[linux-l] [OT] KDV

Steffen Dettmer steffen at dett.de
So Jun 18 13:30:36 CEST 2006


Ich antworte wieder auf zwei Mails:

* Volker Grabsch wrote on Thu, Jun 15, 2006 at 11:51 +0200:
* Olaf Radicke wrote on Thu, Jun 15, 2006 at 14:13 +0200:

* Volker Grabsch wrote on Thu, Jun 15, 2006 at 11:51 +0200:
> On Wed, Jun 14, 2006 at 11:46:00PM +0200, Steffen Dettmer wrote:
> > "In einer Demokratie sollte jeder ein Recht auf Selbstbestimmung
> > haben.". Es gibt Grenzen. Zum Beispiel sollte ein Terrorist nicht selbst
> > bestimmen dürfen, sich in die Luft zu sprengen (und dabei Schaden
> > anzurichten, und sei es ein Waldbrand).
> 
> Ja, natürlich, deine eigene Freiheit hört dort auf, wo die Freiheit
> des nächsten beginnt. Genauso (mit etwas anderen Worten) steht's auch
> im GG.

Ja, genau, das ist eine Grenze.

> > In Deutschland hat man die Wehrpflicht. Punkt. Es gibt nur einige
> > Ausnahmen, da, wie Du ja richtig gesagt hast, andere Grundsätze schwerer
> > wiegen. Dabei geht es nicht um persönliche Freiheit. Die ist beschränkt.
> > Beispielsweise sind Gesetze grundsätzlich erstmal bindend.
> 
> Nein, das GG ist stärker bindend. Gegen die anderen "normalen" Gesetze
> kann und darf man sich auch wehren. 

Du kannst Dich auch gegen das GG wehren, z.B. den Petitionsauschuss
anrufen.

ich schrieb "Beispielsweise sind Gesetze grundsätzlich erstmal
bindend". Du schreibst, "Nein [ Gesetze sind gr. NICHT bindend ] aber
das G-Gesetz ist stärker bindend". Macht für mich keinen Sinn.

Aber wir sind uns ja einig, dass "Freiheit" und so weiter nicht absolut
und unbeschränkt gelten können.

> > Man hat also nicht das Recht, den Dienst zu verweigern.
> 
> ... sondern nur das Recht, den Kriegs-Dienst zu verweigern.

Nein, man hat das Recht, "bestimmte Werte höher zu schätzen".
Beispielsweise Religion (oder halt "Gewissen"). Das ist ein Unterschied.

Beispiel Kaufvertrag. Kaufst Du ein Auto und willst es dann doch nicht,
hast Du erstmal trozdem ein Auto. Du hast nicht das Recht, aus dem
Vertrag zurückzutreten. Allerdings mag es Ausnahmen geben,
beispielsweise wenn der Käufer noch minderjährig oder geistig krank ist.
Dann kann man da eine "Ausnahme machen".

> > Man hat nur das Recht, frei Religion auszuüben. Unter gewissen
> > Umständen kann man daher von der Pflicht befreit werden.
> 
> Nein, bitte schau dir das KDVG nochmal an. Eine Verweigerung des
> Kriegs- dienstes gründet sich (sinnvollerweise!) in erster Linie auf
> das Gewissen, nicht auf die Religion.
> 
> Auch das entsprechende GG heißt "Gewissens-, Glaubens- und Bekenntnis-
> freiheit".

("GGB" für unten)

> BTW, diese "gewissen Umstände" sind keine kleinen Ausnahmen, sondern
> einfach eine Alternative. 
>
> Menschen mit Gewissensproblemen, vorallem bei anstehenden Kriegen, gab
> es immer in jeder Kultur und in jeder Religion, und es sind gar nicht
> mal so wenige. Hierzulande werden sie anerkannt, was auch direkt aus
> dem o.g. GG folgt.

Diese Menschen können es also mit dem Gewissen vereinbaren, dass die
Nachbarn von Angreifern zerstückelt und dann vergewaltigt (oder
umgekehrt) werden, aber nicht, diese Angreifer davon abzuhalten? Super,
so ein Gewissen. Aber hier ist es eh nicht an mir, dazu was zu sagen.
Jedenfalls wenn jemand sagt, ich kann keine Waffe auch nur in die Hand
nehmen (und das begründen kann mit GGB), kann man dieser grossen
Ausnahme einen Ersatzdienst anbieten. Solche Leute gibt es bestimmt. Die
vielen KDV, die ich getroffen und gesprochen habe, zählten jedenfalls
nicht dazu.

