[linux-l] OpenSource -Strategien

olafBuddenhagen at gmx.net olafBuddenhagen at gmx.net
So Dez 19 23:21:41 CET 2010


Hallo,

On Fri, Dec 03, 2010 at 04:13:29PM +0100, dejoh at t-online.de wrote:
> > From: <olafBuddenhagen at gmx.net>

> > > Nun, ich besuche die Cebit seit Ende der 80er, Linux-Messen seit
> > > Ende der 90er (Karlsruhe, Frankfurt, Berlin). Abgesehen von einem
> > > Höhepunkt zur dot.com-Krise "dümpelt" Linux als Paradebeispiel
> > > dieser Art der Software so vor sich hin.
[...]
> Die Aussage zu den Messen stimmt, siehe Besucherstatistik.

Die Zahl der Besucher bestimmter Messen sagt wenig über kommerzielle
Relevanz aus. Meinst Du Messen für Medizintechnik haben mehr Besucher?
Ändert nichts daran, dass es ein Milliardenmarkt ist...

> Und wenn man die Besucher dann sieht wird deutlich, großer Umsatz wird
> wohl nicht generiert werden.

Das Publikum hängt von der Ausrichtung der Messe ab. Natürlich wirst Du
auf Community-orientierten Messen nicht ganz so viele Top-Manager sehen.
Es gibt aber durchaus auch Messen mit ganz anderem Publikum.

> Supercomputer: Toll, siehe  http://www.top500.org/stats/list/34/osfam.
> Offensichtlich gehen die Forschungseinrichtungen sparsam mit den
> Mitteln um (Lizenskosten).

Du sagst das so, als ob Sparen etwas negatives wäre...

Übrigens stehen zwar die größten Supercomputer tatsächlich meist bei
Forschunseinrichtungen; aber im weiteren Feld dominieren kommerzielle
Betreiber.

> Aber im Umsatz m.E. nicht relevant.

Genaue Zahlen kann ich leider nicht produzieren, da es seit SGI's Pleite
keine dedizierten Unternehmen in diesem Markt mehr gibt, und andere
Unternehmen die Zahlen nicht unbedingt extra aufschlüsseln... Aber da
SGI alleine zuletzt noch mehrere hundert Millionen Jahresumsatz hatte,
dürfte der Gesammtmarkt locker im Milliardenbereich liegen. Nicht
relevant?

> Webserver: c't: Linux und Windows als Web-Server gleichauf in der
> "Webserver-Betriebssystem-Vergleichstest" in der aktuellen c't-Ausgabe
> 17/2000 nachzulesen. Ergebnis: Seit 10 Jahren Stagnation.

Das Wesentliche ist, dass GNU/Linux zunehmend die vorher dominanten
proprietären UNIX-Varianten ablöst. Im Bereich der Webserver ist das
weitestgehend bereits in den 90er Jahren passiert; bei anderen Servern
ist es noch im Gange. Microsoft konnte zwar mit enormen Investitionen
ebenfalls seinen Marktanteil in diesem Bereich auf Kosten der
proprietären UNIXe zeitweise etwas ausbauen, aber nicht annähernd so
schnell wie GNU/Linux.

> WLAN-Router: Im Heimbereich mag das stimmen. Aufgrund des Preiskampfes
> möchte man Lizenskosten sparen, ein gutes Beispiel. Für professionelle
> WLAN-Equipment (z.B. Cisco, Trapeze) gilt das nicht.

Ich wette auch da ist freie Software auf dem Vormarsch; auch wenn
vielleicht noch nicht so weit. OpenBSD zum Beispiel brüstet sich gerne
damit, dass ihre Software in professionellen Routern zum Einsatz
kommt...

> Bewertet man die umgesetzten Summen, möchte ich deinem Beispiel
> deswegen die Beweiskraft in der Summe absprechen.

Ich vermute der Gesamtumsatz liegt bei Heimroutern aufgrund der Masse in
vergleichbarer Dimension.

> Dann noch: Top Operating System Share Trend :
> http://marketshare.hitslink.com November 2010: Linux < 1% Wie das?
> Warum kommt Linux auf dem Desktop nicht voran?

Weil das ein schwieriger Markt ist. Es ist kein spezielles Problem von
freier Software; sondern in diesem Bereich kann bisher *keiner* wirklich
gegen die Dominanz von Windows anstinken. (Selbst Apple/MacOS macht als
etablierter Anbieter mit fettem Marketing-Budget derzeit keine
Fortschritte.) Das widerspricht keinesfalls meiner Behauptung, dass
freie Software *bei an sonsten vergleichbaren Bedingungen* tendenziell
mehr Verbreitung findet -- wie man in vielen anderen Märkten sieht.

