[linux-l] ich will nicht verschlüsseln müssen (was: Re: Was meint Ihr, relevante Marktlücke?)

Steffen Dettmer steffen at dett.de
Mi Apr 30 15:31:17 CEST 2014


* Andreas Röhler wrote on Wed, Apr 23, 2014 at 11:43 +0200:
> Also angenommen:
>
> 1) Es dreht sich um Macht; weniger um die Technik, deren diese
>    sich bedient.

Ich glaube, es geht vor allem darum, Kompromat auf Vorrat zu
speichern/besitzen. Wer auch immer morgen interressant wird, ist
heute schon erpreßbar. Das nutzt man heute nicht gegen Max Mütze,
es sei denn, Max Mütze wird plötzlich interessant, macht z.B. ein
enthüllendes YouTube-Video, was 1 Million klicks hat. Dann
buddelt man aus, dass der Kontakte zur UFO Szene hat (man muss ja
nicht sagen, dass er rein zufällig im SciFi-Buchclub neben einem
Verrückten saß) und dass er darüber schreibt (man muss ja
nicht sagen, dass das sein erster SciFi Gehversuch war; "alles
Schutzbehauptung" usw.).

Ist auch praktisch, falls mal einer ein Budget kürzen will, dann
kann man die Terrorkeule rausholen und hat schon genug Kompromat,
um den Kürzungswilligen umzustimmen oder abzusägen - und es wird
nie rauskommen, weil man Wistleblower(*) ja genauso habhaben kann).

  (*) Wir Deutschen haben nicht mal ein Wort dafür, wie arm.

> 2) Das erste und vordringlichste, was die Macht tut, ist sich
>    selbst unsichtbar zu machen.

Ich glaube, das Vordringlichste ist, sich selbst zu sichern.
Also braucht man Interessengemeinschaften, "Freihandelsabkommen",
Daten, Medien und lustige Wahlsysteme (siehe USA).

> Wären beide Thesen wahr, erklärt das, warum der erwähnte
> Lokalpolitiker so sorglos ist.  Es würde auch erklären, warum
> Edward Snowden relativ viel Öffentlichkeit erhält - da weit
> jenseits vom "power-process".

Ich glaube, ihm ist das egal, weil es keinen interessiert und ihm
daher nichts bringt ausser Ärger. Weder seine Oberpolitiker
(Ebene für Ebene) noch seine Wähler. Daher braucht man ihn auch
gar nicht selbst erpressen, praktisch, das regelt sich selbst.

> Wer schützt uns eigentlich davor, vom nächstbesten Waffenträger
> erschossen zu werden?
>
> Niemand! Was helfen kann, ist einzig die Bewahrung und
> Entwicklung unserer Kultur.

Doch natürlich schützt uns jemand davor: der Staat!

Waffenträger sind stark reguliert, z.B. sind Waffen registriert
oder illegal, Benutzung fast vollständig verboten (auch für
Wachschutz etc.). Der Staat hat das Gewaltmonopol (es gibt
natürlich illegale Ausnahmen, irgendwelche Drogendealer
vielleicht, aber der Staat geht dagegen vor, soweit er kann).

Wer aber schützt uns vor der digitalen Enteignung, Superkonzernen
und den Geheimdiensten?

Hier müsste der Staat meiner Meinung nach dringend was tun. Wir
brauchen Gesetze, dass ein Unternehmen wie Facebook oder Google
nicht nur keine Schusswaffen benutzen darf, sondern auch keine
Profilingtools. Nicht darf. Per Gesetz. Man darf da nicht
einwilligen dürfen.

Beispiel: Man darf nicht mehr als 10 Stunden arbeiten (Ausnahmen
gibt es usw, weil man versucht, das zu unterwandern, mit Ich-AGs
usw., klar, und es wird schlimmer). Man kann das nicht anders
vereinbaren; der Arbeitnehmer wird geschützt. Selbst wenn er
einen "12 Stunden täglich" Vertrag unterschreibt, gilt das nicht.
Er darf totzdem nicht mehr als 10 Stunden arbeiten, per Gesetz.
Sowas brauchen wir auch für Daten. Man muss vor der heutigen
groben Unfug geschützt werden.

Wenn dann kein Werbefinanziertes Facebook möglich ist, ist das
eben so (aber ich glaube das nicht). Die Argumentation "sonst
geht das Geschäft kaputt" ist natürlich Bullshit, das geht nur
bei Konzernen und Banken, sonst müsste man ja auch eine "Hanf und
Tabak Vermarktungsgesellschaft mbH" erlauben!).

Daher ist meiner Meinung nach HIER ein "rechtsfreier Raum" im
Netz: Konzerne können schalten und walten, wie sie wollen. Man
hat es schwer, wenn man SSL nicht traut (man muss eine neue
Krankenversichtertenkarte nehmen usw, ja und ggf. haftet man
sogar noch dafür!), man kann nicht wirklich gegen Clouddaten sein
(lädt man seine Kontakte oder WLAN Kennwörter nicht hoch, tun es
andere; es sei denn vielleicht, wenn man einen sehr speziellen
Bekanntenkreis hat). Hersteller müssen keine sicheren
Cryptoprodukte machen (ja, sogar extra unsicher, als ob man
schlechte Sicherheitsgurte in Autos baut, damit man ggf.
Terroristen bei Verfolgungsjadgen stoppen kann).

Will man das nicht nutzen, muss man sehr starke Einschränkungen
in Kauf nehmen: kein Mobiltelefon, kein Online-Banking, keine
ec-Karte, keine Versichertenkarte (schwer bei
Pflichtversicherungen, viel Spaß beim Doc), kein Personalausweis
(aber man muss ja per Gesetz), kein Auto, keine U-Bahn fahren,
kein Internet, klar, kein Strom (-Zähler)... usw.

In vielen Bekanntenkreisen würde man sich damit als totaler
Sonderling herausstellen. Damit wäre die Meinung bestärkt:
Datenschützer sind komische, weltfremde Leute, die haben nichts
mit uns zu tun.

> Und die Basis dieser ist nicht, mit immer besseren Panzerwesten
> aus dem Haus zu gehen.

Genau, daher wollen wir nicht verschlüsseln müssen.

oki,

Steffen

--
Dieses Schreiben wurde maschinell erstellt,
es trägt daher weder Unterschrift noch Siegel.



Mehr Informationen über die Mailingliste linux-l