlich geschaffenen
> > Orientierung. D.h., dass wir eine Art "Kompass" in uns tragen, der
> > aber nicht nach Norden, sondern nach "unten" zeigt. (oder nach oben,
> > das ist ja willkürlich)
[...]
> Du nennst es "Kompass". Die meisten nennen es 'Dimension'.

Um die physikalische Interpretation ging es in dem Beispiel gar nicht,
sondern nur um Orientierung. Darum, dass wir uns sehr an die
Bequemlichkeit gewöhnt haben, dass eine Raumrichtung ausgezeichnet ist.

Aber diese Vorstellung gilt nicht allgemein, sondern nur auf einem
schweren Klumpen wie unserer Erde. Es ist eine Täuschung, weil es in
alltäglichen Größenordnungen tatsächlich so aussieht, als wäre es
immer die selbe Richtung. In Wirklichkeit zeigt diese "Nadel" aber
nicht in eine universelle Richtung "unten", sondern in Richtung
Erdmittelpunkt.

Die Analogie zum Kompass passt ziemlich gut, der ja auch seine
Richtung ändert, wenn man sich weiträumig um den Nordpol herum bewegt.
Dass die Nadel also immer in die selbe Richtung zeigt, gilt ebenfalls
nur in kleineren Größenordnungen.

Es ging mir um eine weitere menschliche Gewohnheit, die nichts mehr
mit dem vorherigen Dimensions-Beispiel zu tun haben sollte. Es ging mir
nicht um Physik, sondern um Vereinfachungen, die wir treffen, und an
die sich unser Geist angepasst ist, weil wir es nicht anders kennen.


Abstrakte Tätigkeiten wie Mathematik und Informatik zwingen uns, diese
Grenzen ein Stück weit abzubauen. Spiele, Simulationen, sogar Filme
können ähnliches erreichen, wenn sie gut gemacht sind. Dennoch müssen
wir uns unserer Grenzen bewusst sein und darauf Rücksicht nehmen, wenn
wir abstrakte Systeme entwerfen. Die sollen schließlich noch von anderen
Menschen verstanden werden.


Wir haben aber nicht nur Schwächen (z.B. Beschränkung auf 2-3 dim.
Vorstellungsvermögen), sondern auch Stärken. Unsere visuelle Wahrnehmung
und Verarbeitung ist phänomenal. Bis heute schauen die Computer da in
die Röhre.

Deshalb sind Skizzen und Diagramme oft sinnvoll. Sie werden viel zu
wenig eingesetzt, was meiner Meinung nach daran liegt, dass sie auch
aufwändig zu produzieren sind. Wir sind relativ gute Betrachter, aber
nur selten auch gute Zeichner :-)

Auch die Tatsache, dass wir viele verschiedene Sinne haben, ist ein
großer Vorteil. Zumal unser Geist damit super klar kommt, in gewisser
Weise darauf ausgerichtet ist, trotz der starken Betonung auf Visualität.

Deshalb ist es wichtig, eine Vielfalt von Medien einzusetzen: Fließtext,
Zeichnungen, Beispielcode. Vielleicht sogar Sprache, Musik, oder gleich
Videos. Nichts anderes steckt hinter dem Konzept "Multimedia". Das kann
natürlich auch ins Chaos abdriften. Multimedia zu arrangieren ist nicht
leicht. Auch ist nicht klar, was Vorrang haben sollte: Text, der mit
Skizzen und kleinen Videosequenzen angereichert ist? Oder ein großes
Video, das unter anderem Textsequenzen (für Beispielcode etc.) enthält?

Auch gut: Etwas nicht als Video, sondern life vorführen. Das hat
didaktisch den riesen Vorteil der Interaktivität, denn auch darauf
sind wir getrimmt: Dinge "anfassen", damit herumwerkeln, Sachen
ausprobieren. Sehr cool finde ich z.B. "live coding". Da muss man jedoch
Aufwand/Nutzen abwägen. Der große Nachteil an Live-Veranstaltungen ist,
dass sie nur einer begrenzen Anzahl von Leuten etwas bringen, während
z.B. ein Text potentiell der ganzen Menschheit zur Verfügung steht.

(jaja, Bandbreite, Sprache und vorausgesetztes Wissen sind natürlich
Faktoren, die dafür sorgen, dass es doch nicht die ganze Menschheit ist.)


> > Hier besteht aber die Gefahr, dass wir ganz übel aneinander vorbei
> > reden. Auf jeden Fall ist mir in keiner Weise klar, was du meinst.
> 
> Hm, ich weiß nicht, ob das ein zweiseitiges Aneinander-Vorbeireden war.
> Ich habe das Gefühl, daß ich verstanden habe, was Du meinst. Aber Du
> bist beim Erkenntnisstand von Descartes stehen geblieben.

Vielen Dank, dieses Kompliment kann ich nur zurückgeben. Ich attestiere
dir, dass du beim geometrischen Erkenntnisstand von Euklid stehen geblieben
bist. Aber bringen uns solche Beleidigungen wirklich weiter? Immerhin
lernen wir Menschen ständig Neues. Der Vorwurf, irgendwo stehen geblieben
zu sein, kann also gar nicht ziehen.


> --  Ich möchte
> diese Diskussion aber bitte nicht in dieser Form fortsetzen. Es kostet
> mich zu viel Zeit.  Rationeller wäre mündlich: in der Lehrter Str. an
> einem Mittwoch oder telefonisch.

Wenn ich an einem Mittwoch vorbei komme, können wir gerne mal über Geometrie
und Physik diskutieren. Hier in der Mailingliste habe ich erstmal
versucht, den Bogen zurück zum Thema zu spannen: Abstraktes Denken,
Didaktik, und was das mit der Informatik und komplexen Systemen zu tun
hat.


Viele Grüße,

    Volker

-- 
Volker Grabsch
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