[linux-l] GPL ist nicht Public Domain

Steffen Dettmer steffen at dett.de
Mo Nov 27 22:32:14 CET 2006


* Volker Grabsch wrote on Sun, Nov 26, 2006 at 21:42 +0100:
> Ich sagte, wenn mir *nur* andere Dinge vorenthalten werden, und keine
> Freiheitsrechte, dann ist es freie Software.
> 
> Der IE ist also nicht frei, weil M$ mir Freiheitsrechte (z.B. Zugang zum
> Quellcode) verwehrt.

Stimmt doch gar nicht, es sind nur andere Bedingungen dran geknüpft, als
bei GPL-Software. Natürlich kannst Du den IE Quellcode bekommen. Also,
vielleicht wird es für Dich persönlich schwer und teuer, aber das heisst
ja nichts (ein Mercdes ist ja auch teuer, aber "jeder kann ihn kaufen").

Bei MS unterzeichnest Du ein NDA und gewisse kommerzielle Punkte spielen
eine Rolle, bei GPL musst Du der GPL folgen (und die gewissen
kommerziellen Punkte spielen keine Rolle).

> > Ich kann proprietäre Software komplett kaufen und dauerhaft nutzen, weil
> > sie mir ja gehört.
> 
> Das kannst du grundsätzlich auch bei freier Software. Darum geht es in
> der GPL doch *überhaupt nicht*.

Nein, Du kannst "Linux" nicht "kaufen". Das geht nicht. Du kannst aber
IE kaufen (jedenfalls theoretisch).

> Das ist ein reines Problem mit "einem Autor <-> viele Autoren".

Nein, ist es nicht, weil man die GPL nicht "zurückziehen" kann.
Höchstens für neuere Versionen (unter bestimmten Umständen etc) und dann
bleibt die alte verfügbar. Das ist im "Schatz der Allgemeinheit" dann
drin und ist da nicht mehr rauszukriegen. Das ist bei kommerziellen
Produkten grundsätzlich anders. Die kann man z.B. abschaffen (exklusiv
Rechte kaufen, aber nicht lizensieren z.B., was ja auch schon
vorgekommen ist).

> > > Du sagst, es geht um eine nicht gewinnorientierten Wissensbasis.  Ich
> > > sage, es geht um eine für jedermann dauerhaft nutzbare Wissensbasis.
> > 
> > Also: jedermann UND dauerhaft (und kostenlos)? Weil es keiner kaufen
> > kann (um es dann jemandem vorzuenthalten), korrekt?
> 
> > Also nicht kommerzialisierbar, oder?
> 
> Er könnte die GPL-Software weiter entwickeln, und damit Geld machen.
> Das ist für mich Kommerz. 

Womit kann er Geld machen? Nicht mit der Software an sich. Natürlich
kann er Spenden einsammlen, weil er so einen schönen Schreibstil hat
oder Eintrittskarten für eine Ausstellung besonders schöner Code
Ausdrucke verkauft - oder weil ihm jemand Geld gibt, damit er *dieses*
und nicht jenes (zuerst) entwickelt, klar.

> Wir haben offenbar verschiedene Ansichten darüber, was eine
> "kommerzialisierte Software" ist. Du trennst scharf zwischen Lizenzen,
> Distribution und Support. Aber es bezieht sich doch alles nur indirekt
> auf die Software. 

Ja, "indirekt" bezieht sich alles irgendwie auf alles. Distributionen
und Support können eingestellt werden, da kannste nix machen. Wenn Novel
ab morgen kein SuSE mehr verkauft und Redhat seinen Laden dicht macht,
ist das eben so. Dann ist der Kram einfach weg. Gibt kein Support mehr
usw. Jemand könnte die Rechte am SuSE-Handbuch kaufen (sofern's nicht
GPL ist) und den Nachdruck niemandem erlauben und selbst nichts drucken.
Bums, ist kein SuSE Handbuch mehr zu kriegen.

GPL-Software wirds dann aber immer noch genau so geben.

> Und alles dient letztlich der Finanzierung der Software-Entwickler.
> Daher ist diese Unterscheidung Haarspalterei, wie es Olaf im anderen
> Teil-Thread anhand seiner "Arbeit für Geld"-Analogie schon versuchte,
> zu erklären.

Für mich ist es aber halt wesentlich, weil es z.B. dafür sorgt, dass es
nicht "verschwinden" kann. Das find ich total spannend. Mit jeder Zeile
GPL Code (oder vergleichbarer Lizenzen) wächst eine Art
"Allgemeinwissen". Freies oder nichtkomerzialisierbares Wissen. Wie der
Satz des Phytagoras (den kann auch keiner patentieren, kaufen oder
verbieten). Es ist einfach da. Und wird immer mehr. Find ich Klasse.

