[linux-l] GPL ist nicht Public Domain

Steffen Dettmer steffen at dett.de
Sa Nov 25 13:14:54 CET 2006


* olafBuddenhagen at gmx.net wrote on Fri, Nov 24, 2006 at 09:55 +0100:
> Hallo,
> 
> On Fri, Nov 24, 2006 at 02:31:30AM +0100, Steffen Dettmer wrote:
> > * olafBuddenhagen at gmx.net wrote on Sun, Nov 19, 2006 at 22:52 +0100:
> 
> > > > Überhaupt kann ein Entwickler *seine* Software sowohl unter der
> > > > GPL anbieten als auch verkaufen usw.
> > > 
> > > Wie gesagt, es geht nicht um den ursprünglichen Entwickler, sondern
> > > um Weiterentwicklung.
> > 
> > Der Weiterentwickelnde hat an "seinen Teilen" Rechte. Er muss
> > erlauben, dass Gesammtwerk unter GPL zu lizensieren,
> 
> ...was er aber implizit tut, sobald er eine modifizierte Version
> weitergibt.

Implizit? Es muss es explizit machen; er kann es nicht über eine
BSD-Lizenz veröffentlichen (soweit mein Verständnis).

> > Geht auch für Erweiterungen (solange die unter der GPL lizensierbar
> > sind, darf er sie verkaufen). soweit jedenfalls mein Verständnis.
> 
> Kann sein dass ich Dich hier missverstanden habe: Ich dachte du meinst
> dass der ursprüngliche Entwickler seine Software, trotz
> GPL-Veröffentlichung, außerdem auch unter einer proprietären Lizenz
> anbieten darf. (Was allerdings bei Weiterentwicklungen *nicht* der Fall
> ist, da der Weiterentwickler ja nicht das Copyright an der gesammten
> Software besitzt!)

Natürlich darf er seine Änderungen/Erweiterungen auch anders anbieten,
natürlich! Beispielsweise könnte er einen Patch verkaufen. Fragt sich
natürlich, ob das jemand kauft, weil das ja auch unter der GPL zu
bekommen ist, aber er /darf/ er versuchen. Das gilt natürlich nur für
seine Teile, nicht für die anderen, klar.

> Wenn Du tatsächlich das Verkaufen von Software direkt unter der GPL
> meinst, ist das natürlich was Anderes. Das darf wiederum jeder, nicht
> nur der Entwickler. Funktioniert natürlich nur solange, bis sich jemand
> findet, der die Software erhalten hat und von seinem GPL-garantierten
> Recht gebrauch macht, sie kostenlos weiterzugeben...

Meines Verständnisses nach geht das nicht. Man kann sich die
Dienstleistung bezahlen lassen, nicht aber die Software:

  You may charge a fee for the physical act of transferring a copy, and
  you may at your option offer warranty protection in exchange for a fee.

  [...]
  Accompany it with a written offer, valid for at least three years, to
  give any third party, for a charge no more than your cost of physically
  performing source distribution [...]

"Verkaufen von Software" ist meines Verständnisses nach werder einer
Kopiergebühr noch überhaupt möglich, da man nur verkaufen darf, was
einem gehört - und das ist bei fremder Software ja nicht der Fall. Es
sei natürlich denn, man hat sie nicht unter der GPL erworben sondern
gekauft, dann kann man die natürlich verkaufen und die GPL spielt keine
Rolle - ausser, dass jeder Kunde auch die GPL verwenden darf und sich
den Kram kostenlos saugen kann :)

> Wenn man eine Weiterentwicklung für einen Kunden macht, ist das
> interessant, da man ihm dann die Erstlizenz verkauft, und er kann dann
> weiterverkaufen oder auch kostenlos weitergeben, wenn er mag... Wobei
> hier auch Vertragsrecht ins Spiel kommt, was die Sache ziemlich haarig
> macht.

Kommt drauf an, wie man die "Weiterentwicklung" gestaltet. Das meinte
ich ja. Man kann die Sourcen nehmen, ggf. etwas ändern, alles unter GPL,
und einen lib bauen. Punkt 1, GPL. Dann macht man etwas "Neues", was die
lib benutzt und erweitert. Punkt 2, kann propritär sein. Die geänderte
Punkt 1 Lib ist natürlich GPL.

In der Praxis kann man dann die Software, die Punkt 2 (und damit 1)
benutzt, so gestalten, dass die ohne 2 nicht läuft (z.B. weil ne
Funktion fehlt und es einfach nicht linkt :-)). Die kann man dann auch
verkaufen etc.

Ist ja auch üblich: man setzt auf glibc auf, hat aber eine propritäre
Software. Ob man nun noch was dazwischen hat, was propritär ist oder
nicht und evtl. von einem Dritten stammt, ist mehr oder weniger das
gleiche, finde ich.

