[linux-l] Demo-Eindrücke

Peter Ross Peter.Ross at alumni.tu-berlin.de
Do Sep 27 02:43:39 CEST 2007


Hi Volker,

On Wed, 26 Sep 2007, Volker Grabsch wrote:

> On Tue, Sep 25, 2007 at 09:51:35AM +0000, Peter Ross wrote:
> > Wieso erwarten eigentlich Leute, die bewußt Gesetze ignorieren, fair 
> > behandelt zu werden?
> 
> Das darf jeder erwarten. Er kann keine höfliche, freundliche Behandlung
> erwarten, sowas muss auf Gegenseitigkeit beruhen. Auch kann er keinen
> Respekt erwarten, wenn er selbst keinen zeigt.
> 
> Aber er kann Fairness erwarten, auch ohne jede Gegenleistung!

Ich stimme Dir da zu. Entschuldige die unsaubere Wortwahl meinerseits.

> > In Wirklichkeit helfen solche Leute mit ihren illegalen Methoden mit, den 
> > Rechtsstaat zu beschädigen.
> 
> Die Existenz solcher Gruppen spricht für den Rechtsstaat. Im Gegenteil:
> Würden unsere Störenfriede plötzlich verschwinden, *dann* würde ich mir
> solangsam Sorgen machen.

Sagen wir es mal so: Gut, wenn man das Gefühl haben kann, daß diese nicht 
das Ende der deutschen Demokratie einläuten, wie Anfang der Dreißiger.

Ich fühle mich eigentlich ganz wohl in Melbourne, auch ohne daß um den 
1.Mai regelmäßig Randale stattfindet. Das die hier ausbleibt, ist mit 
Sicherheit nicht meine größte Sorge.

Die gewalttbereiten und auch gewalttätigen Horden habe ich das erste Mal 
am 30.April 1991 am Kollwitzplatz erlebt, als sie die dort stattfindende 
Walpurgisnachtsfete sprengten, Autos anzündeten, ein Lagerfeuer 
auseinanderstiebten etc.

Das war damals ein alternatives Straßenfest, es waren Familien dort, 
Kinder .. und kaum Polizei. Soviel zum Thema "Aufrüstung" gegen den 
Polizeistaat..

Und seitdem sind wir im Prenzlberg diese Fackelträger der Zivilisation 
nicht mehr losgeworden.

Bei der 47. Neuauflage deren Auftritts von "ein bißchen gefährlich 
aussehend, aber doch ganz nett" auszugehen, ist wohl doch ein bißchen 
zuviel verlangt.

Nebenbei ist es auch die Aufgabe der Polizei, für die Sicherheit von 
Anwohnern und deren Gutes zu sorgen. Versuch mal, Deine Sympathie zu 
verbergen, wenn Du in der Gegend wohnst, und jedes Mal Dein Auto anderswo 
verstecken mußt oder zu riskieren, nächsten Morgen eine ausgebrannte Ruine 
vorzufinden.

Der genannte unbewaffnete Polizist in Grossbritannien setzt eben eine 
andere Kultur voraus, den respektvollen Umgang miteinander (der mit dem 
"Sorry" anfängt, welches man hier oft zu hören bekommt, wenn man dem 
anderen auf den Fuß getreten ist.. vergleich daß mal mit der berühmten 
Berliner Freundlichkeit.)

Ich denke, diese ganze inzwischen leider schon endlose Diskussion zeigt 
recht deutlich, daß Deeskalation, beginnend im mentalen Bereich, nicht 
unbedingt eine deutsche Stärke ist.

Allerdings sind überall in der westlichen Welt wohl die Weichen nicht 
gerade auf Entspannung gestellt, leider.

Schön, wenn man dann so witzige Möglichkeiten findet, den Sicherheitswahn 
auf die Schippe zu nehmen, wie es hier zum G20-Treffen in Sydney die 
"Chasers" fanden, eine Kabarettistentruppe vom öffentlichen Fernsehen,

mit einer Limousine, Kanadaflagge und ein paar "body guards" einen 
Statttskonvoi vorzutäuschen, alle Kontrollen zu überwinden, um sich ein 
paar Meter von Bushs Hotel als Osama bin Laden verkleidet die Beine zu 
vertreten..

BTW: Ich kann mich an Momente des Anfangs erinnern, als die Ossis noch zu 
ähnlichen Mitteln fanden. Als Momper die Polizei anderer Bundesländer zu 
Hilfe rief, um in der besetzten Mainzer Straße für Ordnung zu sorgen, 
erinnerten sich Leute daran, daß die Prager 1968 alle Straßenschilder 
abmontierten, um den Russen die Orientierung zu erschweren. Im 
Friedrichshain/Prenzlberg wurden großflächig Straßenschilder mit "Mainzer 
Straße" überklebt:-)

Die Demos der End-DDR-Zeit waren auch oft eher witzig, und nicht unbedingt 
erfolglos..

Aber dank der Kreuzberger Knallfroschszene, die dann zum Kollwitzplatz 
rüberzog, vollzog sich die Angleichung der Demo-Kultur an westliche 
Verhältnisse schnell:-( Dagegen hilft leider kein Witz, die nehmen sich 
einfach zu ernst.

Es grüßt
Peter


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