[linux-l] DVBT2 auf dem Computer

Lutz Willek lutz.willek at belug.de
So Dez 4 15:02:22 CET 2016


Hallo Jürgen,

- vorsicht: lange Mail -

Vorweg: Ich finde es ausgesprochen schwer Dir eine konkrete 
Kaufempfehlung auszusprechen. Daher auch etwas Hintergrundwissen und 
meine persönliche Meinung zum Thema.

Ja, die öffentlichen Sender sind auch künftig unverschlüsselt über 
dvb-t2 empfangbar.

Eurosport ist kein öffentlich finanzierter Sender: Gegründet im 
Murdoch-Imperium (inzwischen zu Discovery Communications gehörend) gibt 
es eigentlich keinen Grund diesen Sender künftig unverschlüsselt über 
dvb-t2 zu senden.

HVEC (H.265) ist die Codierungsvariante die in Deutschland zur 
Ausstrahlung von dvb-t2 genutzt wird. Natürlich kann Linux damit 
umgehen, aufgrund der Patentlage in Europa witzigerweise momentan sogar 
besser als mit dem direkten technischen Vorgänger H.264.
Zur Einordnung: H.264 wird in einigen Ländern Europas (NICHT in 
Deutschland!) ebenfalls zur Codierung von dvb-t2 eingesetzt, was auch 
die verwirrende Kaufsituation für Hardware erklärt, siehe auch Link zum 
Golem-Artikel meiner letzten Mail.
Etwas Hintergrundwissen zu HVEC:
https://de.wikipedia.org/wiki/High_Efficiency_Video_Coding

Zu den fehlenden TV-Karten auf der Liste: Das wohl schlicht nicht 
gewünscht, deshalb fehlen diese in der offiziellen "Geräteliste".

Natürlich existieren diese Karten, und viele davon laufen auch unter 
Linux. Du findest Listen kompatibler Geräte auf den üblichen Webseiten 
zum Thema VDR mit Linux, z.B.
https://www.linuxtv.org/wiki/index.php/DVB-T2

Die sogenannten "full-featured" DVB-T Karten gibt nicht mehr: Auf diesen 
Karten wurden früher neben Empfang auch gleich die Decodierung des H.264 
Signals erledigt. So etwas ist für dvb-t2 leider nicht mehr möglich.

Daher muss die Decodierung unabhängig erledigt werden, entweder in 
Software (dh. alle beteiligten Linux-Programme müssen es beherschen) 
oder eben in Hardware (Grafikkarte).

Kurz: Entweder eine aktuelle CPU oder eine aktuelle Grafikkarte wird 
benötigt. Beides ist nicht umsonst zu haben...

Falls die Grafikkarte unter Linux gut unterstützt wird und die 
Decodierung von H.265 in Hardware erledigt werden kann (Stichworte zum 
googeln wären VDPAU oder VAAPI) ist ein vergleichsweise alter Rechner 
(Dual-Core ab 2GHz) vollkommen ausreichend.

Alternativ für Decodierung in Software wird ein leistungsstarker 
aktueller Rechner benötigt, etwa Klasse "Intel i5 der dritten 
Generation" oder noch neuer. (Also grob jeder bessere Mittelklasse-PC ab 
2013 oder Mittelklasse-Notebook ab 2014)

Wenn künftig vielleicht doch der Empfang von verschlüsselten Sendern 
gewünscht ist (Thema bei Dir: Eurosport) dann benötigst Du zwingend eine 
DVB-T2 Karte mit CI+ Slot UND ZUSÄTZLICH eine CI+ Karte. Zusätzlich ab 
etwa Juli 2017 auch monatliche Gebühren zwischen 5 und 10 Euro für diese 
Karte.

Diese CI+ Karte wird in Deutschland ausschließlich von freenet 
vertrieben und kostet momentan 80 Euro. Erhältlich z.B.:
https://www.freenet.tv/geraete
https://www.amazon.de/dp/B01FK7WWSK
http://www.saturn.de/de/product/_freenet-tv-freenet-tv-dvb-t2-hd-ci-modul-2126603.html

Einer der Vorteile von DVB existiert künftig so NICHT mehr: Die einfache 
Aufnahme von Sendern, oder auch einfach nur das überspringen von 
Werbeblöcken bei verzögertem Ansehen von Sendern. Für mich war das sehr 
wichtig, auch wenn ich es in letzter Zeit kaum genutzt habe. Mit DVB-T2 
fällt das weg.

