[linux-l] DVBT2 auf dem Computer

Thomas Osterried thomas at osterried.de
So Dez 4 14:26:53 CET 2016


Hallo,

> Am 04.12.2016 um 12:00 schrieb linux-l-request at mlists.in-berlin.de:
> 
> Ich hoffe ja, daß die öffentlich rechtlichen Programme empfangbar sind
> und auch Eurosport.
> (Olympia wird ja großartiger Weise nicht mehr auf den öffentlich
> rechtlichen übertragen und Eurosport ignoriert ja Linux, denn der immer
> wieder beworbene Eurosportplayer läuft nicht auf Linux.

Das ist gerade Thema. Ich empfehle die letzte Sendung des Medienmagazin ZAPP des NDR, https://www.ndr.de/fernsehen/sendungen/zapp/Olympia-ohne-ARD-und-ZDF,olympia6768.html

Öffentlich-rechtlich ist durch die Rundfunksteuer abgedeckt.
Die Privaten glauben daß sie so attraktiv sind, daß sie jetzt in die Grundverschlüsselung, wie schon länger über Satellit (DVB-S), einsteigen können -> Einnahmen aus Abogebühren plus Werbung. Na, wenn das mal nicht nach hinten los geht (denn Werbende bezahlen nach "Reichweite").

Eurosport ist neben den öffentlich-rechtlichen _der_ Konkurrent im Bieterverfahren um Sublizenzen bei Rechteinhaber Discovery gewesen. Ich schätze das wird einer der DVB-T2 Verschlüsselungsgewinnler sein.
Zu Eurosport lese ich: https://de.wikipedia.org/wiki/Eurosport -> "Eurosport ist ein auf Sportberichterstattung spezialisiertes pan-europäisches Unternehmen der Discovery Communications." => Eurosport als Tochter der Discovery hat gegen die öffentlich-rechtlichen geboten? Au, das hat ein Geschmäckle.

Ich will aber jetzt keine Diskussion darüber lostreten.

> Interessant ist, daß DVBT2 nicht gleich DVBT2 ist. Was ist denn HEVC
> (H.265)?

DVB-T2 unterscheidet sich in einigen Punkten von DVB-T. Siehe z.B. https://de.wikipedia.org/wiki/DVB-T2 unter "Technik".
Durch verschiedene Optimierungen am Modulationsverfahren wird die Bitrate erhöht.
Wir lesen: mehr OFDM-Träger, anderes Fehlerkorrekturverfahren, und einiges mehr.

Um es einfach auszudrücken als Vergleich: mit einer WLAN Karte die nur 54 MBit nach 802.11g kann, kannst Du auch nicht bspw. 1560 MBit nach 802.11ac empfangen. Selbst wenn Du die firmware der WLAN Karte erweitern könntest, wäre die Verarbeitungsgeschwindigkeit der CPU auf der Karte nicht dafür ausgelegt.
Viele der Signalverabreitungsprozesse werden heutzutage in "Hardware gegossen", d.h. die verbauten Chips können genau das (und nur das) für das sie entworfen worden sind.

Da sind wir bei (m)einem wichtigsten Kritikpunkt: funktionierende Hardware landet auf dem Müll.


H.265 ist ein Videocodec und Nachfolger von H.264.
H.264 aus dem Jahr 2001 war schon ein echter "Quantensprung" gegenüber MPEG2. Der Codec ist patentbehaftet. Wer z.B. kommerzielle Streamingdienste anbot, mußte dafür Geld an die Patentverwerter abdrücken. Die Lizenzen haben sich zu 2011 geändert.
Mit H.265 steht ein leistungsfähigerer Nachfolge-Codec ins Haus.
  -> https://de.wikipedia.org/wiki/High_Efficiency_Video_Coding
     -> "Lizenzen kosten bis zu sechzehnmal mehr als beim Vorgänger H.264 und die Kosten sind im Gegensatz zum Vorgänger auch nicht nach oben begrenzt."