> > Ich glaube, das stimmt nicht. Ich kann meinen Code durch einen scrabbler
> > jagen und unter der GPL veröffentlichen.
> 
> Falsch. Quellcode ist nicht dadurch definiert, dass er vom C-Compiler
> verstanden wird.
> 
> Der Scrabbler ist wie der Compiler ein Programm, das Code entgegen nimmt
> und (Binär/Quell-)Code ausspuckt. Auch der Scrabbler muss erstmal mit
> Code gefüttert werden, und *das* ist dann der Quellcode.

Wo steht das? Warum ist der gescrabbelte Quellecode kein Quellcode,
obwohl er vom C-Compiler verstanden wird? Wo steht überhaupt, dass ich
"Hintergrundinfos" zu meinem Programm auch weitergeben "muss"?
Vielleicht hab ich ganz wichtige UML Diagramme als Basis für mein GPL
Framework - die ich nur für viel Geld anschauen lasse?

> Benutzt du in deinem Projekt einen Code-Generator, z.B. flex/bison, so
> ist auch da nicht der generierte C-Code dein Quellcode, sondern die
> Flex- und Bison-Dateien.

Und der Flex-Code, richtig? Und wenn Flex gar nicht unter der GPL läuft?
Sondern z.B. ne BSD-style-Lizenz hat? Und wenn ich ein kommerzielles
Tool Sourcecodeerzeugungstool verwende?

> > Kann jeder ändern, haha. Der
> > Kunde (der ja kein Kunde ist, weil er es gar nicht kauft) hat dann das
> > wichtige Mittel "orginal code" aber nicht.
> 
> Willst du schon wieder neue Begriffe erfinden?
> 
> Was du hier als "orginal code" bezeichnest ist *genau das*, was
> jedermann unter "Quellcode" versteht.
> 
> "Quellcode" kommt von "Quelle", also der erste Punkt, bei dem das
> Wasser aus dem Berg austritt. Übertragen auf Software also direkt das,
> was vom menschlichen Hirn über die Tastatur in den Rechner gelangt ist.

mmm.. Deutsche und englische Wikipedia sehen das anders:

| Unter dem Quelltext oder auch Quellcode (engl. source code) oder
| Programmcode versteht man in der Informatik den für Menschen lesbaren in
| einer Programmiersprache geschriebenen Text eines Computerprogrammes.
| Abstrakt betrachtet kann man den Quelltext eines Computerprogramms auch
| als Software-Dokument bezeichnen, welches das Programm so formal exakt
| und vollständig beschreibt, dass dieses aus ihm vollständig automatisch
| vom Computer generiert werden kann.

C ist menschenlesbar (auch wenn nicht unbedingt menschenverständlich,
aber das ist ja allgemein). In der englischen heisst es sogar: "Source
code (commonly just source or code) is any series of statements written
in some human-readable computer programming language." was noch viel
eindeutiger passt, da steht nichtmal, dass das in der" human-readable
computer programming language" geschriebene selbst menschenlesbar oder
gar menschenverständlich sein müsse.

Ich glaube, allgemein bezeichnet man als Source code die Eingabe von
Compilern (und Interpretern). Eine wahre, korrekte Aussage wäre damit
auch "bison erzeugt C source code aus Grammatiken".

> > > Stell dir eine Sony-Kamera vor, die doppelt soviel kostet wie normal,
> > > aber dafür auch mit Nicht-Sony-Speicherchips arbeitet, deren Linse man
> > > auch durch eine Zeiss/...-Linse ersetzen kann, und bei der die Baupläne
> > > mitgeliefert sind, sodass sie der Kunde in einer Fabrik seiner Wahl
> > > nachproduzieren lassen kann. Dort bekäme der Benutzer grob gesagt
> > > GPL-artige Rechte. 
> > 
> > Nein, bekäme er nicht, weil die die Kamera selbst nicht nachbauen
> > dürfte, sondern nu Nicht-Sony-Speicherchips oder Linsen.
> 
> Das wäre der Fall, wenn Sony eine Linse und einen Speicherchip verwenden
> würde, die beide unter LGPL stehen. :-)
> 
> Nein, du hast nicht richtig gelesen. Ich sprach davon, dass der Kunde
> die Pläne der Kamera bekommt, sowie das Recht, die Kamera in einer
> beliebigen Fabrik beliebig oft nachbauen zu lassen.

