[linux-l] Re: Tastatur-&Mausbedienung

Volker Grabsch vog at notjusthosting.com
Mo Dez 18 13:04:53 CET 2006


On Thu, Dec 14, 2006 at 08:52:12PM +0100, Norman Steinbach wrote:
> >(BTW, eigentlich cool das die Maus da funktioniert; also technisch,
> >nicht dass es IMHO viel Sinn machen würde)
> Die Maus ist IMHO das ungenaueste Eingabegerät, was es gibt, denn man 
> hat im GUI-Mode zu viele Eingabemöglichkeiten, bei einer 
> Bildschirmauflösung von 1024*768 und 3 Maustasten folglich 
> 1024*768*3=2.359.296 Möglichkeiten, im Text-Modus immernoch so viele wie 
> Zeilen mal Spalten mal Maustasten - also eigentlich, technisch gesehen, 
> eine absolut überflüssige Erfindung.

Nein, das stimmt nicht. Im Gegenteil, eine gute Maus kann sogar
pixelgenau gesteuert werden. Das ist äußerst sinnvoll (aber nicht nur),
wenn es um graphische Dinge geht. Schau dir z.B. mal Bildbearbeitung
an ... 2D (Gimp), aber vorallem 3D (blender). Da brauchst du eine Hand
an der Maus und eine an der Tastatur:

* Tastatur für Kommandos (diskrete Eingabewerte)
* Maus für Position, Winkel, etc. (kontinuierliche Eingabewerte)

Ditto auch für Egoschooter & Co. Oder schau dir CAD-Programme an.
Jedes Werkzeug (Tastatur, Maus) für seinen Zweck.

Es gibt übrigens noch etwas drittes: Zahlenwerte, die man hochzählen
muss, oder Zeilen die man scrollen muss. Dafür sind Tastatur und Maus
beide ungünstig. Das macht dann das Mausrad.

Eine ähnliche Konstruktion wie das Mausrad findet man übrigens in
allen modernen Keyboards (ich meine das Musik-Instrument). Dort hat
man viele Tasten (Klavier- und Funktionstasten), aber dennoch ein
Scroll-Rad (technisch ähnlich dem Mausrad), um flink durch die vielen
Instrumente, Einstellungen, etc. zu scrollen. Bedient sich wunderbar.
Cursortasten sind dagegen ein Witz - grauenvoll umständlich.

> Leider, leider, werden sogar unter 
> Linux-GUIs - mehr noch natürlich unter Windows - immer mehr Programme 
> mit Funktionen ausgestattet, die entweder nur teilweise oder gleich ganz 
> und garnicht mit der Tastatur bedienbar sind

Das ist natürlich doof. Aber spricht nicht gegen die Maus. Ein
Taschenmesser ist ja auch nicht wertlos, bloß weil du damit keine
Bäume fällen kannst. Und eine Axt ist auch nicht wertlos, bloß weil
zu damit keine vernünftigen Holzschnitzerein machen kannst.
(Ja, das ist eine Hommage an Olaf R.  ;-))


Außerdem sind Mäuse für Menüs auch nicht immer blöd.

Also, in der Form wie man die Aufklapp-Menüs heutzutage kennt, wird
die Maus natürlich arg missbraucht und das ist grässlich. Keine Frage.
Dennoch kenne ich 3 Dinge, in denen die Maus zur Menüführung berechtigt
ist:


1. Kleine Menüs, gut erreichbar
===============================

Aber man kann es auch vernünftig machen. Zum Beispiel gab es mal eine
Studie (die wurde AFAIR vom Plan9-Projekt zitiert), in der ein Editor
bedient wurde. Text wurde per Tastatur eingegeben. Die Funktionen wurden
bei den einen mit Tastatur und bei den anderen mit Maus ausgewählt.

Man muss dazu sagen, dass die "Funktionen" nur das Nötigste waren, und
dass sie in breiten Balken am Bildschirmrand angeordnet waren. Kurz: wie
waren übersichtlich angeordnet und leicht erreichbar, kein nerviges auf
10 Pixel genaues Positionieren war nötig.

Baut man das Menü ordentlich, so waren die Maus-Leute viel schneller in
ihrer Reaktionszeit. Die "gefühlte" Reaktionszeit war aber interessanter-
weise andersherum: An der Tastatur fühlten sich die Leute produktiver.

Wir Menschen sind für's Visuelle gebaut. Einen Begriff auf dem
Bildschirm zu fokussieren und anzuklicken ist für uns keine geistige
Anstrengung, das packen wir unterbewusst. Das Wegnehmen der Hand zur
Maus geschah bei den Leuten schon kurz bevor es ihnen bewusst war, dass
sie jetzt z.B. speichern wollen oder ähnliches.

