[linux-l] Demokratie und Fertiggerichte/OT

Norm@nSteinbach norm at nsteinbach.de
Mo Mai 21 20:34:01 CEST 2007


Hi Peter,

Peter Ross wrote:
>> Nur kurz:
>> Das Internet ist durch seine Machart das erste Medium, durch welches 
>> deutlich wird, dass "Information" im Grunde auch nur eine 
>> "Kommunikation" ist,
> Nein. [Mal abgesehn von kommunikationswissenschaftlichen Definitionen, 
> ich bleibe mal bei der Begriffswelt, wie Du sie verwendest.]
Wie kommst Du darauf, dass ein Informationsprozess sich im 
omnidirektionalen Informations- und Kommunikationsmedium von einem 
Kommunikationsprozess signifikant unterscheidet? Durch die 
Omnidirektionalität wird dieser Unterschied IMHO aufgehoben.

> Schon lange ist es in demokratisch verfassten Gesellschaften 
> moeglich, Nachrichten unter die Leute zu bringen, ohne eine allzu grosse 
> Anstrengung: per Papier oder gar das gesprochene Wort. Es skaliert nicht 
> so gut "global", das ist richtig, aber haeufig ist das auch gar nocht so 
> wichtig. Demokratie findet zunaechst lokal statt.
Das ist zwar so erstmal nicht verkehrt, aber diese klassischen Wege der 
Informationsverbreitung waren bisher immer mit so viel Aufwand 
verbunden, dass es nur in den seltensten Fällen zu einer ausreichenden 
Kumulation des Interesses seitens der "Massenbevölkerung" (und daraus 
resultierend auch der Massenmedien) gelangt ist. Das wird durch das 
Internet erleichtert.


> BTW: Dein "Strassenfeger" ist ein gutes Beispiel fuer Massenverbreitung 
> abseits monopolistischer Strukturen, und abseits des Internet. "The Big 
> Issue", eine hiesige Strassenzeitung, verbreitet ebenfalls Fakten und 
> Meinungen, die so kaum in den "etablierten" Medien zu finden sind.
Sicherlich, und in der Redaktion wird auch ganz offen erzählt, dass von 
jeder Ausgabe ein Exemplar in den Bundestag gelangt (Kontrollmaßnahme?), 
aber: Bei einer Auflage von z.Zt. etwa 25.000 Stück und auch durch den 
unüblichen Vertriebsweg, welcher einen gewissen Prozentsatz beim "Leser" 
ankommender Zeitungen, die jedoch nie gelesen werden sondern gleich im 
Müll landen garantiert, kann man froh sein wenn 10.000 Leute die 
Informationen darin überhaupt lesen, was in einer Stadt von 3 oder 4 
Millionen (weiß grade nicht, wieviele EW Berlin hat, mehr aber 
keinesfalls, wahrscheinlich eher weniger) Leuten nicht gerade viel ist: 
Nur ein Tropfen auf den Heißen Stein - ebenso wie jede möglicherweise 
durchführbare Flugblattaktion, oder auch Demonstrationen für/gegen was 
auch immer, welche in den Massenmedien keine Erwähnung finden. Ich halte 
das für einen wirksamen Kontrollmechanismus, bzw. Teil dessen, der 
garantiert, dass der ganze Schwindel nicht schon längst aufgeflogen ist.

> Dass jeder quasseln kann, heisst noch lange nicht, dass "hierarchische" 
> Medien ihre Bedeutung verlieren.
Das nicht, aber es heißt sehrwohl, dass sie ihre Bedeutung noch viel 
deutlicher zu Unrecht haben, als bisher schon - siehe 
Missbrauchsmöglichkeiten und auch das, was Henry Dibbel in diesem Thread 
zu dem Thema geschrieben hat.

> Ich finde es, wie gesagt, gut, dass es fuer mich die Moeglichkeit gibt, 
> abseits der "hierarchischen Medien" zu kommunizieren, aber ueber den 
> Einfluss auf die demokratische Verfasstheit meiner Gesellschaft mache ich 
> mir keine Illusionen.
Was genau meinst Du mit "demokratischer Verfasstheit"? Ist damit 
gemeint, dass in der "Verfassung" (welche wir als solches ja gar nicht 
mal wirklich haben, außer dem GG was ja mehr und mehr aufgeweicht werden 
soll) der Begriff Demokratie auftaucht, oder meinst Du damit real 
existierende Demokratie? Weil, wie man sehr schön an so ziemlich jedem 
sich "demokratisch" nennenden politischen System auf diesem Planeten 
erkennen kann, reicht es für demokratische Verhältnisse eben *nicht* 
aus, einfach ein Schildchen mit dem Wort "Demokratie" draufzukleben - 
selbst die Illusionen der Wahlen werden ja mehr und mehr aufgedeckt.
Weil, wenn Du keine echte Demokratie meinst (Die hier wie gesagt 
nirgends existiert), dann wäre es evtl. angebrachter, von "Massenbetrug 
unter der Worthülse der Demokratie" oder etwas sinngemäßem zu sprechen, 
nur um das Verständnis zu erhöhen.
Es geht auch nicht so sehr um das "abseits der hierarchischen Medien", 
sondern vor allem um die potentielle Omnidirektionalität im 
Informationsfluss. Und DAS hat *eindeutig* das Potential, demokratische 
Verhältnisse zu stärken (erst recht wenn diese plakativ ausgerufen 
werden ohne wirklich zu existieren und dann die Menschen nach und nach 
erkennen, dass sie von vorne bis hinten belogen werden) - oder: Warum 
sonst wird das Internet so sehr als "Hort des Terrors" etc. verteufelt? 
Glaubst Du wirklich, dass sich die Möglichkeiten für Terroristen, 
Anschläge durchzuführen, durch das Internet erhöht haben?

> Andersrum sagt es etwas ueber die demokratische Natur meiner Gesellschaft 
> aus, ob ich legalerweise in der Lage bin, die Medien meiner Wahl zu 
> nutzen.
Auch das ist nicht 100%ig korrekt, denn wie bereits erwähnt leben wir 
hier in einer "Scheindemokratie", die bereits Mechanismen entwickelt 
hat, dies zu einem gewissen Grad zu kompensieren. Dass dieser seit der 
starken Verbreitung des Internet' nicht mehr ausreicht, ist in erster 
Linie daran erkennbar, dass das Internet von offizieller Seite 
verteufelt wird.

> Die Tatsache, dass Leute in meiner Gegenwart in ein Hoernertaxi gezogen 
> wurden, nachdem sie mir einen Informationszettel ueber das AKW (damals 
> KKW;-) bei Stendal gegeben haben, auf dem Kirchentag im Fruehjahr 1989 in 
> Leipzig, laesst mich vermuten, dass es um das zweite D in der DDR nicht 
> besonders gut bestellt war.
Das mag sein, aber ich habe ähnliche Berichte auch schon über die "BRD" 
nach der Wende gehört. Und Mielke hätte ja auch seine wahre Freude an 
den heutigen technischen Möglichkeiten...

Viele Grüße nach Down Under,

Norm at n



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