[pkl] Isolation von Kontexturen im wissenschfatlichen Prozess - Gedankenansätze (mit Fragendem Unterton im Hinterkopf)

Joachim Paul jpaul at xpertnet.de
Do Jan 24 09:03:51 CET 2013


Hallo zusammen
und herrje, wie gern würde ich mich jetzt daram beteiligen, habe aber 
gerade keine Zeit.
Nur soviel, der Joachim Castella hat es mir gegenüber in einem Satz mal 
auf den Punkt gebracht: der radikale Konstruktivismus ist im Prinip 
nichts weiter als der recycelte Kant, d.h. ein transzendentales Subjekt 
ist dort vorausgesetzt.

LG, Joachim Paul





Am 23.01.2013 22:52, schrieb Anatol Reibold:
> Hallo Oliver!
>
> Herzlichen Dank für Deine sehr interessante Gedanken. Ich erlaube mir
> weitere naiv zu spinnen. :-)
>
> Am 23. Januar 2013 02:31 schrieb oliver <oliver at first.in-berlin.de
> <mailto:oliver at first.in-berlin.de>>:
>
>     *Hallo,
>     * *
>     * *
>     seit einer Weile geht mir folgende Thematik durch den Kopf:
>     * *
>     Heinz von Foerster formulierte mit
>        "Objectivity is a subject's delusion that observing can be done
>     without them."
>     * *
>     eines der Grundprobleme der Wissenschaft.
>     * *
>     Und letztlich war dieses Thema ja die Grundthematik der Kybernetik
>     zweiter Ordnung
>     (2nd order Cybernetics).
>     * *
>     In der Kybernetik zweiter Ordnung (die Kybernetik der Kybernetik)
>     wurde der
>     Beobachter (aka Subjekt) als wichtiges Element des
>     Forschungsprozesses identifiziert.
>     *
>
>
> Was ich persönlich beim Günther und in der Kybernetik der zweiten
> Ordnung fein finde ist die dialektische Betrachtung der Objekt - Subjekt
> Möglichkeiten für einen Objekt.
>
> 1. Objekt oder Subjekt
> 2. Objekt-Subjekt-Relationen (möglicherweise mehrstellige)
> 3. Relationen höherer Ordnung
>
> Ob dies bei den radikalen Konstruktivisten so ist, kann ich nicht sagen.
>
>
>     *Im Gegensatz zum klassischen wissenschaftlichen Herangehen, wo der
>     Beobachter, also das Subjekt / das Subjektive aus dem
>     wissenschaftlichen Prozess mithilfe geeigneter Forschungsmethoden au
>     dem "objektiven" Ergebnis entfernt wurde, um so sicherzustellen, daß
>     die gewonnene Erkenntnis universell bzw. über-Subjektiv ist, geht
>     die Kybernetik zweiter Ordnung anders an das Problem heran: das
>     Subjekt wird mit in die Beschreibung der Untersuchung / Forschung
>     hinein genommen, und die eigenen Grundlagen der Aussage des Subjekts
>     (Beobachters) über das Objekt (Untersuchungsgegenstand) werden mit
>     untersucht.
>
>     So muss also nicht nur eine Aussage des Subjekts über das Objekt
>     vorgenommen werden, sondern die Ergebnisse der wissenschaftlichen
>     Untersuchung werden noch einmal daraufhin untersucht, in wie weit
>     die Ergebnisse nicht Aussage über das Objekt sind, sondern Artefakt
>     des benutzen Erkenntnisapparats, der diese Untersuchung durchführte.
>
>     Mit anderen Worten: der Ansatz, das Subjekt aus der Untersuchung
>     heraus zu halten, um objektive Aussagen treffen zu können wird
>     ersetzt durch den Ansatz, das Subjekt, (das ja unweigerlich immer in
>     der Formuliuerung wissenschaftlicher Aussagen auftritt, auch wenn es
>     sich selbst dabei heraus zu halten versucht) selbst mit zu
>     untersuchen, und so den eigenen Bias zu explizieren.*
>
>
> Das stimmt selbstverständlich. Man bedenke ferne auch so etwas wie
