[pkl] Isolation von Kontexturen im wissenschfatlichen Prozess - Gedankenansätze (mit Fragendem Un terton im Hinterkopf)

walter-kothe at t-online.de walter-kothe at t-online.de
Mo Feb 18 05:10:59 CET 2013


Andere fassen Günther sehr viel praktischer auf. Anwendungsreif. 

	Siehe: http://zwischenrufe.org/forum/topic.php?id=1366 

	Es lohnt sich, diese Diskussion mal zu lesen und auszuwerten. 

	MshG 

	Walter  

	Von: Rajko Aust <therealpeanut at gmail.com> 

	An: Eberhard von Goldammer <vgo at xpertnet.de>, Polykontexturale Logik
(Gotthard Günther), Morphogrammatik, Kenogrammatik, ...
<pkl at mlists.in-berlin.de> 

	Betreff: Re: [pkl] Isolation von Kontexturen im wissenschfatlichen
Prozess - Gedankenansätze (mit Fragendem Un terton im Hinterkopf) 

	Datum: Wed, 06 Feb 2013 16:13:54 +0100 

	    Kurze ZwischenInfo: Ich bin jetzt mit der Rohübersetzung der
ersten beiden Teile des Archilles durch. Eine Vorabversion der
Anmerkungen würde mich auch interessieren, vielleicht hilft mir das
ja bei der Übersetzung des 3. Teils. Zwischenfazit: Auch wenn mir
bisher nicht klar ist, wie interstellare Entfernungen nun konkret
überwunden werden können, wird klar, wie das Zenonparadoxon, Cantors
Unendlichkeit, Newtons Infinitesimalrechnung und die (spezielle)
Relativitätstheorie zusammenhängen.  

 Am 24. Januar 2013 09:27 schrieb Eberhard von Goldammer
<vgo at xpertnet.de [1]>:
 Lieber Oliver, ich melde mich auf diese Problematik wenn ich etwas
weiter
 bin mit meinen Anmerkungen zu "Achilles and the Tortoise". Dann
kannst Du
 auch als Testleser fungieren.
 Viele Grüße
 Eberhard

 -----Ursprüngliche Nachricht-----
 Von: pkl [mailto:pkl-bounces at mlists.in-berlin.de [2]] Im Auftrag von
oliver
 Gesendet: Mittwoch, 23. Januar 2013 02:32
 An: PKL-Mailinglist
 Betreff: [pkl] Isolation von Kontexturen im wissenschfatlichen
Prozess -
 Gedankenansätze (mit Fragendem Unterton im Hinterkopf)

 Hallo,

 seit einer Weile geht mir folgende Thematik durch den Kopf:

 Heinz von Foerster formulierte mit
   "Objectivity is a subject's delusion that observing can be done
without
 them."

 eines der Grundprobleme der Wissenschaft.

 Und letztlich war dieses Thema ja die Grundthematik der Kybernetik
zweiter
 Ordnung (2nd order Cybernetics).

 In der Kybernetik zweiter Ordnung (die Kybernetik der Kybernetik)
wurde der
 Beobachter (aka Subjekt) als wichtiges Element des
Forschungsprozesses
 identifiziert.

 Im Gegensatz zum klassischen wissenschaftlichen Herangehen, wo der
 Beobachter, also das Subjekt / das Subjektive aus dem
wissenschaftlichen
 Prozess mithilfe geeigneter Forschungsmethoden au dem "objektiven"
Ergebnis
 entfernt wurde, um so sicherzustellen, daß die gewonnene Erkenntnis
 universell bzw. über-Subjektiv ist, geht die Kybernetik zweiter
Ordnung
 anders an das Problem heran: das Subjekt wird mit in die Beschreibung
der
 Untersuchung/Forschung hinein genommen, und die eigenen Grundlagen
der
 Aussage des Subjekts (Beobachters) über das Objekt
(Untersuchungsgegenstand)
 werden mit untersucht.

 So muss also nicht nur eine Aussage des Subjekts über das Objekt
vorgenommen
 werden, sondern die Ergebnisse der wissenschaftlichen Untersuchung
werden
 noch einmal daraufhin untersucht, in wie weit die Ergebnisse nicht
Aussage
 über das Objekt sind, sondern Artefakt des benutzen
Erkenntnisapparats, der
 diese Untersuchung durchführte.