> BTW2, warum zu diesen "gewissen Umständen" ein zweites X-Chromosom
> zählt, ist mir hingegen nicht so ganz klar.  ;-)

Ich glaub, das ist historisch/biologisch begründet. Ich glaube, wenn man
je 10 Frauen aus zwei Stämmen zusammenbringt, kommen die miteinander
klar und sind stärker als jeweils einzeln vorher. Macht man das mit
Männern, kloppen die sich. Weil sich Männer kloppen, wurde das nach
natürlicher Aufgabenteilung halt Männersache. Heute "dürfen" sich in der
Bundeswehr aber auch Frauen kloppen :-)

> > Menschenwürde? Ist es unter Deiner Würde, mit Waffengewalt
> > Zivilisten vor Mord zu schützen? Die Würde eines Soldaten ist in
> > Deutschland gewahrt.
> 
> Nein, nicht unbedingt. Befehle entgegen zu nehmen, mit denen ich
> andere töten kann, das *ist* unter meiner Würde. 

Ach so, weil Du als einziger die unbedingte Wahrheit gepachtet hast, und
damit niemand (auch kein Expertenteam) Dir was sagen kann?
Gesundes Selbstbewusstsein!

Ich möchte Dich mal sehen, wenn Du einen mit einer Bombe auf eine volle
Schule rennen sähest und nur ein Scharfschützengewehr hättest, 100m.
Würdest Du ihn tatsächlich rennen lassen? Könntest Du es mit Deinem
Gewissen vereinbaren, dass dann vielleicht hunderte Kinder zerfetzt
werden?

> Sicher, als Soldat kann man auch den Gehorsam verweigern, aber man
> braucht dann *sehr* triftige Gründe .. 

Soweit ich weiss, kann er natürlich den Gehorsam verweigern (er kann
sich auch in den Fuss schiessen), aber er darf es nicht. Allerdings
dürfen bestimmte Sachen nicht befohlen werden. Das heisst, sagt ein
Vorgesetzter "Schiessen Sie auf dieses Krankenhaus!" ist das kein
Befehl. Interessanter Kunstgriff :) Kommt natürlich auf das herraus, was
Du gesagt hast.

Jedenfalls war ich 12 Monate Soldat und etliche weitere Alarmreserve und
ich habe nicht einen einzigen Menschen getötet.

> diesen ganzen Ärger kann man sich aber zum Glück im voraus ersparen,
> indem man gleich verweigert und den Ersatzdienst leistet.

Ist "Ärger ersparen" ein Gewissensgrund oder --- Faulheit? SCNR.

(Du brauchst auf diese Provokation nicht zu antworten, ich weiss selbst,
dass sie so nicht richtig ist)

> > Freiheit der Persönlichen Entfaltung? Quatsch, der Entfaltung sind
> > enge Grenzen gesetzt, beispielsweise, wenn andere geschädigt oder
> > nicht geschützt werden (unterlassene Hilfeleistung, KDV, andere).
> 
> Die Grenzen sind genau dort gesteckt, wo die Freiheit anderer beginnt.
> Ich finde, weiter kann man sie gar nicht stecken.

Ist Freiheit denn nicht schützenswert? Wenn also jemand die Freiheit
Deines Nachbarn beschränken will, in der er ihn beispielsweise
verprügeln will - sollte man denn nicht dazwischengehen? Notfalls auch
mit Gewalt, sprich: selbst prügeln? Weil man lieber den "Bösen" prügelt
als zulässt, das der "Böse" jemand anders prügelt?

Jetzt könnte sich wieder nahtlos das Schulbeispiel anschliessen.

> Auch nicht-religiöse Menschen haben ein Gewissen.
> Weil es nicht in erster Linie auf die Religion ankommt. 

Wer aus Gewissensgründen akzeptieren kann, dass Unschuldige erschossen
werden, sollte auch akzeptieren können, dass Unschuldige davor beschützt
werden, finde ich.

> Es wäre auch eine ziemlich ungerechte Bevorzugung, wenn man Cristen
> erlauben würde, ihrem Gewissen (in Sachen KDV) zu folgen, es aber
> Atheisten verweigert.

Er kann ja beim Universum schwören, nicht zu töten oder so. Ist das
keine Religion im engeren Sinne - logisch aber schon, finde ich. Na,
anderes Thema.

> > Sich dieser zu verweigern und gleichzeitig mit BürgerRECHTEN zu
> > argumentieren, obwohl man nichtmal die BürgerPLICHTEN erfüllt, kann
> > doch nicht richtig sein!
> 
> Full Ack. Im ursprünglichen Posting ging es aber um die Verweigerung
> des Kriegsdienstes, nicht des Zivildienstes.

(Ich habe mehrere Mails mit einer beantwortet)

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* Olaf Radicke wrote on Thu, Jun 15, 2006 at 14:13 +0200:
> "Würdevolles Töten? Ist das nicht ein Paradox?"

Nein, warum? Es gibt religiöse Rituale (Opferungen), wo man das schön
würdevoll versucht hat. Meiner Meinung nach total bekloppt, aber auch
nicht gerade unwürdig. 