> Intersubjektivität zu betrachten. Dazu kommt noch, dass es in vielen
> empirischen Gebieten das Messen und die Untersuchung von etwas dies
> verändern kann. Ich denke vordergründig dabei an die Humanwissenschaten
> und an die Pädagogik. Zur Elemtarteilchenphysik möchte ich hier nichts
> schreiben. :-)
>
>
>     *Statt Verleugnen des eigenen Bias, der eigenen Perspektive, der
>     eigenen Subjektivität (individuell, kulturell, methodisch ...) wird
>     also versucht, die eigene Perspektive zu benennen, und daher wird -
>     zumindest prinzipiell - den Versuch unternommen, über den eigenen
>     Erkenntnisfilter zu reflektieren.*
>
>
> Mich fasziniert hier auch, dass es die Rahmenbedingungen für
> strukturiertes und transparentes Reflektieren geschaffen werden können.
> Eine poetische, emotionales, rhetorisch bedachtes und schön formuliertes
> Reflektieren gibt es schon langem.
>
>
>     *Im Sinne einer Störgrößenaufschaltung könnte man sodann den Weg gehen,
>     den eigenen Bias, die perspektivische Verzerrung "herauszurechnen".*
>
>
> Warum nicht? Ich denke auch dabei an die Schwarmintelligenz.
>
>
>     *Soweit so gut.
>
>     Der Ansatz ist, so denke ich, erst einmal schon ein Fortschritt.
>
>     Das Problem bei der Kybernetik zweiter Ordnung (2nd-Order-Cybernetics)
>     ist jedoch, daß man das grundlegende Problem nicht erkannt hat.
>
>     Auch bei der 2nd Order Cybernetics (SOC) hat man das Schema der
>     antiken griechischen Philosphen übernommen, das die Welt in Subjekt
>     und Objekt einteilt.
>     Darauf beruht die gesamte westliche Philosophie, darauf beruhen
>     Wissenschaft und auch Theologie.
>
>     Hier das Subjekt, das in die Welt schaut, dort das Objekt der
>     Betrachtung,
>     welches in der Welt ist.*
>
>
> So sehe ich auch. Ärgenzend möchte ich darauf hinweisen, dass es absolut
> unklar ist was man als Subjekt (wie auch immer der aufgefasst wird)
> betrachten kann und womit man Subjekte erkennen kann. Durch die
> Entscheidungsfähigkeit, durch die Fähigkeit zum Willen, durch die
> Urteilsfähigkeit, durch die Fähigkeit zum autonomen Verhalten ...? Kann
> man Gruppen von (subjektiven) Individuen (Betrieb, Organisation, Nation,
> Land ...) als ein Subjekt betrachten? Kann man z.B. Tiere und Gruppen
> von Tieren als Subjekt betrachten? Kann man eine Maschine, einen Roboter
> oder ein PC unter Umständen als Subjekt ansehen? Kann man die Ideen, die
> Strukturen und die Gedanken subjektivieren? Man kann doch über
> "Verortung" der Gedanken sprechen? Diese Fragen stelle ich mir immer und
> wieder, besonders wenn ich über theologischen Fragen nachdenke.
>
>     *Was kann das Subjekt über die Welt (Objekt) aussagen?
>
>     Das Grundthema der Erkenntnistheorie.
>
>     Dieses duale Grundschema von Subjekt versus Objekt wurde also
>     sowohl in der Philosophie, wie auch der klassischen Wissenschaft
>     vertreten
>     und benutzt. Es bildet die gesamte Grundlage.
>
>     Die 2nd order Cybernetics hat zwar den Beobachter (also das Subjekt)
>     mit in die eigenen Betrachtungen hinein genommen, es also nicht mehr
>     ge-/verleugnet.
>     Dies war ein wichtiger Schritt.
>     Jedoch wurde das grundschema hier das (einzelne) Subjekt, dort das
>     (einzelne) Objekt nicht aufgelöst.
>     Das war auch der Grund, wieso die Kybernetik zweiter Ordnung im
>     Solipsismus endete.
>
>     OK, ok, Heinz von Foerster hat einen Kunstgriff angewendet, um dem