 Mit anderen Worten: der Ansatz, das Subjekt aus der Untersuchung
heraus zu
 halten, um objektive Aussagen treffen zu können wird ersetzt durch
den
 Ansatz, das Subjekt, (das ja unweigerlich immer in der Formuliuerung
 wissenschaftlicher Aussagen auftritt, auch wenn es sich selbst dabei
heraus
 zu halten versucht) selbst mit zu untersuchen, und so den eigenen
Bias zu
 explizieren.

 Statt Verleugnen des eigenen Bias, der eigenen Perspektive, der
eigenen
 Subjektivität (individuell, kulturell, methodisch ...) wird also
versucht,
 die eigene Perspektive zu benennen, und daher wird - zumindest
prinzipiell -
 den Versuch unternommen, über den eigenen Erkenntnisfilter zu
reflektieren.

 Im Sinne einer Störgrößenaufschaltung könnte man sodann den Weg
gehen, den
 eigenen Bias, die perspektivische Verzerrung "herauszurechnen".

 Soweit so gut.

 Der Ansatz ist, so denke ich, erst einmal schon ein Fortschritt.

 Das Problem bei der Kybernetik zweiter Ordnung
(2nd-Order-Cybernetics) ist
 jedoch, daß man das grundlegende Problem nicht erkannt hat.

 Auch bei der 2nd Order Cybernetics (SOC) hat man das Schema der
antiken
 griechischen Philosphen übernommen, das die Welt in Subjekt und
Objekt
 einteilt.
 Darauf beruht die gesamte westliche Philosophie, darauf beruhen
Wissenschaft
 und auch Theologie.

 Hier das Subjekt, das in die Welt schaut, dort das Objekt der
Betrachtung,
 welches in der Welt ist.

 Was kann das Subjekt über die Welt (Objekt) aussagen?

 Das Grundthema der Erkenntnistheorie.

 Dieses duale Grundschema von Subjekt versus Objekt wurde also sowohl
in der
 Philosophie, wie auch der klassischen Wissenschaft vertreten und
benutzt. Es
 bildet die gesamte Grundlage.

 Die 2nd order Cybernetics hat zwar den Beobachter (also das Subjekt)
mit in
 die eigenen Betrachtungen hinein genommen, es also nicht mehr
 ge-/verleugnet.
 Dies war ein wichtiger Schritt.
 Jedoch wurde das grundschema hier das (einzelne) Subjekt, dort das
 (einzelne) Objekt nicht aufgelöst.
 Das war auch der Grund, wieso die Kybernetik zweiter Ordnung im
Solipsismus
 endete.

 OK, ok, Heinz von Foerster hat einen Kunstgriff angewendet, um dem
 Solipsismus zu entgehen.
 Nachzulesen in "Über das Konstruieren von Wirklichkeiten" (On
Constructing a
 Reality).

 Dies ist jedoch insofern ein Kunstgriff, als er dem Solipsismus IM
 NACHHINEIN entkommen will, indem er seine Argumentation - nach dem er
 bereits von seinem Ausgangspunkt startend, im Solipsismus endete -,
 aufweitete.

 Er kommt also, von seinem argumentativen Ausgangspunkt startend nicht
am
 Solipsismus vorbei, und schummelt sich um die Konsequenzen seiner
eigenen
 Argumentation herum.
 Man mag Heinz von Foerster wohlwollend zugute halten, dies sei halt
ein
 argumentativer Weg, erst in eine Richtung zu führen, und dann den
Fokus
 aufzuweiten, um etwas neues einzuführen. Aber ich denke, mit diesm
 Wohlwollen ist ihm unrecht getan; vielmehr sieht es mir nach Heinz
dem
 Magier aus, der mal eben Hütchen-spielen geht, falls er sich ins Aus
 gespielt hat.

 Der meines Erachtens sinnvollere Weg wäre gewesen, mehrere Subjekte
(Männer
 mit Hüten) nicht erst im nachhinein herbei zu zaubern, sondern solch
einen
 Ansatz von vornherein zu wählen.

 Gotthard Günther ist diesen Weg gegangen.
 Und statt Hütchenspielertricks hat man ein solides System von ihm
bekommen.

 Die solipsistische Konsequenz Herangehensweise zeigt sich als eine
 autistischen Rekursion: Das Errechnen der Realitäten im Kreiprozeß
(bzw.
 spiraligen Prozessen, oder auch chaotischen Ergebnissen von
Rekursionen).

