[linux-l] Webapplikationen schlimmer als Trusted-Computing? (was: Cross-Compiling für Win32)

Volker Grabsch vog at notjusthosting.com
Di Nov 11 15:15:56 CET 2008


Steffen Dettmer <steffen at dett.de> schrieb:
> * Volker Grabsch wrote on Thu, Nov 06, 2008 at 22:12 +0100:
> >
> > Was ich eigentlich meine: "Wenn Windows seine Stellung am Markt
> > verliert, dann nicht durch großartige Konkurrenz-Produkte, sondern
> > durch grobe Fehler von Microsoft."
> 
> Tja, oder durch google, wer weiss.

Das ist eine weitere interessante Strategie, stimmt. Man sorgt
dafür, dass die Leute nur noch den Browser benutzen, sodass
irgendwann Betriebssystem und Desktop-Applikationen egal sind.

Die Hoffnung ist, dass die Applikationen dadurch aus dem stark
verzerrten Desktop-Markt herausgelöst und stattdessen den
Regeln des wesentlich gesünderen Server-Marktes unterworfen
werden.

Ich persönlich finde diese Entwicklung aber gar nicht wünschenswert,
denn wird der Desktop tatsächlich durch Webapplikationen abgelöst,
befinden wir uns in einer Situation, in der die Anwender _noch_
weniger Kontrolle über ihre Applikationen haben.

Auf den Servern mag BSD oder Linux laufen, aber die Applikationen
sind nicht nur proprietär, sondern noch stärker vom Anwender
abgeschirmt als in einem Trusted-Computing-System; was übrigens
genau der Grund ist, aus dem die Affero-GPL empfohlen wird: Weil
man bei Webapplikationen die 4 Anwenderfreiheien sonst ganz leicht
aushebeln kann.

> > Im Gegenteil: Solche Anfängerfragen würden IMHO viel weniger
> > werden, wenn Linux auf dem Desktopmarkt dominieren würde. Dann
> > würden nämlich erstmal viele andere Mechanismen greifen, die
> > im Moment noch sehr Windows-Exklusiv sind.
> 
> mmm... gewagte Theorie... ;)
> in Foren, in denen erwartungsgemäss Win-User dominieren, hab ich
> den Eindruck, dass das Niveau und die tatsächliche Hilfe geringer
> ist, als in Foren von *nixern, wobei in erstere auch mehr OT
> sind.

Mag sein, aber wieviele Windows-Benutzer suchen solche Foren auf?
Ich kenne keinen einzigen. Zuerst sucht man doch Hilfe im Bekannten-
kreis.

> > Ich kann daher das gängige Argument "Lasst die DAUs bloß
> > weiterhin Windows benutzen" absolut nicht nachvollziehen.
> > Im Gegenteil: Es könnte der Freien-Software-Bewegung gar
> > nichts besseres passieren, als genau diese passiven,
> > uninteressierten User zum Umstieg auf freie Systeme zu
> > bringen.
> 
> Ja, und die sorgen dann für Software, die für passive,
> uninteressierte User zugeschnitten ist, wie so ein KDE oder ein
> GNOME. Kann man prima mit spielen, aber arbeiten ist schlecht...

Gib mir ein XFce4 und 10 Minuten Zeit, und ich bau dir ein
anfängerfreundliches System zusammen.

Desktop und obere Leiste deaktiviert. Untere Leiste enthält
nur noch Hauptmenü, Desktops (4 Stück sind eine gute Zahl)
und ne kleine Uhr, die per Doppeltklick einen Kalender öffnet.
Das Menü wird reduziert auf die 3-6 Applikationen, die wirklich
benutzt werden (z.B. Browser, E-Mail, Office, Buchhaltung,
Tetris :-)).

Das ist natürlich eher für absolute Abfänger oder Leute, die
den Rechner nur benutzen, wenn unbedingt nötig. Aber genau
diese Zielgruppe weiß ein schlichtes, auf ihre Bedürfnisse
angepasstes System, durchaus zu schätzen. So zumindest meine
Erfahrung.

> Warum muss eine Sekretärin einen Drucker installieren können?
> 
> Autos gibt man i.d.R. auch in eine Werkstatt oder fragt den
> Bastler-Kumpel. Bei Computern hat aber jeder Ahnung und friemt
> run. Ist doch komisch, oder?

Meine Rede. :-)

> > Kannst du das genauer erklären? Ich verstehe nicht, inwiefern
> > die Leute dadurch bestraft werden, dass sich der Markt auf die
> > Vorlieben der Masse einschränkt. Im Gegenteil, die Leidtragenden
> > sind in dem Fall genau die Minderheiten, die einen anderen Film-
> > Geschmack haben.
> 
> Die Minderheiten haben es schwer, aber eine Chance.
[...]
> Die Masse hingegen ist gefangen und merkt es nichtmal. Die muss
> ja weiterkaufen.
> 
> Die Minderheiten kaufen dann einfach nicht. Kaufen vielleicht ein
> Buch. Oder schreiben welche und verschenken sie an Freunde. Oder
> lassen sich was einfallen.

Das kligt fast so, als könntest du dich für das "Free Culture Game"
begeistern: http://www.molleindustria.org/freeculturegame-eng

> > > Sowas finde ich meistens ein bisschen albern. Besonders sowas wie
> > > `completely free platform' und dann auf einem PC arbeiten, was???
> > > FSF/GNU fing im Prinzip ja auch so an, wie bei cygwin kritisiert.
> > 
> > GNU ist aber proprietäre Betriebssysteme gar nicht mehr angewiesen,
> > auf proprietäre Hardware hingegen schon!
> 
> Ja, und?
> Warum ist die Firmware hier Hardware und nicht Software?
> Aber ist Haarspalterei, klar. Aber ist und bleibt unfrei. SCNR.

Ich gehöre nicht zu den Leuten, die behaupten, der PC sei komplett
frei. Aber wenn es für irgendeine Komponente eine freie, gut
funktionierende Alternative gibt, sollte man sie auch nutzen. Will
sagen, Hardware+Linux+GNU nicht nicht 100%ig frei, aber bietet immer
noch deutlich mehr Freiheiten als Hardware+Windows+Cygwin+GNU.

> Vom religiösem Standpunkt aus:
> man wird unfrei geboren und so bleibt es :)

Habe ich dich richtig verstanden? Da Perfektion nicht erreichbar
ist, braucht man sich erst gar keine Mühe zu geben?

Dieser Nihilismus ist für mich unverständlich.

Da könnte man genauso gut sagen: Jeder größere Text hat Recht-
schreibfehler, also können wir auf Rechtschreibung ganz verzichten,
nur noch Kleinbuchstaben verwenden, auf Punkte und Kommas verzichten.
Wenn man eh keinen perfekten Text schreiben kann, wozu sich dann
überhaupt um Lesbarkeit kümmern?


Gruß,

    Volker

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