>     Solipsismus zu entgehen.
>     Nachzulesen in "Über das Konstruieren von Wirklichkeiten" (On
>     Constructing a Reality).
>
>     Dies ist jedoch insofern ein Kunstgriff, als er dem Solipsismus IM
>     NACHHINEIN
>     entkommen will, indem er seine Argumentation - nach dem er bereits
>     von seinem Ausgangspunkt startend, im Solipsismus endete -, aufweitete.*
>
>     *Er kommt also, von seinem argumentativen Ausgangspunkt startend
>     nicht am Solipsismus vorbei, und schummelt sich um die Konsequenzen
>     seiner eigenen Argumentation herum.
>     Man mag Heinz von Foerster wohlwollend zugute halten, dies sei halt ein
>     argumentativer Weg, erst in eine Richtung zu führen, und dann den
>     Fokus aufzuweiten, um etwas neues einzuführen. Aber ich denke, mit
>     diesm Wohlwollen ist ihm unrecht getan; vielmehr sieht es mir nach
>     Heinz dem Magier aus, der mal eben Hütchen-spielen geht, falls er
>     sich ins Aus gespielt hat.*
>
> Den Eindruck habe ich auch. Das ist der Grund weshalb mich der Radikale
> Konstruktivismus kalt lässt. Solipsismus das ist eine treffende
> Bezeichnung. !!!
>
>     *Der meines Erachtens sinnvollere Weg wäre gewesen, mehrere Subjekte
>     (Männer mit Hüten) nicht erst im nachhinein herbei zu zaubern,
>     sondern solch einen Ansatz von vornherein zu wählen.
>
>     Gotthard Günther ist diesen Weg gegangen.
>     Und statt Hütchenspielertricks hat man ein solides System von ihm
>     bekommen.
>
>     Die solipsistische Konsequenz Herangehensweise zeigt sich als eine
>     autistischen Rekursion: Das Errechnen der Realitäten im Kreiprozeß
>     (bzw. spiraligen Prozessen, oder auch chaotischen Ergebnissen von
>     Rekursionen).
>
>     Solange man nur auf das Subjekt und das Objekt fokussiert bleibt,
>     dreht man sich im Kreise, und aus dem/jedem kreative Zirkel (Varela)
>     wird ein Teufelskreis.
>     *
>
>     *Wissenschaft ist nicht die Leistung nur einzelner; es bedarf also
>     mindestens
>     eines zweite Subjekts. Ohne Sprache keine Wissenschaft, aber ohne
>     ein zweites
>     Subjekt auch keine Sprache. Es bedarf also (real und in der
>     erkenntnistheoretiscdhen Modellierung) mindestens zweier, besser n
>     Subjekte, um Wissenschaft auszuführen bzw. darzustellen.*
>
> Ich würde sagen mindestens dreier! Wie wird es geschrieben "Vom Dialog
> zum Polylog"! :-) Es muss ein Subjekt sein, der Relationen (oder
> Interaktion) unterschiedlichen Subjekten reflektiert.
>
>     *Erst dieses gemeinsame Wirken mehrerer Subjekte im prozess der
>     wissenschaftlichen Erkenntnis kann die Leistung vollbringen,
>     wissenschaftliche Sätze zu formulieren, die sich dann als wahr oder
>     falsch herausstellen.*
>
> Ich würde noch modale Operatoren und die Möglichkeit "Eine Aussage ist
> wahrer als andere" zufügen.
>
> Über Rest Deines Briefes muss ich noch genauer nachdenken. Ich kann nur
> in Vorraus sagen, dass für mich besondere Hoffnungen in Richtung Asien
> nicht nachvollziehbar sind. Das jedoch später.
>
> Beste Grüße nach Berlin,
> Anatol
>
>
>
>
> E-Mail ist virenfrei.
> Von AVG überprüft - www.avg.de <http://www.avg.de>
> Version: 2013.0.2890 / Virendatenbank: 2639/6044 - Ausgabedatum: 19.01.2013
>


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Dr. Joachim Paul
Hrsg.: http://www.vordenker.de
ISSN 1619-9324
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