 Solange man nur auf das Subjekt und das Objekt fokussiert bleibt,
dreht man
 sich im Kreise, und aus dem/jedem kreative Zirkel (Varela) wird ein
 Teufelskreis.

 Wissenschaft ist nicht die Leistung nur einzelner; es bedarf also
mindestens
 eines zweite Subjekts. Ohne Sprache keine Wissenschaft, aber ohne ein
 zweites Subjekt auch keine Sprache. Es bedarf also (real und in der
 erkenntnistheoretiscdhen Modellierung) mindestens zweier, besser n
Subjekte,
 um Wissenschaft auszuführen bzw. darzustellen.

 Erst dieses gemeinsame Wirken mehrerer Subjekte im prozess der
 wissenschaftlichen Erkenntnis kann die Leistung vollbringen,
 wissenschaftliche Sätze zu formulieren, die sich dann als wahr oder
falsch
 herausstellen.

 So frage ich mich halt seit einiger Zeit: bedarf es nicht der
 Polykontexturalen Logik Gotthard Günthers, um den wissenschaftlichen
 Erkenntnisprozess zu modellieren.
 Denn schliesslich ist es eine Sache, die klassische Aussagenlogik zu
 benutzen und wahre/falsche Aussagen zu ermitteln.
 Das ist dann letztlich "nur noch" Anwendung von Logik, und im
 Forschungsprozess das Abarbeiten von Fragestellungen, durchführen
von
 Messungen.

 Aber es bedarf doch der Subjekte (der wissenschaftlichen Forscher),
um einen
 logischen Ort (Kontextur?) so zu definieren (und letztlich von seiner
 Umgebung zu ISOLIEREN), daß dann im Nachhinein nur noch Boolsche
Algebra und
 ein paar ähnliche Ingredenzien benutzt werden brauchen, um
Ergebnisse
 wissenschaftlicher Art zu produzieren.

 Um also so "objektive" Ergebnisse zu produzieren, wie sie die
Wissenschaft
 heutzutage hervor bringt, müss allerlei Subjektivität (und
kreativität) im
 Spiel sein, um die Welt (in Form von Messaufbauten / Experimenten)
lokal so
 zu gestalten, daß sich solch isolierte Aussagen überhaupt
formulieren und
 testen lassen!

 Das heisst: durch die herangehensweise der "objektiven Wissenschaft",
welche
 das Subjekt VON VORNHEREIN aus dem Erkenntnisprozess hinweg definiert
hat,
 ist das Subjekt (Beobachter) vollkommen unkenntlich geworden.
 Das Subjekt ist verschwunden - nicht in der Realität, aber aus dem
Blick!

 Der blinde Fleck, von dem Heinz von Foerster sprach, ist hier das
Subjekt.

 Es ist aber nicht weg, nur nicht sichtbar.

 Es ist aber immer mit involviert.

 So kann man in Sionyi's Kulturgeschichte der Physik eine
Erwähnung/Vermutung
 finden, daß es wohl kein Zufall war, das gewisse Asymmetrien in der
 Quantenphysik von einem Asiaten entdeckt wurden, da diese mit ihrem
 Ying-Yang einen besseren Zugang hatten, als westliche Forscher mit
ihrem
 symmetrischen und linearen Denken.
 (In der Logik die Umtauschung von WAHR in FALSCH und FALSCH in WAHR,
 klassische Negation.)

 Kulturelle Einflüsse in der Forschung hatte ja auch schon P.K.
Feyerabend
 als Argumente angebracht.
 So sprach P.K. Feyerabend alten Mythologien durchaus eine
Aussagekraft zu,
 sah sie als alternative Weltmodelle als Gleichwertig mit der modernen
 Wissenschaft an.

 An dem Punkt mag ich ergänzen: Vorläufer: ja. Mit Sinngehalt: ja.
 Aber nicht gleichwertig, weil heutzutage von der ausdifferenzierteren
und
 auch formalisierten Wissenschaft längst abgehängt (wenngleich man
sagen
 darf: manch eine Erkenntnis wurde wohl auch leider mit entsorgt, die
 womöglich heute neu einzubringen wäre).

 Heutzutage also nicht mehr adäquat, in damaligen Zeiten aber als
 Medthode/Weltbild-der-Zeit womöglich up to date.

