[linux-l] Auslegung von FOSS-Lizenzen

Volker Grabsch vog at notjusthosting.com
Di Okt 30 18:14:14 CET 2007


On Tue, Oct 30, 2007 at 01:39:14PM +0100, Jörg Schmidt wrote:
> Obenstehende Aussage von Dir klingt schlicht nicht danach als ob:
> 
> "Du kannst für FOSS sogar eine Registrierung verlangen"
> 
> auch allein stehen soll,

Doch, so war es gemeint.

> Ist eine Registrierung zulässig, die /allein/ dem Zweck dient den
> physischen Vorgang des Downloads starten zu /dürfen/?

Nach meinem Verständnis: Ja.

> > Im Gegenteil, wenn man ein solches Dokument *nicht* einem geschlossenen
> > Benutzerkreis zugänglich machen dürfte
> > [...]
> > *das* wäre eine Einschränkung.
> 
> Das verstehe ich sehr gut, nur es geht nicht um 'müssen', ganz und
> garnicht, sondern es geht darum das die Weitergabe ja ohnehin erfolgt
> und /nur/ dadurch willkürlich beschränkt wird weil man bestimmte
> Personen ausschließt.
> [...]
> Die Weitergabe muß hingegen nicht erfolgen, nur
> wenn sie erfolgt halte ich die willkürliche Einschränkung auf bestimmte
> Personengruppen für nicht zulässig

Im Gegenteil, genau das ist sehr wichtig. Dass ein Distributor sich
vor niemanden rechtfertigen muss, wen er bedient und wen nicht. Die
Lizenzen regulieren das einfach nicht. Es ist einfach nicht notwendig.
(s.u.)

Was *vielleicht* ein Problem sein könnte, wäre "richtige" Diskriminierung
von Menschen, also wenn z.B. nur Christen oder nur Frauen das Zeug
runterladen dürften. Das ist aber eine völlig andere Baustelle und
wird bereits von diversen Gesetzen geregelt. Auch hier kein Grund für
die Lizenzen, da eigenmächtige Regelungen einzuführen.

> sondern es
> ist willkürlich das die Software Personen verweigert wird, die sie
> problemlos erreichen könnten und nur daran gehindert sind weil ich
> Zusatzbedingungen erhebe.

Dieser Aussage stimme ich gleich in zwei Punkten nicht zu.

Wäre der Download für jedermann offen, würde auch nicht jeder
"problemlos erreichen" können, weil der Massen-Ansturm z.B. den
Server lahmlegen. Oder zumindest höhere Traffic-Kosten verursachen.
Das ist zwar "problemlos" für die Downloader, aber nicht für den
Betreiber.
   
Statt nun Geld zu verlangen, würde ich persönlich lieber dazu
übergehen, nur meine Freunde drauf zu lassen, was ja ebenfalls
eine "willkürliche" Auswahl wäre. Oder nur diejenigen, die
mich persönlich um einen Download-Zugang bitten. Letzteres käme
deinem Registrierungs-Zwang schon recht nahe.

Ich finde diese Form der Willkür weder rechtlich noch moralisch
bedenklich.

> > Nein, stattdessen regeln GPL & Co. dieses Problem wesentlich
> > geschickter: Niemand zwingt dich, es weiterzugeben, aber *wenn* du
> > es tust, musst du dem Empfänger alle Rechte geben, die du auch selbst
> > hast.
> 
> Mmmh ... ich denke schon das Ganze müßte wasserdicht sein, ist es aber
> dann nicht, weil:
> [...]
> Ich stelle eine Software unter GPL(a), jetzt ist sie freie Software und
> gleichzeitig habe ich die einzige Kopie davon.
> [...]
> dann erkläre
> ich einfach meine Bedingung ist das jeder eine Kopie bekommen kann und
> unter GPL nutzen, wenn er mir schriftlich erklärt er würde /freiwillig/
> auf sein Recht zur freien Weitergabe verzichten.

Dieses Problem gibt es tatsächlich und es wird z.B. in der GPL durch
einen speziellen Passus ausgeschlossen: Wenn durch irgendwelche Zusatz-
Vereinbarungen Teile der GPL unwirksam werden, darf die Software gar
nicht genutzt werden.
(§12 der GPL, auch "ganz oder gar nicht"-Prinzip genannt)

Aber das ist eine andere Baustelle!

Dein neues Szenario unterscheidet sich vom ursprünglichen nämlich
in einem wichtigen Punkt: Der Registrierungs-Zwang zum Download
legt dir keine Beschränkungen zur Nutzung/Verbreitung der Software
auf. Hast du sie erstmal runtergeladen, kannst du damit alles machen,
was dir die Lizenz erlaubt.

Will sagen, die Lizenz greift hier an genau der richtigen Stelle.
Das Problem ist nicht, dass der Download mit Bedingungen verknüpft
ist, sondern dass diese Bedingungen Teile der Lizenz aushebeln.
Würde man dir solche Bedingungen auf anderem Wege aufdrücken (z.B.
Arbeits-Vertrag, AGBs, etc.), würde besagter Schutz-Mechanismus
der GPL immer noch greifen.

Viele Ecken der GPL regeln die Dinge scheinbar "hintenrum", treffen
dadurch aber genau den Kern der Sache. Wäre die GPL eine Software,
könnte man sie als "genialen Hack" bezeichnen. ;-)  Ja, die genaue
Funktionsweise der Copyleft-Lizenzen ist nicht ganz so trivial,
wie es zunächst scheint.

Wenn du dich genauer für die Thematik interessierst, stöbere einfach
mal in der GPL, zumindest in der "Preambel":

    http://www.gnu.org/licenses/gpl.html

oder in der deutschen Übersetzung der GPL:

    http://www.gnu.de/documents/gpl-3.0.de.html

oder in der GPL-FAQ:

    http://www.gnu.org/licenses/gpl-faq.html

Das dürfte dir ein besseres Bild von den Copyleft-Lizenzen vermitteln.

> Weitergabebedingungen wählen sollte und das ganze nicht gleich unter
> eine andere Lizenz stellt (die dann keine freie wäre) ist berechtigt hat
> aber eine Antwort:
> Es könnte von Vorteil sein, seine Software juristisch wasserdicht als
> freie Software bewerben zu können - obwohl sie in Summe garnicht dem
> Geist freier Software entspricht.

Nein, diese Möglichkeit gibt es wiegesagt nicht, zumindest nicht
bei strengen Lizenzen wie der GPL.

Aber wer so einen Mist machen will, kann seine Software unter
BSD-Lizenz stellen, und koppelt dann den Download mit einer NDA 
(Verschwiegenheits-Vereinbarung). Und bewirbt dann sein Produkt
mit "unter freier Lizenz verfügbar".

Aber ob das wirklich den beabsichtigten Marketing-Effekt hat? Immerhin
werden das Leute ausprobieren, und wenn sie alle über den NDA stolpern,
ist das eine ganz und gar nicht schöne Publicity. :-)


Gruß,

    Volker

-- 
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