Ihr erinnert Euch noch an google, die mit VP8 / WebM einen patentfreien Codec ins Rennen warfen?

Bei der HTML5 Spezifikation zum plugin-freien Einbetten von Videos entbrannte damals ein Streit, welche zu unterstützende Codecs als zwingend vorgeschrieben werden. S.a. https://en.wikipedia.org/wiki/HTML5_video

Apple setzte übrigens bei seinen Geräten auf H.264.

Hier noch eine Lektüre: http://www.streamingmedia.com/Articles/Editorial/What-Is-.../What-Is-VP9-111334.aspx


Zurück zu DVB-T2:

Andere Länder haben DVB-T2 schon früher eingeführt (Ratifizierung des Standars 2008, also ca. 10 Jahre nach DVB-T). Hierzulande geht man gleich den "moderneren" Weg mit dem besser komprimierenden, moderneren Codec H.265. Wer hier wie gut von Patentverwertern beraten wurde habe ich nicht recherchiert.

=> Mein Tip (denn das sieht man in den bunten Prospekten der Medienmärkte nicht immer auf den ersten Blick!): schaut genau hin und fragt nach, bevor Ihr ein vermeintlich günstiges Angebot kauft, daß er den hierzulande eingesetzten H.265 Codec unterstützt. Sonst könnt Ihr Eure neue TV-Schrankwand nur z.B. im Frankreichurlaub sinnvoll nutzen.


Da der Standard also schon etwas älter ist, ist denkbar, daß die in Euren DVB-T Sticks (sollten sie nicht zu alt sein) eingebauten Decoderchips sehr wohl auch die hierzulande eingesetzte DVB-T2 unterstützen.
Hier gibt es auch ein paar Hinweise, die meine These stützen:
  https://linuxtv.org/wiki/index.php/DVB-T2_USB_Devices
  [-> die Webseite scheint das ideale Projekt zu sein, mit aktuellen Infos gefüttert zu werden; sie wurde allerdings seit offenbar einem Jahr nicht mehr aktualisiert]

Fernab der Frage von Modulations- und Fehlerkorrekturverfahren haben wir es mit der Codierung der Information zu tun. Dies ist (damit greife ich auf die Frage weiter unten vor) im Prinzip ein Datenstrom der audio-Kanäle, video, Zusatzinformationen zusammenwürfelt in sozusagen Pakete fester Länge / gleicher Zeit (Begriff: Multiplex, MUX).
Das in diesem Datenstrom eingebettete Video (die Audio natürlich auch) muß dann vom Endgerät decodiert werden. Bei DVB-T war es MPEG2, bei DVB-T2 ist es eben H.265. Das muß der Computer (wir reden jetzt über userspace-Software) eben decodieren können.
=> Kommt der USB-Stick mit DVB-T2 im Allgemeinen klar (s. meine These von oben), dann sollte m.E. der hier eingesetzte H.265 Videocodec ihn nicht tangieren, denn der USB-Stick übernimmt eigentlich keine Video-Interpretation.
Darin unterscheidet sich der USB-Stick von "Fernsehern mit eingebautem DVB-T2" - denn wenn der TV den Videocodec nicht selbst interpretieren kann (und kein Firmwareupgrade ihn intelligenter macht), bleibt das Bild eben dunkel.

Wer eine externe "Setup-Box" an seinen TV angeschlossen hat: hier findet die Dekodierung in der Setup-Box statt. Kennt sie den Codec nicht -> Elektroschrott (oder ins EU-Umland verticken ;)

> Können das die bei Linux gängigen Player abspielen. DVBT
> liefert mit der Avermedia *.m2t Dateien, die der VLC-Player nicht mag,
> aber Kaffeine und Avidemux können es und mit Avidemux kann man sie auchj
> in *.mpg Dateien verwandeln.

