[linux-l] Freie Software per Gesetz?

Jörg Schmidt joesch04 at web.de
Sa Jul 21 16:12:02 CEST 2007


Hallo,

olafBuddenhagen at gmx.net schrieb:
> Nein wieso? Freie Software kann genauso gut im Fremdauftrag entwickelt
> werden.

Nun ja, ich sagte ich wollte mich kurz halten und hoffte es wäre zu
erahnen was ich mit dieser kurzen Darstellung meinte.

Natürlich kannst Du der Formalie genügen und unter GPL (z.B.)
veröffentlichen und dann der Meinung sein es sei bereits alles OK. Genau
das ist es aber IMHO nicht wenn wir über freie Software reden, denn die
bedingt eine bestimmte Vorgehensweise, ein Umfeld was nicht durch
formale Lizenzerfüllung gewährleistet ist. Nur formal auf die Lizenz zu
schauen macht Deine Art freier Software zu einer Art 'OSS mit
verschärften Lizenzen', nichts weiter.
Oh ja, es gibt IMHO einen sehr großen Unterschied zwischen einer
Community bei der alle gleichermaßen 'Geber' und 'Nehmer' sind (=freie
Software) und einer Community wo nur manche noch 'Geber' sind und alle
anderen 'Nehmer' (=Wohltätigkeit einiger für viele andere). Letzteres
berührt dann auch wieder die Frage der Freiheit, denn es zeichnet, für
Einige der Beteiligten, das Bild des Vogels im goldenen Käfig, wo sich
u.U. zwar prima eine Art von Gerechtigkeit oktruieren lässt, aber
Freiheit durch Abhängigkeit ersetzt wird, selbst wenn diese Abhängigkeit
als Wohltätigkeit in Erscheinung tritt.

Freie Software (genau das schrieb ich aber bereits) ist klassisch
dadurch gekennzeichnet das ein Anwender (der gleichzeitig programmieren
kann) ein Problem hat was er lösen möchte, ob das sonst jemanden
interessiert war/ist egal. Etliche Vertreter freier Software halten es
heute noch für definitiv egal ob ihre Software marktgängig ist, denn sie
wollen kein Produkt für die Allgemeinheit machen, sondern ein Produkt
für sich und für diejenigen die es erstens auch mögen und zweitens nicht
nur Nutzer sondern auch Weiterentwickler sein wollen.

Nun ist Obriges nur ein Aspekt und er mag Dir auch theoretisch
erscheinen (wieso eigentlich, es ist IMHO ein Grundprinzip freier
Software - "Grundprinzip freier Software", nicht Grundprinzip von FOSS
allgemein) so das ich mal noch ein anderes Beispiel schildere:

Ein Argument für freie Software ist das das sie besonders sicher sei,
weil der Code unter permanenter Prüfung der Community steht und Fehler
schnell entdeckt werden. Nun zu behaupten das könne als "Fremdauftrag"
genausogut erfolgen, führt dieses Qualitätsargument von Freier Software
ad Absurdum. Denn "Fremdauftrag" heißt ja nun mal Selbiges und ist
hinsichtlich Qualitätssicherung nicht besser oder schlechter wie bei
Fremdauftrag für properitäre Software.
Moment - klar kann die im Fremdauftrag erstellte freie Software auch von
der 'Community' geprüft werden, aber ebend nur wenn die
'Zusammensetzung' der Community noch stimmt. Das was stimmen muß ist das
Verhältnis von Leuten die Anwender und Programmier sind (klassische
Zielgruppe für freie Software), von Leuten die nur Anwender sind und von
Leuten die (bezüglich der konkreten Software) nur Programmierer sind.(*)
Bei klassischer freier Software stimmt dieses Verhältnis immer, da davon
ausgegangen wird es gibt garkeine Nutzer die nur Nutzer sind, sondern
Nutzer sind immer potentielle Weiterentwickler, sind dazu also dazu
befähigt.
Wenn nun aber freie Software 'zu' erfolgreich wird gibt es potentiell
immer mehr Anwender und immer weniger von diesen Anwendern sind auch
gleichzeitig fachkundige Programmierer, das kann dann bei "Fremdauftrag"
dazu führen das es nur noch beauftragte Programmierer gibt und niemand
sonst noch an der Software selbst arbeitet (über das Wissen verfügt das
zu können) obwohl die Lizenz das einwandfrei zuließe.
Und in diesem Moment gibt es praktisch einen Haufen an Anwendern die als
ein Argument warum sie diese Software nutzen sagen das sie das tun weil
der Code laufend von der Allgemeinheit geprüft würde und deshalb
besonders fehlerfrei sei, nur findet diese Prüfung praktisch garnicht
mehr statt, sondern es gibt nur noch die Prüfung der beauftragten
Programmierer bei der man untzerstellen darf sie ist genauso gut oder
schlecht wie bei properitärer Software.
Diese Effekte treten aber nicht erst dann ein wenn es im Wortsinn
Niemanden mehr gibt der die Software (unabhängig von den Beauftragten)
prüft, sondern schon viel früher, nämlich dann wenn der Anteil der
Programmierer innerhalb der Gruppe der Anwender ein bestimmtes Maß
unterschreiet.

Tja und zu diesem und anderen Problemen muß freie Software zukünftig
Lösungen finden. Nur die Entwicklung einfach laufen zu lassen wird
schlicht und einfach dazu führen das freie Software nur noch behauptet
sie sei freie Software, im Wirklichkeit ist sie aber zu OSS geworden.
Mich persönlich (da ich OSS bevorzuge) würde das überhaupt nicht stören,
nur ich glaube es wird die engagierten Vertreter freier Software stören,
die ja gerade darauf Wert legen das freie Software mehr als 'nur' OSS
ist.



Gruß
Jörg


(*)
Man erkennt hier schon das die dritte Gruppe ('Nur-Programmierer')
eigentlich nur eine Antwort auf den Erfolg freier Software (steigender
Anteil von 'Nur-Nutzern') ist, denn beide Gruppen entsprechen eigentlich
nicht der klassischen Zielgruppe für freie Software, denn diese ist der
Anwender und Programmierer in Personalunion.




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