Sich an die richtige Tastenkombination zu erinnern und sie zu drücken
erfordert offenbar mehr geistige Arbeit und dauert messbar länger.
Dennoch fühlen wir uns an der Tastatur "aktiver", aber in Wirklichkeit
sind wir nur stärker "beschäftigt".

Dieses Thema wurde AFAIR aber schon vor ein paar Monaten in dieser Liste
ausführlich diskutiert. Voraussetzung ist wiegesagt eine mausfreundliche
GUI, keine 'zigmal verschachtelten mikrigen Menüs.

Bei den derzeitigen GUIs ist man mit der Tastatur also schneller, aber
bei *guten* GUIs hat auch die Maus ihre Vorzüge.

Bei 3D-Programmen etc. ist es natürlich umgekehrt, denn da sitzen die
Finger ja schon an den richtigen Tasten, und ein Bewegen der Maus weg
vom Objekt hin zum Menü wäre ein Umweg. Daher würde ich sagen, diese
Programme sind durch ihre Benutzung "eine Hand an der Tastatur, die
andere an der Maus" viel besser aufgehoben. Programmierer und andere
Textschreiber, wiegesagt, könnten Tipp-Produktivität rausholen, wenn
die Editoren mausfreundlicher wären.


2. Eingeschränkter Mauspfeil
============================

Aus uralten graphischen DOS-Programmen kenne ich noch eine andere Art
der Menüführung: Man klappt ein Menü auf, aber der Mauspfeil wird dann
"festgehalten". Seine X-Koordinate ist fest. Seine Höhe kann man noch
bewegen. Landet man unten, bleibt die Maus beim unteren Eintrag stehen,
bis man sie wieder hochbewegt. Selbiges beim Erreichen des oberen
Menüeintrages.

Das heißt, man konnte den Mauspfeil horizontal gar nicht bewegen, und
vertikal nicht das Menü verlassen. (Abbruch durch Escape oder rechte
Maustaste)  Die Maus wurde quasi zu einem Mausrad "degradiert". Nur,
dass es damals noch kein Mausrad gab.

Das war sehr intelligent gemacht. Der Benutzer konnte nicht ausversehen
mit der Maus aus dem Menü "wegrutschen", wie es einem in OpenOffice und
Gimp ständig passiert, selbst geübten Maus-Schubsern.


3. Maus-Gestiken
================

Ich habe Maus-Gestiken zuerst in Blender gesehen, später auch in Opera.
Man drückt die Maustaste, schiebt mit dem Mauspfeil einen Kreis, ein V,
oder was auch immer, und lässt die Maustaste los. Schon wird Skalierung,
Verschiebung, Fenster schließen, oder was auch immer erreicht.

Das ist weniger effizient als die Hand an der Tastatur. Aber um Längen
besser als jedes Kontextmenü oder Aufklapp-Menü am Rand. Ich persönlich
benutze aber keine Maus-Gestiken, und Anfänger werden leicht davon
verwirrt (von Tastenkürzeln aber ebenfalls ;-)). Wie gut oder schlecht
sie sind, kann ich daher nicht einschätzen. Studien sind mir auch nicht
bekannt.



Es gibt also schonmal mind. 3 Möglichkeiten, eine *gute* Menüführung per
Maus hinzukriegen, die in einigen Anwendungen den Tastenkürzeln sogar
überlegen ist.


> obwohl man bei 
> einem gut mit der Tastatur bedienbaren Programm *immer* schneller ist, 
> wenn man sich die (oft standardisierten, z.B. Alt+Enter für 
> Eigenschaften beliebiger Objekte, Alt-F4 zum schließen jeder Form etc.) 
> Shortcuts aneignet!

Man ist nicht immer schneller. Vorallem nicht bei "seltener"
benutzen Funktionen (also nicht speichern oder schließen). Bei den
heutigen mausfeindlichen Menüs jedoch: Ja, da ist man per Tastatur
immer schneller. Grundsätzlich gegen die Maus spricht das wiegesagt
aber nicht.


Halten wir also fest: Heutige GUIs sind weder mit Tastatur noch mit Maus
gut zu bedienen. Einige Ausnahmen sind wenigstens per Tastatur gut
bedienbar. Aber es geht auch anders: tastatur- und maus-freundlich.

Schon damals zu DOS-Zeiten von kreativen Programmierern vorgemacht,
heutzutage leider in Vergessenheit geraten.


Viele Grüße,

    Volker

-- 
Volker Grabsch
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