Ein MPEG-Transport-Stream ist der Datenstrom der über DVB-* übertragenen Daten.
m2t ist die schön stark "komprimierte" Abkürzung für
mpeg-2 transport-stream
-    - -

Als USB noch nicht so hohe Bitraten konnte, um ein komplettes "Bouquet" (also alle Sender auf einer Frequenz) übertragen zu können (DVB-T kann bis zu knapp 32MBit, min. 5MBit; USB1.0 1,5 MBit, USB1.1 12MBit), gab es USB-Karten, die eine gewisse Intelligenz besassen und denen vom Treiber über USB mitgeteilt wurde: "der Nutzer möchte nicht den gesamten Datenstrom, sondern aus dem mpeg-ts bitte nur die Pakete mit dem Packet Identifier 15 und 2 (z.B. weil das Audio und Video des Kanals war den der Nutzer gerade schauen möchte).

Insofern mag eine .m2t-Datei das aktuelle Programm mit Video, ggf. Zusatzinformationen, einer oder mehrerer Audiospuren enthalten, oder gar mehrere Sender.
Hier https://de.wikipedia.org/wiki/MPEG-Transportstrom oben rechts ein Bild zur Veranschaulichung.

Weshalb VLC, der eigentlich m2t gut verarbeiten kann, die von Avermedia nicht mag: keine Idee. Vielleicht hat hier Avermedia eine sehr eigene Interpretation des Standards, mit dem VLC nicht zurecht kommt, wo aber Kaffeine einen workaround geschrieben hat. read the source / changelog ;)

> Bei der Geräteliste fehlen die TV-Karten. Muß man bei ihnen auch
> aufpassen, oder ist das dann eine Frage des Players, der das Format
> abspielen muß ?

M.E. letzteres. Ich versuchte es mit den darunterliegenden Standards zu erklären.

Häufig sind die Schwierigkeiten grundlegenderer Natur: es gibt keinen passenden oder nur einen sehr instabilen Treiber für die Karte, weil z.B. der Hersteller das Kommunikationsprotokoll mit der Karte nicht offenlegt.


Noch ein paar Hinweise:
- ich habe gelesen (aber nicht verifiziert) dass es derzeit noch keine USB-Sticks gäbe wo man eine Entschlüsselungskarte reinstecken kann, um verschlüsselte Programme zu empfangen. => Die Leute kaufen in der Regel "Setup-Boxen" oder gleich neue Fernseher.
- es wäre interessant welche -auch vielleicht ältere Sticks- funktionieren und welche nicht mit DVB-T2 klar kommen, denn ich finde die Information im Netz noch sehr schwach gesäht. Ich meine, der große Aufschrei wird erst nach dem "Blackout am Tag X" durch die Republik hallen.
- statt Wegwerfen: taugt der USB-Stick nicht für DVB-T2, ist er jedoch fähig, auch DAB (digital-Radio) zu empfangen (das einem am Notebook vielleicht zu unhandlich sein mag):
   wer mit Software-Defined Radio / GNU RADIO experimentieren möchte, kann seinem Stick eine neue "Aufgabe" geben (statt in der Ecke zu liegen bis er doch in die Tonne geht: http://sdr.osmocom.org/trac/wiki/rtl-sdr


> Bei
> http://www.idealo.de/preisvergleich/ProductCategory/3254F1655421.html
> findet man auch wieder die Avermedia sowie die mir namentlich bekannte
> Hauptauge. Die Avermedia ist aber billiger und ich habe mit ihr
> langjährige Erfahrungen. Ich würde aber wieder gerne die PCI-Karte
> beforzugen.
> Fernsehen am PC ist für mich hier das Zweitgerät und ich kann auch
> aufzeichen und mit Avidemux die Dateien auch schneiden, was bei
> Sportaufzeichnungen von Bedeutung ist.
> 
> Gruß Jürgen Rienäcker

Viele Grüße,
	- Thomas




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