[linux-l] [OT] KDV

Volker Grabsch vog at notjusthosting.com
Do Jun 15 11:51:32 CEST 2006


On Wed, Jun 14, 2006 at 11:46:00PM +0200, Steffen Dettmer wrote:
> "In einer Demokratie sollte jeder ein Recht auf Selbstbestimmung
> haben.". Es gibt Grenzen. Zum Beispiel sollte ein Terrorist nicht selbst
> bestimmen dürfen, sich in die Luft zu sprengen (und dabei Schaden
> anzurichten, und sei es ein Waldbrand).

Ja, natürlich, deine eigene Freiheit hört dort auf, wo die Freiheit
des nächsten beginnt. Genauso (mit etwas anderen Worten) steht's auch
im GG.

Dass sich jemand nicht in die Luft sprengen darf, liegt in erster
Linie daran, dass er damit auch andere schädigt. Ob aber Selbstmord an
sich nun legitim ist oder nicht, ist eine ewige ethische Debatte.

> In Deutschland hat man die Wehrpflicht. Punkt. Es gibt nur einige
> Ausnahmen, da, wie Du ja richtig gesagt hast, andere Grundsätze schwerer
> wiegen. Dabei geht es nicht um persönliche Freiheit. Die ist beschränkt.
> Beispielsweise sind Gesetze grundsätzlich erstmal bindend.

Nein, das GG ist stärker bindend. Gegen die anderen "normalen" Gesetze
kann und darf man sich auch wehren. (Unter anderem) deshalb haben wir
Gerichtsverfahren, und keine Entscheidungs-Automaten. Ein Gerichtsverfahren
in höchster Instanz (BVerG) kann auch die Ungültigkeit bestehender Gesetze
attestieren.

Sagte ich höchste Instanz? Okay, es gibt noch den europäischen
Gerichtshof, aber der kann keine Gesetze für ungültig erklären, sondern
nur deren schlimmsten Auswirkungen verhindern.

> Man hat also nicht das Recht, den Dienst zu verweigern.

... sondern nur das Recht, den Kriegs-Dienst zu verweigern.

> Man hat nur das
> Recht, frei Religion auszuüben. Unter gewissen Umständen kann man daher
> von der Pflicht befreit werden.

Nein, bitte schau dir das KDVG nochmal an. Eine Verweigerung des Kriegs-
dienstes gründet sich (sinnvollerweise!) in erster Linie auf das Gewissen,
nicht auf die Religion.

Auch das entsprechende GG heißt "Gewissens-, Glaubens- und Bekenntnis-
freiheit".

BTW, diese "gewissen Umstände" sind keine kleinen Ausnahmen, sondern
einfach eine Alternative. Menschen mit Gewissensproblemen, vorallem
bei anstehenden Kriegen, gab es immer in jeder Kultur und in jeder
Religion, und es sind gar nicht mal so wenige. Hierzulande werden sie
anerkannt, was auch direkt aus dem o.g. GG folgt.

BTW2, warum zu diesen "gewissen Umständen" ein zweites X-Chromosom
zählt, ist mir hingegen nicht so ganz klar.  ;-)

> Menschenwürde? Ist es unter Deiner Würde, mit Waffengewalt Zivilisten
> vor Mord zu schützen? Die Würde eines Soldaten ist in Deutschland
> gewahrt.

Nein, nicht unbedingt. Befehle entgegen zu nehmen, mit denen ich andere
töten kann, das *ist* unter meiner Würde. Sicher, als Soldat kann man
auch den Gehorsam verweigern, aber man braucht dann *sehr* triftige
Gründe .. diesen ganzen Ärger kann man sich aber zum Glück im voraus
ersparen, indem man gleich verweigert und den Ersatzdienst leistet.

> Freiheit der Persönlichen Entfaltung? Quatsch, der Entfaltung sind enge
> Grenzen gesetzt, beispielsweise, wenn andere geschädigt oder nicht
> geschützt werden (unterlassene Hilfeleistung, KDV, andere).

Die Grenzen sind genau dort gesteckt, wo die Freiheit anderer beginnt.
Ich finde, weiter kann man sie gar nicht stecken.

> Wenn jemand unter Tränen zum KWEA kommt, weil er den Gewissenskonflikt
> zwischen seiner Bürgerpflicht und seiner höher stehenden religiösen
> Verpflichtung nicht lösen kann, und bereit ist, massive Nachteile in
> Kauf zu nehmen, um dieser Pflicht entgehen zu können, die ihm die
> Religion nicht erlaubt und er lieber die doppelte Zeit Essen ausfährt
> und dies gern tut, da er Gutes tut statt Gutes zu schützen, DANN hat man
> möglicherweise einen Fall wo KDV gerechtfertigt scheint.

Es geht nicht nur um religiöse Verpflichtungen. Im Gegenteil, wenn
jemand nur stur seinen Taditionen folgt, ohne wirklich hinter ihnen
zu stehen, kann es sogar sein, dass der Antrag abgelehnt wird.
(aber keiner wird so blöd sein, und genau das in seine Begründung
zu schreiben ... "mein Vater, mein Onkel, meine Großväter, und meine
Urgroßväter haben den Krigesdienst verweigert, also scheint das keine
schlechte Idee zu sein. Ich will deshalb auch verweigern"  ;-))

Es geht um das Gewissen. Auch nicht-religiöse Menschen haben ein
Gewissen. Und das äußert sich bei den Menschen unterschiedlich. Und
nicht jeder bricht deshalb gleich in Tränen aus.

> Viele Zivis sind aber gar nicht religiös, sondern faul. Das Problem ist
> natürlich, dass es darunter ein paar Ausnahmen gibt, aber die gehen wohl
> in der faulen Masse unter. Ich mein, wir haben (glaub ich) 10 mal mehr
> KDV als Kirchensteuerzahler... Na gut, heisst natürlich nix.

Weil es nicht in erster Linie auf die Religion ankommt. Es wäre auch
eine ziemlich ungerechte Bevorzugung, wenn man Cristen erlauben würde,
ihrem Gewissen (in Sachen KDV) zu folgen, es aber Atheisten verweigert.

> Totalverweigern? Wie denn dass nun? Da bekommt man die Gelegenheit, ein
> Jahr der Allgemeinheit dienen zu dürfen - wie könnte man das verweigern?
> Es gibt im GG eigentlich nur wenige wirkliche Pflichten. Sich dieser zu
> verweigern und gleichzeitig mit BürgerRECHTEN zu argumentieren, obwohl
> man nichtmal die BürgerPLICHTEN erfüllt, kann doch nicht richtig sein!

Full Ack. Im ursprünglichen Posting ging es aber um die Verweigerung des
Kriegsdienstes, nicht des Zivildienstes.


Viele Grüße,

    Volker

-- 
Volker Grabsch
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