[linux-l] Auslegung von FOSS-Lizenzen

Steffen Dettmer steffen at dett.de
Sa Nov 10 20:36:58 CET 2007


* Jörg Schmidt wrote on Thu, Nov 08, 2007 at 00:44 +0100:
> > Steffen Dettmer schrieb:
> > Was ist eigentlich mit alten Versionen?  Müssten die nicht
> > strenggenommen auch veröffentlich /bleiben/, wenn es eine neuere
> > gibt?
> 
> Nein, es gibt ja keine Veröffentlichungspflicht, genauso wenig eine
> Pflicht solche Dinge, wenn sie dann mal veröffentlicht sind, dauerhaft
> verfügbar zu halten.
> (Einzig eben /wenn/ ich das Kompilat anbiete muß ich i.A. auch den
> Quelltext anbieten.)

Mein Beispiel ging ja davon aus, dass Kompilat angeboten wird.

> > Sonst könnte ich ja heute was mit Zusatzfunktionen machen, morgen
> > den Kram wieder raus nehmen und wenn ich das geschickt mache, hat
> > keiner eine Kopie!
> 
> Ja, das kannst Du.

Wenn das stimmen würde, könnte man die GPL sehr einfach aushebeln.
Version 1.0 vom Orignal-Autor genommen,
Version 2.0 mit Eigenfunktion abgeleitet, veröffentlicht auf Webseite
  nach Weitergabe von Binärcode
Version 2.0.1 wieder ohne Eigenfunktion abgeleitet, ist zufällig fast
identisch zu 1.0, Quelltext tarball ersetzt bereits nach wenigen Stunden
die Veröffentlichung von Version 2.0.

Der Kunde behält Version 2.0 (weil aus unerfindlichen Gründen nach dem
Update auf 2.0.1 wichtige Teile nicht mehr funktionieren).

Wenn jemand fragt, könnte man sagen "Hey, so eine alte Version! Nee,
sorry, alle anderen haben wir, aber die 2.0 gabs doch nur für ein paar
Stunden!".

Das wäre doch aber viel zu einfach. Ausser mir wäre schon jemand anders
drauf gekommen und in GPLv3 wäre eine Ausnahmeregelung für solche Fälle
drin :)

> > Ähnliche Probleme hatte ich; bei exotischen Sachen findet man patches,
> > aber die Sourcen dazu nicht mehr
> 
> Das geht natürlich nicht, das war ja das Problem was ich oben beschrieb.

Ist doch im Prinzip das gleiche Problem, oder?

> Kann ich Dir auch ein praktisches Beispiel sagen:
> ich habe mal für Zwecke des Marketing von de.ooo ein kleines Tool für
> Windows geschrieben. Programmiersprache war das ziemlich unbekannte
> TurboPL2 (eine 'kleine' Programmiersprache die sich für Progrämmchen wie
> Launcher usw. eignet) und dieses war rein kommerziell erhältlich.
> Inzwischen hat es der Hersteller eingestellt und die praktische
> Situation ist damit:
> Irgendwo geistert im Netz sicherlich noch die ein oder andere Kopie
> meines Tools inklusive Quelltext (unter LGPL) herum, das ist also nach
> wie vor freie Software. Allein dürfte es streng theoretisch gesehen für
> Dich unmöglich sein das zu modifizieren, weil Du vom Hersteller keinen
> Compiler mehr bekommst, und auch von sonst Niemandem mehr einen bekommen
> kannst. 

Turbo/PL2 32-Bit Trial Edition
http://www.dsl-magazin.de/downloads/software/turbo-pl2-32-bit-trial-edition_10599.html
nehmen?

Aber unabhängig davon, ob das geht, verstehe ich Dein Beispiel
natürlich. 

Das macht aber auch nichts, finde ich, man kann sich angucken, wie's
geht und lernen. Ohne Compiler will man es vermutlich nicht nutzen, muss
man ja auch nicht :)

> Denn ich (und alle anderen damaligen Käufer) haben den ihrigen nämlich
> zu Lizenzbedingungen erworben haben der eine Weitergabe an Dritte
> ausschließt.

Kannst aber eine Compile-Dienst anbieten und Dich z.B. nach LOC bezahlen
lassen oder so :)

Oder einfach anfragen und kopieren, Schadenersatz gibts vermutlich nicht
weil kein Schaden weil nicht erhältlich :)

> Letzteres ändert jedoch nichts daran das mein Progrämmchen immer noch
> freie Software ist (ich nehme mal an das das niemand hier anders sieht,
> bei de.ooo haben wir es mal diskutiert und dort sah es keiner anders),
> es zeigt lediglich das es durchaus Sinn macht freie Software auch mit
> freien Werkzeugen zu erzeugen.

ja, kann ein Autor halten, wie er will. Ich persönlich würde nicht
unbedingt auf Teufel komm raus einen freien Kompiler nutzen. Für ARM
gibts z.B. einen Kompiler, der bei einem bestimmten Projekt um fast 50%
kleineren Code erzeugt, als gcc-arm-elf. Kann man vermutlich nicht
kaufen (und wenn, dann nicht bezahlen und vielleicht muss man ein ASIC
dazukaufen lol).

> Allerdings:
> Jetzt wo Du es benennst, finde ich das garnicht so dumm als Denkansatz.

("garnicht soooo dumm" beziehe ich mal nicht auf mich lol)

> Natürlich hat Zentralisierung immer Probleme, aber man könnte ja

(Na ja, die FSF hat doch auch das GPL-update-Monopol)

> Das allg. Problem ist im Übrigen durchaus real, denn ich verrate kein
> Geheimnis wenn ich Dir beispielsweise sage das es im ganzen OOo-Projekt,
> keine 'zentrale Stelle' gibt, die bewußt alle alten OOo-Versionen
> archiviert, zumindestens soweit es um Kompillate geht.
> Es dürfte natürlich praktisch letztlich kein Problem sein jemanden zu
> finden der Dir eine bestimmte ältere OOo-Version zur Verfügung stellt,
> allein es gibt tatsächlich keine 'Offizielle Archivierungsstelle'.

keine Versionskontrolle, mit der ich mir eine beliebige OOo Version
reproduzieren kann? Wäre doch kaum zu glauben, wenn etwas grundlegendes
wie Reproduzierbarkeit von einem so grossen Projekt nicht erfüllt wäre.

> (*)
> Nö, sourceforge und andere 'Verdächtige' leisten das m.E. nicht, die
> bewahren ja wohl nur Software die ursprünglich mal dort eingestellt
> wurde - wobei ich nichtmal weiß wie das gehandhabt wird, i.S. das
> Sourceforge garantieren würde das dort einmal eingestellte Software für
> alle Zukunft bewahrt würde, das ist dort aber sicher irgendwo
> nachzulesen würde ich vermuten.

Kann SF ja nicht garantieren, Du kannst ja zu VA gehen (oder wem der
Laden heute gerade gehört), SF kaufen und plattmachen - um mal ein
Extrembeispiel zu bringen. (nicht, das das jemand vorhätte oder so, ich
will damit nichts sagen. Ich mein nur, dass SF eben schon allein
deswegen logisch nicht garantieren können kann).

oki,

Steffen

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