[linux-l] Re: nun aber völlig OT! ;-)
Peter Ross
Peter.Ross at alumni.tu-berlin.de
Sa Sep 30 04:56:31 CEST 2006
Hi Frank,
On Sat, 30 Sep 2006, Frank Reker wrote:
> ach - damit koennte ich noch leben. aber das wir zu einem ueberwachungs-
> und polizeistaat mutieren - damit habe ich meine probleme.
Ich auch. Wobei Du in Deiner neuen Heimat wohl auch ein bisschen mehr
gefaehrdet bist, was die NUTZUNG der so gesammelten Daten angeht, als in
Deutschland. Die sittlichen Standards gewisser politischer, behoerdlicher,
geschaeftlicher und krimineller Kreise sind in Italien wohl nicht so
besonders hoch anzusetzen, und auch die Uebergaenge zwischen den Bereichen
manchmal eher fliessend..
> man wird heute auf schritt und tritt ueberwacht. telefone werden
> abgehoert. emails, sms, web-zugrgiffe werden ueberwacht. (letztens
> erst ist doch jemand in de-land wegen terrorverdachts verhaftet
> worden, mit der einzigen begruendung, er habe sich bomben-bau-
> anleitungen aus dem netz geladen. - also wenn's danach ging, koennte
> man halb deutschland verhaften).
Naja, mich nicht.. Es gibt schon Bereiche, aus denen ich mich fernhalte.
Und trotz intensiver Internetnutzung seit bald ueber fuenfzehn Jahren sind
mir ganze Bereiche menschlicher Niederungen, nach denen ich selbst nicht
suche, tatsaechlich auch verborgen geblieben. So einfach kommt man auf
_wirklich_ kriminelle Dinge "aus Versehen" nicht.
Das soll jetzt nicht zur Rechtfertigung von Schnueffelei dienen, ich
moechte aber auch mal etwas geraderuecken. Viele Diskutanten tun ja so,
als koenne man es bei Nutzung des Internets kaum vermeiden, in Sodom oder
auf bei Al Qaeda zu landen.
Mal kurz, wenn Ermittlungsbehoerden Anhaltspunkte fuer moeglicherweise uns
gefaehrdende Taetigkeiten haben, finde ich es richtig, dass sie ihnen
nachgehen, und angemessen darauf reagieren. Zumindest in Deutschland gibt
es meines Wissens noch ein paar Schranken, die den Amoklauf paranoider
Kraefte verhindern. Z.B. ist der Zeitraum einer Festnahme beschraenkt, es
steht jedem rechtlicher Beistand zu, es kann keiner 'verschwinden" etc.
Das ist hier in Australien schon anders, und das ist mir gar nicht recht.
Ich verwahre mich auch dagegen, von Ermittlungsbehoerden zum Mitrgehuelfen
zu degradiert werden. Mir sind detailierte, flaechendeckende Erfassungen
personengebundener Daten auch suspekt, und der Ruf nach
Datenvermeidung, kurzfristiger Speicherung, strikt reglementierten Zugriff
und baldiger Loeschung ist berechtigt.
Ja, es ist traurig, dass das bei vielen kaum noch wahrgenommen wird.
BTW: Es ist wirklich ein Unterschied, ob Daten insulaer erhoben oder
gleich vernetzt werden.
Wenn ich z.B. eine Videokamera habe, die irgendwo abspeichert, dort aber
Behoerden nur im Fall einer Ermittlung Zugriff drauf haben, ist es etwas
anderes, als wenn alle Kameras das beim "zentralen Register" ablegen, und
es so moeglich ist, Bewegungsmuster beliebiger Personen sofort und ohne
jegliche Kontrolle des Zugriffs zu erzeugen.
Wenn es irgendwie soetwas wie Trost gibt: Ein Freund von mir,
gleichaltrig, also 24 Jahre, als die Mauer fiel, hat festgestellt, dass
seine Akte mehr als 1000 Seiten stark von 17 Leuten geschrieben wurde..
und trotzdem hat die Stasi nichts mitbekommen, sie sind im Wust ihrer
Daten einfach abgesoffen..
Der Geist ist durchaus noch lebendig. Ich hatte eine Woche meines Urlaubs
ein Bootshaus in Teterow gemietet, und die Nachbarn haben beim Vermieter
angerufen, um ihm alle meine schweren Verfehlungen mitzuteilen: dass ich
bei einer Fahrt in die Daemmerung die Lampe im Bootsschuppen nicht
ausgeschaltet habe, dass die Kinder eine Steppdecke auf die
Hollywoodschaukel vors Haus geschleppt haben etc.
Ist Anna Funders "Stasiland" endlich auf deutsch erschienen? Dieses Werk
einer Australierin ist bereits vier Jahre alt.. und das atmosphaerisch
Dichteste, was ich nach der Wende zu diesem Thema in die Finger bekommen
habe.
Wie gesagt, genuetzt hat's ihnen allen nix;-)
Gruss
Peter
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