Also die kompletten Pläne der Kamera, nicht der Chips und Linsen? Ja,
dann bekäme er GPL-artige Rechte und Sony könnte niemandem verbieten,
diese Kamera zu bauen, richtig. Damit wären die Pläne
nicht-kommerzialisierbar ;)

> [GPL-Software]
> > "may charge a fee for the physical act of transferring a copy", klar
> > Aber Du kannst sie nicht kaufen und z.b. exklusiv oder gar nicht
> > lizensieren.
> 
> Etwas, das bereits an andere lizensiert wurde, egal ob propritär oder
> frei, kann sowieso nicht mehr exklusiv lizensiert werden. Genauso wie
> ein Informant dem Reporter keine Exklusiv-Story geben kann, wenn er
> sich schon woander verplappert hat.

Dein Beispiel hinkt, da Lizenzen (also Nutzungsverträge) durchaus
zeitlich befristet sein können. Und selbst wenn sie es nicht sind, kann
man sie durch Aufhebungsverträge zurückkaufen. Das geht auch mit
Verplapperungen, sofern noch nicht veröffentlicht. Man kann ja mit dem
"Wissenden" einen entsprechenden Vertrag machen.

All sowas geht bei GPL aber nicht. Ich glaub, die FSF sagt dazu "what
free is is free" im Sinne von "was frei ist/war, bleibt frei".

> > Nein, nicht auf den Source, sondern "the physical act of transferring a
> > copy".
> 
> Das ist doch genau die Sorte von Haarspalterei, über die sich auch Olaf
> schon aufgeregt hat. Letztendlich ist doch nur wichtig, dass Geld zum
> Entwickler der Software fließt, und damit ist es kommerziell.

na gut, wenn es für Dich ausreicht, dass "irgendwo in Beziehung dazu
stehend Geld fliesst", gibt es natürlich NICHTS, was nicht kommerziell
ist. Nichtmal die Nachbarschaftshilfe, weil Du die verschenkten
Schrauben ja irgendwann mal gekauft hast und so weiter.

Lass das bitte nicht das Finanzamt hören. Die suchen ständig sowas. lol

> Ob das über den Umweg einer properitären Lizenz geschieht, über den
> Umweg der "Verteilens", oder über den Umweg von Support, ist doch rein
> praktisch gesehen unerheblich.

Für mich als Softwareentwickler ist es das überhaupt nicht. Schreibt mir
mein Lizenzgeber vor, ab jetzt folgende Version einsetzen zu müssen etc.
pp, muss ich das machen (oder "aufgeben"). Das kann Firmen ruinieren
(macht man ja auch so, bevor man sie kauft). Beispielsweise sind viele
Firmen von MS abhängig. Richtig abhängig. Macht in der Praxis meiste
nix, weil erstens MS Geld verdienen will und nicht zum Rundumschlag
ausholen wollen wird und zweitens bei so extremen Sachen irgendein
Politiker notfalls ein Gesetz erfindet oder so. Aber für kleine kann das
sehr wichtig sein. Da gibt's bestimmte Chips (waren es bestimmte
statische Speicher? Weiss es nicht mehr genau) nicht mehr, weil es
neuere mit höheren Gewinnen gibt und die alten nicht mehr hergestellt
werden - und die kann auch kein anderer bauen, weil sie das nicht dürfen
(auch wenn es wirtschaftlich wäre). Stehste dann da, wenn Du diesen
statischen Speicher brauchst! Geht mit Software noch viel besser. Müssen
halt alle Windows XP lizensieren, wenn sie Office 2007 (?) nutzen
wollen.

Wenn das für Dich Haarspalterei ist, sei froh, wenn Dein Leben so
einfach ist :-)

> Wenn du so einen haarfeinen Unterschied als Begründung für deinen Begriff
> "nichtkommerzialisierbare Software" nimmst, dann wäre ja jede "Freeware"
> schon frei. Da bekommt das Programmier-Team ja ebenfalls kein Geld über
> die Lizenzen. Weil es sich jeder kostenlos runterladen kann, kann auch
> keiner Exklusiv-Rechte daran erwerben. Die, die ne Kopie haben, können
> sie ja immer noch legal kostenlos weiter verteilen.

Freeware ist ganz einfach kommerzialisierbar. Ich kann den Namen ändern
und sie verkaufen (je nach Lizenz natürlich; Freeware ist wohl ein
weiter Begriff). Der Autor kann auch jegliche Weiterentwicklung
blockieren (z.B. in dem er die Sourcen löscht). Geht bei GPL nicht, weil
man die ja mindestens auf Verlangen rausgeben muss.

