[linux-l] AGPL vs. GPL

olafBuddenhagen at gmx.net olafBuddenhagen at gmx.net
Mi Okt 31 14:27:49 CET 2007


Hallo,

On Fri, Oct 12, 2007 at 01:46:54PM +0200, Volker Grabsch wrote:

> Er hat für Anwendungs-Software zur Verwendung der Affero GPL anstelle
> der GPL aufgerufen, da diese konsequenter den eigentlichen Grundgedanken
> der GPL umsetze. Die Affero GPL gesteht einem die 4 Freiheitsrechte
> nämlich auch dann zu, wenn man die Applikation nicht als Kopie bei sich
> auf dem Rechner laufen hat, sondern nur "remote" nutzt (z.B: via VNC
> oder als Web-Applikation).
> 
> Seinen Ausführungen zufolge war es auch angedacht, diesen Punkt mit
> in die GPLv3 hinein zu nehmen, doch in den großen Diskussionen gab es
> aus zahlreichen Ecken Widerstand, sodass dieser Punkt nicht in den
> Kompromiss namens "GPLv3" hinein fließen konnte. Leider weiß ich nicht
> mehr genau, von *welchen* Interessengruppen dieser Widerstand kam. Till
> Jaeger erwähnte ein paar.
> 
> Jedoch meinte er, dass die meisten Freie-Software-Entwickler durchaus
> ein Interesse an dem zusätzlichen Schutz der Affero GPL haben dürften,
> und da die AGPLv3 ebenfalls bald fertig wird, empfahl er, lieber diese
> als die GPLv3 zu nutzen.
> 
> 
> Ich persönlich kann ihm da nur zustimmen, dass man dieses Schlupfloch
> schließen sollte, und daher AGPL statt GPL nehmen sollte. Wie seht ihr
> das?

Ersteinmal, da es scheinbar Unklarheiten gibt; nochmal zur Erklaerung,
worum es bei der AGPL ueberhaupt geht: Wenn jemand Zugriff auf
GPL-Software ueber ein Netzwerk ermoeglicht (ob HTTP oder SMTP oder SSH
oder was auch immer), gilt das nicht als Verbreitung im Sinne der GPL;
und dementsprechend greifen die Bedingungen der GPL (Weitergabe von
Sourcen etc.) nicht. (v3 ist in der Hinsicht uebrigens nicht grundlegend
anders als v2, aber wesentlich klarer formuliert.)

AGPL hat eine zusaetzliche Klausel (unter 13.), die auch fuer solchen
Netzwerkzugriff Bedingungen festlegt. Wer Beispielsweise eine angepasste
Version einer freien PHP-Software auf seinem Webserver einsetzt, muss
den modifizierten Code weitergeben.

Ob man dieses ausgeweitete Copyleft braucht/will, ist eine schwierige
Frage. Fuer Anhaenger von "Open Source" dient das Copyleft ja dazu,
sicherzustellen, dass Verbesserungen an einem Programm an die
Oeffentlichkeit zurueckflieszen. Die Affero-Klausel stellt sicher, dass
ein solches Zurueckflieszen auch dann stattfinden muss, wenn jemand
modifizierte Programme nur auf eigenen (oeffentlichen) Servern einsetzt,
nicht weiterverkauft oder so. In dem Sinne ist sie aus Sicht von "Open
Source" fuer jegliche Server-Software nuetzlich -- und da im Prinzip
jedes Stueck Code in einer Server-Anwendung landen koennte, ist die
Empfehlung, (fast) allen neuentwickelten Code unter AGPL zu stellen, in
dem Sinne durchaus angebracht.

Aus Sicht von freier Software sieht die Situation jedoch etwas anders
aus: Hier dient das Copyleft vorrangig dazu, die Freiheit der einzelnen
Anwender zu sichern -- dass sie die Software, die sie einsetzen, nach
ihren Vorstellungen abaendern koennen, und/oder an andere weitergeben.
Das ist bei Serveranwendungen aber im Allgemeinen eh nicht moeglich,
ganz unabhaengig von der Lizenz: Wenn einem zum Beispiel etwas an Google
stoert, wuerde es herzlich wenig nuetzen, wenn der Quellcode von Google
unter einer freien Lizenz verfuegbar waere -- man koennte trotzdem nicht
mal eben sein eigenes angepasstes Google benutzen; man ist auf den
Fremdanbiete angewiesen.

Und das ist bei Server-Diensten meistens der Fall. Der Nutzer hat ueber
solche Dienste keine Kontrolle. (Uebrigens der Hauptgrund, wieso ich
nicht an die immer wieder aufgewaermten Prognosen glaube, dass bald alle
interessanten Anwendungen auf Internet-Servern laufen, und die Rechner
der Benutzer nur noch als dumme Terminals fungieren... Das ist nicht
wirklich im Sinne der Benutzer.)

AGPL ist hier deshalb wenig hilfreich: Die Verfuegbarkeit von Quellen
bedeutet lediglich, dass es einfacher ist, konkurrierende Anbieter
aufzuziehen. Die dadurch moeglicher Weise vergroeszerte Auswahl hat
sicherlich auch ihre Vorteile fuer die Anwender; aber im Sinne freier
Software bringt das keine direkte Verbesserung.

Nur wenn jemand Fernzugriff auf Anwendungen anbietet, die der Nutzer
genauso gut lokal (mit eigenen Anpassungen) ausfuehren koennte, hat die
Affero-Klausel wirklich Bedeutung -- das ist der Grund, wieso sie fuer
GPLv3 im Gespraech war. Da solche Szenarien aber bisher zumindest keine
nennenswerte Rolle spielen, wurde sie letztendlich fuer unnoetig
befunden. (Was natuerlich nicht heiszt, dass sie in v4 nicht vielleicht
doch noch Eingang findet, falls solche Situationen sich in Zukunft
haeufen sollten...)

-Olaf-



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