[linux-l] heise.de: Studie: Linux einfacher, sicherer und billiger als Windows

Volker Grabsch vog at notjusthosting.com
Sa Feb 18 10:46:43 CET 2006


On Fri, Feb 17, 2006 at 11:00:09AM +0100, Bernd Villiger wrote:
> >Ich finde es sogar "kontra-produktiv", muss man mal so hart sagen! 
> >Als Leute von eMail überzeugt wurden, kam der Spam, als Leute von 
> >AOL und Internet überzeugt wurde, sank das News-Niveau, seit die 
> >Leute von Homepages und Forenbenutzung überzeugt wurden, ist google 
> >kaum noch zu gebrauchen.
> >  
> Hat 'was ;-) es ist eben nicht immer von Vorteil, wenn man allen alles
> möglichst einfach (zugänglich) macht ...

Die Vorteile überwiegen aber, IMHO.

> eine gute DTP-Software allein
> macht auch noch lange keinen guten Graphiker ...

Dem muss ich entschieden widersprechen! Dazu werde ich aber etwas
ausholen müssen. Was du da behauptest, ist Elite-Denken, und gerade
bei freier Software überhaupt nicht angebracht! Da könnte man genauso
sagen:

"""
Seit der PC-Revolution (d.h. für jedermann erschwingliche Rechen-
leistung) gibt es immer mehr Menschen, die keine Ahnung mehr haben, was
(hardwäremäßig) in ihren Computern vorgeht. Damals, als es nur teure
Großrechner gab, die nur von entsprechend ausgebildetem Personal bedient
werden konnten, wussten die Leute, die an den Maschinen gearbeitet haben,
genau, was sie dort tun.

Seit es Scriptsprachen gibt, tauchen immer mehr grottenschlechte Hacks
auf, weil die Einstiegsschwelle zum Programmieren herabgesetzt wurde.

Seit es Textverarbeitungen gibt, entstehen immer mehr gedruckte
Dokumente, die nicht von einem professionellen Textsetzer entwickelt
wurden, sondern von Leuten, die vor dem Komma ein Leerzeichen setzen,
oder nach dem Komma keines. Grässlich.
"""

Aber *all das* ist doch überhaupt nichts schlimmes!

Mal anhand eines Zahlenbeispiels: Nehmen wir an, wir haben einen
Fachbereich, dessen Benutzergruppe zunächst aus 1.000 Leuten besteht,
von denen 100% sehr fähig sind. Dieser Fachbereich wird nun
"normalsterblichen" zugänglich gemacht, und die Benutzergruppe steigt auf
1.000.000 an. Aber der Anteil der fähigen Leute sinkt - sagen wir - auf
1% runter. Was heißt das? Es heißt, wir haben 10.000 fähige Leute, also
10 mal so viele wie vorher.

Nochmal konkret zu deiner Graphik-Software: Mag sein, dass seit der
großen Verbreitung von Photoshop (durch illegale Kopien) und Gimp
immer mehr Leute Graphiken entwerfen, ohne künstlerisch ausgebildet
oder auch nur begabt zu sein. Aber durch die neuen Möglichkeiten fangen
immer mehr Menschen schon in ihrer Jugend an, mit solchen Tools
herumzuspielen und auch ernsthaftere Sachen zu machen. Sie sammeln
Erfahrung und werden besser. Einige werden sie sogar richtig gut darin,
und entdecken künstlerisches Talent, das sie bei alt-hergebrachten
Methoden (Kunst-Unterricht, Aquarell-Farben bzw. Fineliner auf Papier,
..) nicht entdecken konnten.

Oder Zusammenarbeit, da bin ich ein gutes Beispiel: Meine Schwester hat
ein großes künstlerisches Talent, das sie vorallem durch das Zeichnen
von Bildern auslebt. Nicht am PC, mit dem arbeitet sie zwar, wird aber
dort (leider) nicht künstlerisch tätig. Sie mag eben lieber das Zeichnen
auf Papier. Ich persönlich bin künstlerisch nicht begabt, kann aber
Inkscape, Gimp, etc. ziemlich gut bedienen und habe viel Erfahrung
gesammelt. Ich brauche Ewigkeiten, um etwas gut aussehendes zu produzieren.
Ich gehöre ganz eindeutig zu denjenigen, die deiner Meinung nach lieber
die Finger von Gimp & Co. lassen sollten.

Aber wenn wir beide an irgendwas *zusammen* arbeiten, dann sitze ich
am Rechner, zeige ihr ein paar Sachen, die möglich wären, und sie sagt
mir, was sinnvoll ist und was nicht, was welche Farbe haben sollte, was
ich wohin schieben sollte, welches Element ich wohin ausrichten sollte,
u.s.w..  Da sie nicht am Rechner sitzt, hat sie auch immer eine
bessere Übersicht über die gesamte Graphik als ich, und es geht
schneller, weil ich die ganzen Sachen im Schlaf bedienen kann. Gemeinsam
haben wir schon wirklich schöne Grafiken, Webseiten etc. designt. Und
das, obwohl sie keine (tiefgehende) Ahnung von den Grafik-Programmen,
Dateiformaten, etc. hat, und ich keine Ahnung von Grafik-Design.

Solche Prozesse werden nur gefördert, wenn man die professionellen
Werkzeuge auch den Anfängern zugänglich macht. Dann werden manchmal
Anfänger zu Experten, ohne eine extra Ausbildung zu benötigen (weil sie
es autodidaktisch von Kindheit an schaffen), oder dass mehrere - für
sich genommen - unfähige Meschen sich gegenseitig ergänzen, und
ebenfalls ohne fachliche Ausbildung sehr gute Sachen zustande bringen.

Genauso sieht es IMHO auch in der OpenSource Community aus: Seit die
Linux-Distributionen mehr und mehr blutige Anfänger erreichen, wachsen
auch immer mehr Experten heran. Natürlich steigt auch der prozentuale
Anteil an Schrott, aber es kommen eben immer mehr gute Programmierer
heraus. Oder es entstehen Teams, die sich gegenseitig ergänzen, obwohl
jeder allein hoffnungslos versagen würde. All das wäre nicht möglich,
wenn die Systeme (warum auch immer) für Hinz und Kunz nicht zugänglich
wären. (sei es nun durch anfängerfeindliche Bedienung, oder durch zu
hohe Preise)

Dinge den Massen zugänglich zu machen, die früher nur Experten
vorbehalten waren, finde ich sehr wichtig. Wieso sollte man die neu
entstandene "Elite" wieder abkapseln von der "Masse"? Sie ist doch
gerade dadurch entstanden, dass man in der Vergangenheit *genau das
nicht* getan hat! Es kommt mehr Schrott, aber es kommt eben auch mehr
brauchbares. Die Anzahl der Experten wird doch nicht geringer, wenn
ein System massentauglich gestaltet wird, sondern sie wird höher!
Nur ihr Anteil an der gesamten Benutzerzahl wird niedriger.


Viele Grüße,

	Volker

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