[linux-l] Demo-Eindrücke
Thorsten Stöcker
tstoecker at baerensoftware.de
Mi Sep 26 11:54:47 CEST 2007
Hi Peter,
>
> Man kann sich aus einer Rechtsordnung keine Dinge herauspicken, die man
> beachtet oder ignoriert, aber gleichzeitig Erhaltung und Schutz durch den
> Rechtsstaat einfordern.
Natürlich kann man das. Die DDR war auch ein Rechtsstaat. Gesetze, die Staat
vor dem Bürger schützen und die grundsätzlichen Menschenrechte einschränken,
sind unnötig und in meinen Augen auch rechtswidrig.
Es wird immer gerne vergessen, das der Staat nicht reiner Selbstzweck ist,
sondern für seine und durch seine Bürger existiert. Also muß der Staat nicht
geschützt werden.
Sachbeschädigung ist Sachbeschädigung, ob aus einer Demonstration heraus oder
nicht, spielt dafür keine Rolle. Und es ist im Strafrecht nun ein Mal so, das
der Verdächtige grundsätzliche jede Möglichkeit hat, alles zu verweigern, was
ihn belasten könnte. Unter Umständen auch die Identifizierung seiner Person.
> Jeder Verstoß schwächt den Rechtsstaat. Man muß
> damit leben können, daß er auch unbeliebte Regeln bereithält.
>
Nein, Verstöße schwächen nicht den Rechtsstaat, das ist Unsinn. Den
Rechtsstaat schwächen Gesetze zur Prävention.
Die Idee des Rechtsstaates ist, den Einzelnen zu schützen und zwar vor anderen
Individuen und der Gemeinschaft. Dabei hat das Gericht die sogenannten
Rechtsgüter abzuwägen und die Wahrheit herauszufinden. Was in einem Urteil
steht ist als Tatsache festgestellt, selbst wenn es die absolute Unwahrheit
sein sollte.(Soweit die Theorie) Was in der BRD seit Ende der 60ger Jahre
läuft, ist die Aushöhlung der Grundrechte der Bürger.
Man hat noch nicht begriffen, das der Rechtsstaat für den Bürger da ist und
nicht umgekehrt. Mit der Keule Gefahrenabwehr (welche) wird eine
Gewaltspirale befeuert, die auf der Kriminalisierung ganzer Bewegungen
aufbaut.
> Manchen scheint der Wert des Rechtsstaates gar nicht bewußt zu sein. Und
> das nach Weimar, Hitler und DDR.
>
Schönes Thema. Aber das ist immer das gleiche Problem. Nur wenige wollen
erkennen, daß wir uns mit Riesenschritten auf ein System zu bewegen, gegen
das die DDR und das Dritte Reich eine absolute Lachnummer waren und das mit
der Billigung der "schweigenden" Mehrheit. Die Datensammelwut und Überwachung
der Bevölkerung ist das Problem, Vermummungsverbot, Online-Durchsuchung,
Abschuß von Zivilflugzeugen, Überflug von Lagern, Filmen von Demonstration,
Telefonüberwachung, Rasterfahndung. Das sind die Bedrohungen für den
Rechtsstaat, nicht ein paar hundert Leute die zur Gewalt aufrufen.
> Wer angesichts der Rechtslage vom Recht auf Vermummung spricht, ist
> Dummschwätzer oder Provokateur.
>
Nein, Dummschwätzer und Provokateur ist, wer der Einschränkung der Grundrechte
das Wort redet. Und ob der polizeilichen Überwachung ist jede Gegenmaßnahme
erst ein Mal legal. Wenn die Videoüberwachung verboten wird, kann man auch
über ein Vermummungsverbot nachdenken. So einfach ist das. Der Staat hat kein
Recht eine Kleiderordnung für seine Bürger zu erlassen und diese dann zu
überwachen.
Der Rechtsstaat schützt den Bürger, auch den unbequemen, ansonsten ist es kein
Rechtstaat. Es steht niemand über dem Gesetz.
Es ist schon interessant, das den Leuten repressive Systeme vorgehalten
werden, die sich gegen jede staatlich Repression wehren, im Zweifel auch mit
Gewalt. Das die eingesetzten Mittel der BRD die gleichen sind, wie die der
DDR oder des dritten Reiches oder anderer Diktaturen interessiert offenkundig
niemand. Man regt sich lieber über eine kleine Minderheit auf und rechtfertig
damit Methoden, die nicht ein Mal ansatzweise rechtsstaatlichen Prinzipen
entsprechen, sondern ganze Menschengruppen unter Generalverdacht stellen, was
absolut rechtswidrig ist. Überwachungen sind ob der Schwere des
Grundrechtseingriffs nur bei begründetem Anfangsverdacht zulässig. Sprich
gegen jeden einzelnen Teilnehmer der Demonstration müßte ein
Ermittlungsverfahren wegen Landfriedensbruch laufen um die Überwachung zu
rechtfertigen. Ich bezweifel, das es mehr als ein Handvoll Verfahren VOR der
Demonstration gegeben hat.
Gruß
Thorsten
> Gruß
> Peter
--
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