> > > > Vielleicht wäre "unkomerizialisierbare Software" ein passender
> > > > Ausdruck für GPL?
> > > 
> > > Quatsch. Schau Dir die Umsätze und Gewinne von RedHat an, und dann
> > > überleg nochmal, ob GPL-Software nicht kommerziallisierbar ist...
> > 
> > Die verdienen ja nicht mit GPL-Software-Lizenzen Geld. Ein Verlag, der
> > Göthe druckt, kann ja auch prima Geld verdienen, aber nicht mit dem
> > Göthewerk an sich.
> 
> Man kann sich trefflich streiten, ob man beim Verbreiten von freier
> Software/freien Inhalten, Geld mit den Inhalten an sich verdient... So
> oder so ist es eine kommerzielle Handlung auf Basis der Software, d.h.
> man hat sie kommerziallisiert.

Das ist albern... Hier geht es um Kopiergebühren vs. Lizenzgebüren.
Verkauf ist noch krasser, weil es noch mehr Rechte überträgt
(beispielsweise kann ich so verkaufen, dass ich es nicht nochmal
verkaufen kann, ist bei Spezialsoftware ja auch üblich).

Natürlich kann ich mit einem Linuxsystem und GIMP ein Bild malen und das
dann verkaufen. Damit habe ich aber doch Linux nicht kommerzialisiert.

> Übrigens hinkt der Vergleich mit Goethe, da die Werke Public Domain
> sind, nicht Copyleft. Wer Goethe-Werke abdruckt, erhält ein (ich glaube
> 50-Jähriges) Copyright auf die Reproduktion, d.h. man darf das Buch
> nicht kopieren, selbst wenn der Eigentliche Inhalt frei ist. Das geht
> mit GPL-Software nicht.

Doch, natürlich, es ist genau so. Drucke ich den Linuxquelltext hübsch
formatiert in ein Buch, hab ich natürlich die Rechte an der hübschen
Formatierung und auf die Seitenzahlen, dass heisst man darf es nicht
fotokopieren. Man darf aber den Quelltext draus wortwörtlich
abschreiben, wie auch bei Göthe. Das darf man bei neueren Büchern aber
nicht, weil der Inhalt selbst noch geschützt ist. Ist ein
Riesenunterschied. Neue darf ich nichtmal abschreiben!

> > > Ich fürchte Du verwechselst da was. Es geht um frei oder proprietär.
> > > Mit kommerziell oder nicht hat die GPL hingegen nicht das Geringste
> > > zu tun.
> > 
> > proprietär ist hier ein gaaanz blödes Wort, finde ich. Eigentlich
> > heisst es "eigen~",
> 
> Eben, proprietäre Software is welche, bei der sich der Urheber die
> Eigentumsrechte vorbehält -- im Gegensatz zu freier, bei der sie durch
> die Lizenz abgetreten werden. Sehe hier kein Problem. 

Die GPL tritt ja eben nicht die Eigentumsrechte ab - sie macht etliche
Einschränkungen. Es werden nur ganz bestimmte Nutzungsrechte erlaubt.

> Übrigens ist mir kein Fall bekannt, dass ein Jurist diese Bezeichnung
> beanstandet hat...

Klar, Juristen haben ja auch nix mit Logik zu tun :-)

> Aber wenn Du Dich so daran störst, nenn es von mir aus unfrei. Ändert
> nichts an der Tatsache, dass frei<->unfrei herzlich wenig zu tun hat
> mit kommerziell<->nichtkommerziell.

GPL ist auch "unfrei", weil ich viele Freiheiten nicht habe und
praktisch auch nicht erwerben kann (ich kann zum Beispiel praktisch kein
Linux kaufen, weil ich dazu soooo viele Eigentümer anschreiben müsste
und es bestimmt anonyme Teile gibt etc, das es praktisch unmöglich ist -
und das finde ich gut).

Die Idee von GPL ist meines Verständnisses nach nicht, so viel wie
möglich Rechte abzugeben (BSD gibt mehr ab). Es gibt immer das Recht, es
zu distributieren, den Sourcecode zu bekommen und ihn zu ändern. Dafür
gibts Beschränkungen (um dies zu sichern). Wenn etwas "frei" wäre,
könnte ich es ändern und meinem Lizenznehmer das Recht verwehren, es zu
ändern. Ist hier aber nicht der Fall. Meiner Meinung nach führt das
dazu, dass man die Software an sich damit nicht kommerziell machen kann.
Kommerz ist motiviert von wirtschaftlicher Gewinnerziehlung - und das
verbietet die GPL. Eigentlich genau das. Ein Ziel der GPL ist die
Verbreitung einer kostenfreien (nicht gewinnorientierten) Wissensbasis.

> Wie gesagt, eine freie Lizenz muss Kommerziallisierung zulassen; und
> das tut die GPL sehr wohl. Das ist ein sehr wichtiger Aspekt -- sonst
> dürfte Lehmann's beispielsweise keine Debian-CDs verkaufen.

Siehe oben. Lehmann's verdient nichts an der Software selbst, die kann
ich mir sonstwo billiger besorgen, sondern verkauft eine
Kopierdienstleistung, evtl. eine Zusammenstellung (die gesonders
geschützt ist, auch ein Gedichtband mit alten Gedichten darf nicht
komplett abgeschrieben werden, weil die Zusammenstellung an sich
geschützt ist) und evtl. ein Handbuch. Aber keine Linux-Software.

oki,

Steffen

-- 
Dieses Schreiben wurde maschinell erstellt,
es trägt daher weder Unterschrift noch Siegel.





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