[linux-l] GPLv3 erschienen

olafBuddenhagen at gmx.net olafBuddenhagen at gmx.net
Do Jul 12 01:05:56 CEST 2007


Hallo,

On Fri, Jul 06, 2007 at 12:02:31PM +0200, Jörg Schmidt wrote:

> Ich zumindest habe meine Schlußfolgerung gezogen und werde niemals
> mehr etwas unter "<Version x> and later" lizensieren(*), sondern immer
> nur unter genauer Versionsnummer.

Warum? Das bringt Dir selbst rein garnix, schafft dafür aber potentiell
enorme praktische Probleme bei der Weiterentwicklung des Codes...

> Eigentlich sehe ich im Nachhinein, das die Tatsache das die GPL diese
> Art der 'Zukunftslizensierung' erlaubt einen Verstoß gegen den Geist
> der GPL, das Copyleft, denn IMHO niemand kann sagen ob eine Lizenz in
> neuerer Version immer die Mindestrechte umfasst die die alte Version
> hatte, ganz einfach weil niemand für andere entscheiden kann was
> bessere Rechte sind.

Der Handlungsspielraum ist hier ziemlich eng, da der entsprechende
Passus in der GPL ganz deutlich besagt, dass neue Versionen der GPL "im
gleichen Geiste" sein werden. Natürlich ist das zum Teil
Auslegungssache, was "im gleichen Geiste" ist und was nicht; aber
Niemand, der die GPLv2 aufmerksam gelesen hat (insbesondere die
Einleitung), kann behaupten, von den neuen Bedingungen in der v3
überrascht worden zu sein.

Es geht ja nicht darum, dass Dein Code plötzlich ungewollte einer völlig
neuen Lizenz untersteht; es geht nur um geringfügige Anpassungen an neue
rechtliche und technische Erfordernisse, ohne die Grundprinzipien
anzutasten. Die meisten kennen die Bedingungen im Einzelnen eh nicht so
genau, um wirklich einen Unterschied ausmachen zu können.

> Es kann doch garnicht bestritten werden das ein Teil der bisher unter
> "v2 or later" lizensiert hat sich nun mit der Tatsache konfrontiert
> sieht das sein Code unter v3 verwendet wird (werden kann) obwohl diese
> Rechte und oder Rechtseinschränkungen enthält die er niemals wollte.

Mal im Ernst, sollte jemand wirklich ein Problem damit haben, dass sein
Code vielleicht in einem Programm verwendet wird, das TiVo nicht
missbrauchen darf?...

Statt rein abstrakt zu jammern, dass Dein Code auf einmal unter einer
anderen Lizenz verwendet werden kann, solltest Du lieber mal schauen,
was sich tatsaechlich geaendert hat an den Rechten und
Rechteeinschraenkungen.

Was wurde in der neuen Version gelockert? Nun, da waere zum einen der
neue Passus ueber Kompatibilitaet mit anderen Lizenzen: Es ist unter
gewissen Bedingungen jetzt moeglich, Code einzubauen, der unter Lizenzen
mit geringfuegig anderen Bedingungen als die GPL steht. Allerdings sind
die Grenzen hier so eng gefasst, dass das Copyleft dadurch kein Stueck
geschwaecht wird. Einziger Nachteil dieser Aenderung ist, dass bei einem
Projekt, was GPL-Code enthaelt, die Lizenz fuer das Gesamtprojekt nicht
mehr unbedingt ausschlieszlich GPL ist, sondern einige Teile
geringfuegig andere Bedingungen mitbringen koennen. Da die
Moeglichkeiten hier aber wie gesagt extrem eingeschraenkt sind -- eher
nebensächliches wie Garantie-Disclaimer und sowas betreffen -- spielt
das fuer den normalen Anwender oder Hacker in der Regel praktisch keine
Rolle; duerfte nur Juristen wirklich interessieren.

Eine weitere Lockerung betrifft die Terminierungs-Klausel: Bisher war es
so, dass ein GPL-Verletzer komplett das Recht verliert, die Software zu
verbreiten; und auch wenn er die GPL-Verletzung eingestellt hat, erst
von den Copyright-Inhabern eine neue Erlaubnis einholen muss, um die
Sotware legal verbreiten zu duerfen. Diese Klausel ist eine wichtige
Waffe gegen GPL-Verletzer, aber fueht bei versehentlichen Verletzungen
zu unnoetigen Haerten und praktischen Problemen. Deshalb gibt es in der
neuen Version eine Abstufung: Je nach dem, ob die Copyright-Inhaber in
Erscheinung treten, und wie kooperativ sich der GPL-Verletzer zeigt,
kann nun unter Umsteanden eine automatische "Heilung" stattfinden. Das
vermeidet die bisherigen Probleme, ohne im Zweifelsfall die
Durchsetzbarkeit der Lizenz zu beeintraechtigen.