(Ich habe mich übrigens bei meinen Beispielen bewusst auf GNU und Linux
beschränkt, da Du das als Negativbeispiel genannt hattest. Es gibt
teilweise noch deutlichere Fälle. Schau Dir den Markt für CMS an.
Gerüchteweise soll's da auch noch irgendwelche proprietären Lösungen
geben -- auch wenn mir beim besten Willen keine einfällt, von der ich
schon Mal gehört haben könnte...)

> > Ach ja, und dann ist da dieses neumodische Linux-basierte
> > Smartphone-Betriebssystem, das seinen Marktanteil innerhalb eines
> > Jahres von 3.5% auf 25.5% gesteigert hat, und spätestens in ein paar
> > Monaten Marktführer sein wird... (Wahrscheinlich sogar im Moment
> > schon ist -- nur kommen die Statistikmacher mit dem Zählen nicht
> > hinterher :-) ) 
> 
> Na ja, reines Linux ist das so auch nicht,

Nein, es ist tatsächlich kein reines Linux. Auf dem Linux läuft eine
selbst zusammengeschusterte libc (Bionic); eine größtenteils selbst
zusammengeschusterte Java-artige VM (Dalvik); und eine Reihe von selbst
zusammengeschsterten Komponenten, die in dieser VM laufen.

Bei den typischen GNU/Linux-Distributionen für Desktop-Gebrauch läuft
auf einem reinen Linux eine GNU libc; die GNU Bash; die GNU Coreutils,
Findutils etc., sowie einige Linux-spezifische Tools wie udev; ein
Grafik-Server von X.Org; ein GNOME- oder KDE-Desktop; und eine Reihe
weiterer Programme aus unterschiedlichen Quellen.

Beides sind Linux-basierte Systeme. Beide sind (größtenteils) freie
Software.

Natürlich hätte ich es lieber, wenn sich Systeme mit gewohnteren
Komponenten verbreiten würden -- wie SHR, Maemo/Meego, oder (das noch
unveröffentlichte) SLP -- die allesamt neben Linux auch glibc verwenden,
Busybox (oder optional Bash und GNU Tools), X, sowie Anwendungen auf
Basis von EFL, GTK oder Qt.

Für die Diskussion um Verbreitung freier Software ist das aber
irrelevant.

> > Das Argument ist, dass ein Anbieter freier Software gegenüber einem
> > Anbieter proprietärer Software (bei sonst gleichen Bedingungen)
> > einen höheren Marktanteil erreicht, und daher mehr Umsatz über
> > Effizienz einfahren kann. 
> 
> Das Argument verstehe ich, teile es, es ist Theorie. Die Praxis lehrt
> m.E. etwas anderes.

Kannst Du Beispiele nennen für einen Markt, in dem etwa zur gleichen
Zeit sowohl proprietäre als auch freie Lösungen an den Start gegangen
sind, und die proprietären bei vergleichbaren Investitionen mehr
Marktanteil gewinnen konnten?... Alles andere ist nämlich nicht direkt
vergleichbar.

> Siehe M$ und Red Hat und die Entwicklung.

RedHat hat höhere Umsatz-Zuwächse als Microsoft... Ist aber eh ein
schlechtes Beispiel, da nicht wirklich vergleichbar :-)

> > Zur Erinnerung: Es ging um die Fragestellung, ob es
> > betriebswirtschaftlich sinnvoll ist, freie Software anzubieten.
> > Dabei muss man sich zwangsläufig fragen: Wenn bei freier Software
> > keine Eigentumsrechte geltend gemacht werden, und Anwender daher im
> > Prinzip daran alles selbst machen könnten, warum sollten sie
> > überhaupt einen Anbieter beauftragen? Die Antwort lautet, dass ein
> > Anbieter, der sich auf die Software spezialisiert, die anfallenden
> > Aufgaben günstiger und/oder besser erledigen kann -- er hat also
> > einen Effizienzvorsprung, dank dem er erfolgreich Aufträge einfahren
> > kann.
> 
> Stimmt, sobald diese Software nachgefragt wird. Mein Eindruck ist,
> genau das passiert zu selten.

In vielen Märkten schon, wie ich an zahlreichen Beispielen gezeigt habe.
In anderen leider noch nicht. Daher versuchen Organisationen wie die FSF
und FSFE, (unter anderem) über die Vorteile freier Software aufzuklären.
Es ist ein mühseliger Prozess, aber es gibt Fortschritte.

-antrik-



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