> Auch Freeware wäre nach deinen Begrifflichkeiten "nicht kommerzialisierbar",
> aber sie ist ganz sicher keine "Freie Software", weil dem Anwender immer
> noch sehr wichtige Grund-Freiheiten vorenthalten werden: Studium des
> Quellcodes, Modifizierung für eigene Zwecke, dadurch keine Portierung
> auf andere/neuere Hardware, und daher keine Nachhaltigkeit, weder des
> Codes noch des Wissens.
> 
> Dein Begriff verfehlt einfach wichtige Eigenschaften freier Software,
> genauso wie auch "soziale Software".
> 
> 
> Zum Thema frei<->unfrei vs. kostenlos<->kostenpflichtig probiere ich
> mal eine Skizze:
> 
>       .|. kostenpflichtig  ,  kostenlos
> -------+----------------------------------------
> frei  '|' RHEL, SLES, ...  `  Linux, Gimp, ...
> unfrei |  Photoshop, ...      AcrobatReader, ...

Sind bei SLES nicht "unfreie" Teile dabei? War jedenfalls bei SuSE
IMAP-Server so. Ich glaub, bei SLES ist ne Arkeia Lizenz dabei, weiss
ich nicht mehr so genau. Ausserdem ist SLES keine Software, sondern eine
Distribution mit einem Vertrag (Support beispielsweise). Kostenpflichtig
daran sind Support und Arkeia-Lizenzen (oder was auch immer das genau
war).

Das mit dem kostenlos<->kostenpflichtig find ich nach wie vor
unerheblich.

> > Freie Software ist sowas wie
> > vielleicht "unabhängig" und zwar unabhängig von komerziellen Interessen
> > (z.B. es gar nicht nicht zu lizensieren, weil ein anderes Produkt mehr
> > Gewinn bringt).
> [...]
> > Vielleicht ist "nicht-kommerzialiesbar" sogar noch ein bisschen zu kurz
> > gefasst, auch nicht-komerzielle Interessen (vielleicht gäbe es eine
> > Sekte gegen die Programiersprache C oder so) sind geschützt.
> 
> Genau. Und wie nennt man den Schutz vor und die Unabhängigkeit von
> gewissen Interessen anderer?  Freiheit!

  "Freiheit wird in der Regel verstanden als die individuelle Möglichkeit,
  ohne Zwang zwischen verschiedenen Handlungsmöglichkeiten auswählen und
  entscheiden zu können."

Du hast die Freiheit, die IE Sourcen anzuschauen oder diese
Handlungsmöglichkeit nicht zu wählen (weil da noch ein NDA und sonstwas
dranhängt). Du hast die Freiheit, MS zu kaufen (wenn Du Dich mit den
Eigentümern einigst). Du hast sogar die Freiheit, Windows (CE) auf
andere Hardware-Platformen zu portieren (zahlst natürlich trozdem
Lizenzgebühren, klar).

Du tust ja so, als ob man bei z.B. Windows keinen Quellcode bekommen
könnte oder nichts ändern dürfe oder sonstwas. Das gilt aber alles nur,
wenn Du nur diese "EULA" hast. Du kannst aber mehr "lizensieren". MS
muss das aber nicht machen - das ist bei der GPL essentiell anders.

> Ich kann mir nicht helfen, aber der Begriff "Freie Software" ist in
> meinen Augen einfach mal verdammt gut gewählt. Er mag nicht perfekt
> sein, aber es "passen" sehr viel mehr Nebenbedeutungen, als bei allen
> anderen Begriffs-Versuchen, einschließlich "Open Source".

Ich glaube, dass kommt einfach nur daher, dass Du diese ("Computerwelt")
Interpretation so gewohnt bist, dass Du ihn daher so passend findest.
Andere sind "Geschäftsfreiheit" gewohnt und für wieder andere sind
"Frei" und "Freiheit" halt "die individuelle Möglichkeit, ohne Zwang
zwischen verschiedenen Handlungsmöglichkeiten auswählen und entscheiden
zu können".

> > Für mich ist es Kommerz mit "irgendwas neben der Software", ausserhalb
> > des GPL Scopes (wie treffend in Deutsch? Sichtfeldes? nee...),
> 
> Bevor sich Philipp zu Wort meldet, mach ich mal schnell nen Vorschlag:
> Einflussbereich. Also:
> 
>     ... außerhalb des Einflussbereiches der GPL ...

ja, Danke, prima.

oki,

Steffen

-- 
Dieses Schreiben wurde maschinell erstellt,
es trägt daher weder Unterschrift noch Siegel.





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