Ich bin mir sicher das meine  Mail nicht unbedingt das ist was Du 
eigenlich gerne gehört hättest.

Daher zum Trost doch noch ein Link zu einer DVB-T2 Karte die unter Linux 
einsetzbar ist und eine gpl-firmware hat, mit rund 500 Euro jedoch auch 
recht teuer ist:
http://www.netup.tv/de-DE/netup-universal-dual-dvb-ci

Neben dieser gibt es noch einige Karten von TurboSight 
(http://www.tbsdtv.com) die recht gut mit Linux laufen. Der Hersteller 
bemüht sich sehr um eine gute Unterstützung, jedoch gibt er die Firmware 
aufgrund von Lizenz-Issues nur als binary-blob heraus.

Einige Leute haben sich zusammengetan und veröffentlichen auch komplett 
offene Firmware, siehe https://github.com/ljalves/linux_media/wiki

Eine empfehlenswerte Karte von TurboSight wäre z.B. die TBS-6290 (ca. 
150 Euro) siehe https://www.tbs-technology.de/shop/PCIe-interne-TV-Karten_2

Eine andere gut funktionierende Möglichkeit ist die
DVBSky T982 PCIe, jedoch ohne CI, etwa 100 Euro.
https://www.linuxtv.org/wiki/index.php/DVBSky_T982
https://www.amazon.de/dp/B00FWR7HDO


Meine persönliche Meinung dazu: (Disclaimer)
Das folgende ist nur meine sehr persönliche Sichtweise, also 
ausdrücklich nicht objektiv. Und ich mag mit meiner Sichtweise sehr 
falsch liegen. Meine Sicht ist nicht auf alles und alle übertragbar, 
dessen bin ich mir bewusst.

Um DVB-T2 an einem beliebigen Rechner LIVE zu sehen benötige ich:

* starker Rechner (ca. 400-600 Euro)
* DVB-T2 Karte (ca. 140 Euro)
* CI+ Karte (ca. 80 Euro)
* Abo-Verpflichtung (mind. 60 Euro pro Jahr)

** Summe: ca 800 Euro einmalige, ca. 60 Euro laufende Kosten.

Um das auch unter Linux zu können benötige ich zusätzlich:

* Nichts: Die DVB-T2 Karte muss eben nur von Linux unterstützt werden.

In jedem Fall bekomme ich:
* Lizensierte Technik
* "Blackbox" in Form eines CI+ Moduls
* Einschränkungen in meiner Freiheit (Keine Aufnahme, kein Vorspulen)

Deshalb schrieb ich bereits in meiner ersten Mail das dieses Thema nur 
sehr bedingt direkt etwas mit Linux zu tun hat.

Ich persönlich setze Linux ja eben genau wegen den Freiheiten ein die es 
mir bietet. Das künftige DVB-T2 in Deutschland ist nicht mehr frei, im 
legalen Rahmen auch leider nicht mehr frei zu bekommen. Nur allein 
deshalb würde und werde ich es nicht nutzen. Schon gar nicht unter Linux.

Unabhängig von diesen "Freiheitsgedanken" rechnet sich die Nutzung von 
DVB-T2 für mich wirtschaftlich nicht, da es technisch gleichwertige 
Alternativen gibt die für mich günstiger zu haben sind.

Zwei Überlegungen dazu.

1.) "DVB-T2 Ja, aber seperater Empfänger"
Ein einfacher DVB-T2 Empfänger kostet momentan ca. 70 Euro, dort ist die 
CI+ Karte fest eingebaut und pvr über angeschlossenem USB-Stick möglich. 
Ein Beispiel dafür: "Xoro HRT 8730"
https://www.amazon.de/dp/B01MYU16LM
Zu weniger als dem Preis einer CI+ Karte bekomme ich so einen kompletten 
DVB-T2 Empfänger, der mir die gleichen Nachteile bietet wie eine 
Rechner-Selbstbaulösung, jedoch unabhängig vom Rechner nutzbar ist und 
einen wesentlich günstigeren Preis bietet.