Sterbehilfe halte ich auch für würdevoll möglich; manche sagen sogar,
dass Sterbehilfe menschenwürdig ist, weil es unwürdiges Leben ersparen
kann.

Klassische Pistolenduelle sind auch würdevoll.

Ist also nicht paradox.

> Hört-hört!! Der Zivi wischt auf allen vieren das Erbrochen der Oma im
> Altenheim auf,

Viele Zivis machen genau das eben nicht, sondern fahren z.B. den Tag mit
Bullies rum (müssten sie auch beim Bund, nur da ist nicht um 14:00 Uhr
Feierabend) oder sowas. Aber ist ja auch egal.

> Man kann das auch umdrehen: Eigentlich solltest du dein Gewissen (und
> Gott folgen - wenn du an einen wie auch immer gearteten glaubst), Aber
> das GG gestattet dir auch, dein niederen Instinkten zu folgen und dich
> mit anderen zusammenzurotten um mit nackter Gewalt zu zeigen, was das
> Recht des Stärkeren ist.

lol

Nur für den Fall, das Du das ernst meinst (war kein Smilie dran):
Klar, wenn man nicht den "niederen Instinkten" folgt, seine Sippe zu
schützen und damit seinen Nachbarn, wird man nicht lange der Stärkere
bleiben, weil dann ein Schwächerer kommt und seinen niederen Instinkten
folgt und sich nimmt, was er mag. Beispielsweise Deine Frau und Deine
Tochter. Da möchte ich mal sehen, ob Du nicht einer Pistole greifst wenn
Du könntest (und müsstest, wegen Überzahl der Vergewaltiger)! Ich kann
mir nicht vorstellen, dass sich das wirklich 50% der Deutschen (ist so
ca KDV Quote, glaub ich) anschauen!

Ich kenne sogar keinen KDVler, der heute Polizist ist. Hammer.

> Wie fiel Menschen sind in der Geschichte durch Millitärdinsverweigerer
> gestorben und wieviel durch Soldaten?

Die Neandertaler vermutlich, das waren wohl etliche Millionen. Hinkt,
das Beispiel, ist aber sehr einleuchtend. Hoffe ich.

Wenn alle NATO-Länder ohne Waffen wären, wären in Deutschland vermutlich
auch nicht sooo viele gestorben - aber alle "Sklaven". Nun gibt es
natürlich Leute, die lieber sterben als versklavt zu leben bzw. ihr
Leben für ihre Freiheit riskieren, die wären dann wohl tot. Keine
Ahnung, wieviele es wären, aber wohl mehr, als von der Bundeswehr
insgesammt getötet wurden (was wohl nur ein paar hundert oder so sind,
weiss nicht).

Wenn es nur ein "paar" sind, also noch genügend andere da sind, ist das
nicht so schlimm, weil die anderen die Aufgaben dieser mitübernehmen.

Gibt auch in Deutschland ein paar, die nicht arbeiten wollen, und
trozdem überleben. Funktioniert natürlich überhaupt nicht, wenn das alle
machen, dann ist niemand da, der die Pflichten übernehmen kann, weil ja
keiner seine Pflicht erfüllt. Solange Deutschland militärisch geschützt
ist, oder sagen wir mal allgemeiner, durch Waffen (Polizei und
Bundespolizei sind hier ja vergleichbar), so wird hoffentlich nicht
gleich jemand angreifen. 

Wäre es völlig ungeschützt, weil NIEMAND eine Waffe hätte, würde ein
Nachbar mit ein paar Tausend Mann kommen und die Macht übernehmen und
jeden erschiessen, der damit nicht einverstanden ist. Das könnte dann so
ein Verrückter aus einem Busch oder einer Wüste oder weiss ich was sein.

Da kann man sich dann hinstellen und sagen: "Lieber Terrorist, bitte
vergewaltige meine Frau und meine Tochter nicht" und das erklären
wollen, aber ich muss gestehen, ich schätze die Erfolgsaussichten sehr
schlecht ein. 

Wenn ich in der Lage wäre, so eine Vergewaltigung zu verhindern, in dem
ich Waffengewalt einsetze (kann auch Tränengas, Elektroschocker oder
sowas sein), und Überzeugung und Drohung versagen, würde ich notfalls
von der Waffe Gebrauch machen. Das wäre auch nicht gleich ein
aufgesetzer Kopfschuss, sondern erstmal ein Ober- oder
Unterschenkeldurchschuss (der laut Bundeswehrausbildung oft schon
ausreicht, um Leute von Folgefehlern abzuhalten aber auch gut zu heilen
ist und selten mit Dauerschäden endet, im Gegensatz zum Knie).

oki,

Steffen

-- 
Dieses Schreiben wurde maschinell erstellt,
es trägt daher weder Unterschrift noch Siegel.



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