Andere Lockerungen fallen mir nicht ein.

Wie sieht's aus mit neuen Einschraenkungen? Da waren zum einen die
geanderten Patentklauseln im Gespraech. Allerdings hatte v2 ja auch
schon eine Patentklausel; im Grunde wurde die nur etwas verfeinert. In
der endgueltigen Fassung der GPLv3 kann man hier (im Gegensatz zu den
fruehen Entwuerfen) kaum von zusaetzlichen Einschraenkungen reden.

Dann gibt's die AGPL-Option: GPL-Code darf verbunden mit AGPL-Code unter
der AGPL vertrieben werden. (Im Gegensatz zur GPL-Option bei der LGPL
findet hier aber keine Umlizenzierung statt -- der GPL-Code bleibt GPL,
und wenn die AGPL-Teile entfernt werden, gilt wieder nur die normale
GPL.) Die AGPL ist in dahin restriktiver, dass das zugaenglich machen
von AGPL-Software auch als Verbreitung gilt, und den Bedingungen der
(A)GPL (Weitergabe des Codes etc.) genuegen muss -- waehrend das bei der
GPL unter reine Nutzung faellt, und somit an keine Bedingungen gebunden
ist.

Es wurde auch mal ueberlegt, eine ensprechende Aenderung direkt in die
neue GPL aufzunehmen, da im Prinzip jemand jede beliebige GPL-basierte
Software nur ueber ein Netzwerk zugaenlich machen koennte, um so die GPL
zu umgehen. Wurde aber fuer unnoetig befunden, da eine solche Nutzung,
auf absehbare Zeit zumindest, bei einem Groszteil der Software praktisch
keine Rolle spielt. Nur bei nativen Webanwendungen ist diese
Einschrankung noetig -- die koennen dann AGPL benutzen, und bleiben dank
der neuen Klausel dabei GPL-kompatibel.

Schlieszlich bleiben noch die am beruehmt-beruechtigten
DRM-/TC-Klauseln. Es wird verhindert, dass jemand mit DMCA/EUIPD das
studieren und aendern von GPL-Software verbieten kann; es wird
verhindert, dass jemand durch DRM oder andere technische Masznahmen das
Studieren und Aendern von GPL-Software unmoeglich macht; und es wird
verhindert, dass jemand durch technische Masznahmen das Ausfuehren von
modifizierter GPL-Software auf einem Gerät unmoeglich macht. Kurz: Es
wird verhindert, dass jemand durch technische oder rechtliche Masznahmen
die Bedingungen der GPL umgeht. Viele (nicht nur innerhalb der FSF)
meinen, dass sowas bereits mit v2 nicht rechtens ist, da die Lizenz so
ausgehebelt würde. Die neuen Klauseln schreiben das nur explizit fest;
es sind keine wirklich neuen Einschraenkungen.

Alles in allem haben wir also Lockerungen, die praktische Probleme
vermeiden, ohne den Schutz wirklich zu schwaechen; und Einschraenkungen,
die in ganz bestimmten Situationen greifen, um das umgehen der bereits
bekannten Bedingungen zu verhindern. Nirgends grundlegende Aenderungen,
die wirklich Anlass geben könnten, dass sich jemand über die neuen
Lizenzbedingungen seines Codes aergern muss...

Es ist ja auch nicht so, dass die FSF nach ihrem Gutduenken neue
Bedingungen erdacht hat. Der Entstehungsprozess fuer die neue GPL hat
eine breite Oeffentlichkeit einbezogen. Jeder war aufgerufen, sich zu
aeuszern, wenn ihn etwas an den Entwuerfen stoert -- viele haben
Bedenken ueber die urspruenglich zu breiten und unklaren neuen
Regelungen geauszert, und dementsprechend wurden sie mehrmals total
ueberarbeitet, um die Bedenken zu beruecksichtigen. Keiner kann sich
hinterher beschweren, wenn die Lizenz nicht seinen Vorstellungen
entspricht.

Ich finde es ziemlich bezeichnend, dass diejenigen, die am lautesten
gegen die Aenderungen gewettert haben -- naemlich Linus und einige
andere Linux-Entwickler -- ausgerechnet diejenigen sind, die es am
wenigsten betrifft, da sie von Vornherein auf die "or later"-Klausel
verzichten hatten...

-Olaf-



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