 Wissenschaft als n-subjekte-Prozess, bei dem Kommunikation und
 Multi-perspektivlichkeit hilfreich, nein, geradezu notwendig sind, um
 Erkenntnis voran zu bringen.

 So war der Ansatz, die Subjekte aus dem Forschungsprozess heraus zu
halten,
 und dies durchgeführt durch die vielen, über viele Länder
verteilten
 Forscher, ein Ansatz, die jeweils persönlichen, kulturellen
Einflüsse aus
 den Forschungsergebnissen heraus zu halten.
 Insofern war der Ansatz der klassischen Objektivität der kleinste
gemeinsame
 Nenner, den Wissenschaft brauchte, um allgemeingültig zu sein.

 Man konnte damit "die Welt" (das Objekt / die Objekte / die Objektive
Welt)
 erklären, aber eben nur auf diesem kleinsten gemeinsamen Nenner.

 Wenn es aber darum geht, das Denken / Subjektivität / Denkprozesse
zu
 erklären, dann bedeutet dies, den Blick auf das Subjekt zu richten.

 Gotthared Günther sagt dazu:

   "Der Schein entsteht, wenn ich über das Subjekt rede, denn ich
kann nicht
   anders über das Subjekt reden, als dass ich es als Gegenstand
nehme, das
   heißt, indem es Objekt für mich wird, und damit nicht mehr das
ist, was es
   ist. Das Reden, Urteilen über ein Subjekt verkehrt es in sein
Gegenteil."

 Da aber Wissenschaft selbst ein Prozess ist, der der Subjektivität
bedarf,
 muss Erkenntnistheorie auch die Subjekte mit HINEIN nehmen in die
 Un6tersuchung, und dies auch, wenn sie die Wissenschaft nicht ausser
acht
 lassen will, denn Wissenschaft ist ein soziales Unterfangen, und
 Gesellschaft bedarf der Subjekte.

 So kann dann in den Neurowissenschaften nicht einfach davon
ausgegangen
 werden, daß man Denken / Geist / Denkprozesse / Subjektivität
erkennen kann,
 wenn der Ansatz der ist, diese Subjektivität schon von vornherein
 auszuschliessen.

 Hier beisst sich die Katze in den Schwanz.

 Ganz konkret auf den wissenschaftlichen Prozess bezogen habe ich also
die
 Frage, ob man klassische Wissenschaft überhaupt noch guten gewissens
 betreiben kann, wenn man einmal an der PKL gerochen hat.

 Denn jegliches Schnipselchen "objektiver" Wissenschaftsaussage beradf
des
 Subjekts zur Formulierung.
 Da wir mit rekursiven Schleifen der 2nd Order Cybernetics nicht zu
Lösungen
 kommen, sondern uns im Kreis drehen, komme ich zu dem Ergebnis, daß
auch
 klassische Wissenschaft aus Sicht der PKL allmählich mehr in de
Licht gesehn
 werden muß, daß sie sich mehr und mehr den alten Mythen annähert,
auf die
 P.K. Feyerabend bezug nahm.

 Und so darf ich dann sagen: sehr wirksam, hat uns bis zum Mond
gebracht und
 noch weiter, aber blind gegenüber sich selbst und daher in zeiten
von
 Selbstreferenz (über das Denken nachdenken und auch dran herum
forschen)
 nicht mehr adäquat.

 Welche Fragen werden wie gestellt, welche Experimente wie designt,
damit man
 auf eine einzelne, isolierte Frage mit WAHR/FALSCH antworten kann?

 Soweit dazu.

 Ich hoffe, ich konnte vermitteln, was mir seit einiger Zeit zur PKL
und
 Wissenschaft so durch den Kopf geht.

 Ich hoffe, daß dies auch für andere leser der Liste irgendwie einen
Sinn
 macht, aber selbst wenn nicht, das musste mal gesagt werden ;-)

 Gruß,
    Oliver

 P.S.: Ich habe diese Mail in einem durch formuliert / geschrieben, es
kann
 also zu Dopplungen
       gekommen sein und das eine oder andere mag womöglich bei einer
 Überarbeitung knackiger
       formuliert hätte werden können.
       Aber ich wollte das mal so formulieren und hören, was an
Feedback dazu
 kommt.
       Eigentlich fällt es mir leichter, in Diskussionen auf den
Punkt zu
 kommen,
       statt "aus dem Nichts heraus" Aufsätze zu urknallen.
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