2.) "Internet-TV"
Beispiele dafür sind https://magine.com, https://zattoo.com, 
https://www.amazon.de/gp/prime, https://www.netflix.com oder schlicht 
auch nur https://sourceforge.net/projects/zdfmediathk/

Das funktioniert für mich deshalb weil ich über eine relativ schnelle 
Netzanbindung verfüge bzw. weil gute Netzanbindung für mich sowieso 
Vorraussetzung für viele andere Dinge ist.

Deshalb nutze ich persönlich auch genau diese "Internet-TV" Lösung, mit 
verschiedenen Anbietern, Gesamtkosten momentan ca. 10 Euro pro Monat.

Gruß Lutz

Am 04.12.16 um 09:12 schrieb Juergen Rienaecker:
> Hallo
> Vielen Dank für die Information.
> Ich hoffe ja, daß die öffentlich rechtlichen Programme empfangbar sind
> und auch Eurosport.
> (Olympia wird ja großartiger Weise nicht mehr auf den öffentlich
> rechtlichen übertragen und Eurosport ignoriert ja Linux, denn der immer
> wieder beworbene Eurosportplayer läuft nicht auf Linux.
>
> Interessant ist, daß DVBT2 nicht gleich DVBT2 ist. Was ist denn HEVC
> (H.265)? Können das die bei Linux gängigen Player abspielen. DVBT
> liefert mit der Avermedia *.m2t Dateien, die der VLC-Player nicht mag,
> aber Kaffeine und Avidemux können es und mit Avidemux kann man sie auchj
> in *.mpg Dateien verwandeln.
>
> Bei der Geräteliste fehlen die TV-Karten. Muß man bei ihnen auch
> aufpassen, oder ist das dann eine Frage des Players, der das Format
> abspielen muß ?
> Bei
> http://www.idealo.de/preisvergleich/ProductCategory/3254F1655421.html
> findet man auch wieder die Avermedia sowie die mir namentlich bekannte
> Hauptauge. Die Avermedia ist aber billiger und ich habe mit ihr
> langjährige Erfahrungen. Ich würde aber wieder gerne die PCI-Karte
> beforzugen.
> Fernsehen am PC ist für mich hier das Zweitgerät und ich kann auch
> aufzeichen und mit Avidemux die Dateien auch schneiden, was bei
> Sportaufzeichnungen von Bedeutung ist.
>
> Gruß Jürgen Rienäcker
>
> Lutz Willek wrote:
>> Hi Juergen,
>>
>> ja, dvb-t ist inzwischen ein totes Pferd:
>>
>> http://www.berliner-zeitung.de/339458
>>
>> Am 29. März 2017 erfolgt der Wechsel auf DVB-T2.
>>
>> Nur um ganz sicher zu gehen: Du bisst Dir bewusst das mit Umstellung
>> nicht alle der bisherigen Programme frei empfangbar sind?
>>
>> http://www.maz-online.de/Brandenburg/Neue-TV-Gebuehr-fuer-70.000-Brandenburger
>>
>>
>> Ja, Du benötigst für dvb-t2 neue Technik. Die momentane Situation ist
>> jedoch alles andere als befriedigend, auch wenn man "Linux" bei dieser
>> Betrachtung erst einmal außen vor lässt.
>>
>> Siehe dazu auch die aktuelle Golem-Meldung:
>>
>> http://www.golem.de/news/digitales-fernsehen-verbraucherschuetzer-warnen-vor-falschen-dvb-t2-geraeten-1612-124846.html
>>
>>
>> Folgende Webseite ist die offizielle "Werbung":
>>
>> http://www.dvb-t2hd.de/
>>
>> Dort existiert auch eine "Geräteliste"
>> http://www.tv-plattform.de/de/dvb-t2-hd-geraeteliste
>>
>> Die deutschen Privatsender (z.B. RTL, SAT1) haben sich dazu
>> entschlossen über DVB-T2 ausgestrahlten Inhalte zu verschlüsseln.
>> Ein Empfang der privaten Sender am PC oder Notebook ist daher ohne
>> entsprechende Entschlüsselung meines Wissens nicht möglich.
>>
>> Daher kurz nachgefragt:
>>
>> Du möchtest künftig nur die öffentlichen Sender per dvb-t2 am
>> PC/Laptop empfangen? Oder alle Sender? (Also mit Decoder)
>>
>> Soll dies über eine Karte (also Steckplatz pcie) oder über eine Box
>> (also via USB) geschehen? Oder wäre das egal?
>>
>>
>> Gruß Lutz
>>
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