[linux-l] Selbstständigkeit zu Selbsterfüllung? (war: Sozalabbau)

Volker Grabsch vog at notjusthosting.com
So Okt 8 17:17:46 CEST 2006


On Sat, Aug 26, 2006 at 01:49:34AM +0200, Steffen Schulz wrote:
> > > Solche Faecher werden heute studiert, weil man schon vorher keine
> > > Chancen auf nen Job hat.
> > Das ist 1.: eine Unterstellung 2.: Wenn es zutreffen würde: selber
> > schuld, daß die Dame keinen Job bekommt 3.: Wenn das die einzige
> > Einstellung ist zum Studium, später einen Job dadurch zu bekommen,
> > sicherlich die Quittung, die berechtigt ist!
> 
> Klar. Ganz so'ne krasse Einstellung haben auch nur wenige. Aber wenn du
> mit dem Abi fertig bist und sich nichts findet, was willst du denn dann
> machen? In na Richtung zu studieren, die man ganz interessant findet,
> ist oft das Mittel der Wahl. Erhoeht die Chancen wenigstens /etwas/.

Oliver, Steffen: Man könnte meinen, ihr zitiert Paul Graham. :-)

Er setzt diese Argumentation übrigens in die Richtung fort: Wenn man
etwas gefunden hat, worin man gut ist, was einen Spaß macht, *und*
was für andere nützlich ist, und dort keine Anstellung findet, oder
eine Anstellung bekommt, in der man sich in entfalten kann, dann sollte
man sich selbstständig machen. Ein beliebtes Zitat, von mir sinngemäß
übersetzt, lautet: "Der Firmen-Chef und die Marketing-Abteilung sind
letztlich nur ein Proxy für den Kunden."  Wenn diese "Proxies" nicht
richtig funktionieren, muss man sich eben direkt an die Kunden wenden.

> Die allgemeine Ratlosigkeit ueberrascht mich auch immer. Vllt hab ich
> auch nur Glueck, gerade rechtzeitig genau das Richtige gefunden zu
> haben, aber ich glaub auch, dass vielen Leuten ein wenig der Draht zum
> inneren Dingens fehlt.

Ich glaube, auch Initiative ist wichtig. Selbst Kleinigkeiten, die man
"einfach nur machen braucht", können das eigene Leben entscheidend zum
Besseren ändern.

Mir hat früher z.B. jemand empfohlen, mal bei der Berliner PHP-Usergroup
vorbei zu schauen, weil da sehr interessante Leute seien.

Viele Monate, ein halbes Jahr war es wohl, habe ich mich nicht so sehr
dafür interessiert. Wir war schon in einer kleinen 3-Mann-GbR, wir
hatten durch etwas Glück 2 größere Kunden, von denen in unregelmäßigen
Abständen kleinere Administrations-Aufträge kamen.

Als ich mal Zeit hatte, beschloss ich dann, mich in die PHP-Usergroup
einzufügen. Auf der Mailingliste war ich, und dachte, als Einstieg kann
ich der Gruppe gleich mal was beisteuern. Irgendwas für Programmierer
interessantes, womit ich mich kürzlich näher beschäftigt haben - ah ja,
Subversion. Die Vorbereitung war nicht hart, das meiste konnte ich aus
dem Stegreif erzählen, und es hat wirklich Spaß gemacht. Und obwohl ich
es gar nicht darauf abgesehen habe, kamen Gespräche zustande von Leuten,
denen ich einen SVN-Server einrichten sollte, oder die irgendwas anderes
brauchten, mit dem ich mich zufällig auskannte, und so kam man ins
Gespräch und aus zwei dieser vielen Gespräche ergaben sich dauerhafte
Auftraggeber, für die ich mittlerweile auch völlig andere Dinge tue
außer denen, für die ich ursprünglich angeheuert wurde.

Man *kann* also sehr wohl selbstständig sein, *gerade* mit Computer-
Fachwissen. Ob das alles ausreichen wird, um nach dem Studium wirklich
davon leben zu können, weiß ich nicht. Und natürlich nerven auch mich
die Steuer-Erklärungen und dass ich privat für meine Zukunft vorsorgen
muss, und dass ich für Zeiten ohne Aufträge kein Arbeitslosengeld o.Ä.
bekommen werde.

Aber ich habe trotz allem nicht das Gefühl, vom Staat für das Ergreifen
der Initiative "bestraft" zu werden. Selbstständigkeit *ist* ne menge
Arbeit, aber was einem vom Staat aufgehalst wird, ist nur ein Bruchteil
davon. Zu viele haben irrationale Angst davon, was in Deutschland IMHO
kulturell bedingt ist. Jeder denkt, er bräuchte unbedingt einen Steuer-
berater oder ein BWL-Studium.

Staatliche Zuschüsse wie die "Ich-AG" sollten die Hemmschwelle senken,
und das ist ne gute Idee, auch wenn es für uns nicht ausschlaggebend war
(als wir die GbR 2002 gründeten, gab es diese Zuschüsse AFAIR noch nicht).
Aber besser wäre es z.B. einfach Crash-Kurse anzubieten. Wenn man als
Schüler oder Abiturient einfach mal beigebracht bekommt, mit möglichst
billigen Mitteln eine Ich-AG oder kleine GbR zu verwalten. Ein bisschen
doppelte Buchführung mit ner Tabellenkalkulation oder GnuCash, ohne zu
viel Theorie, einfach Quittungen sammeln und eintragen und summieren.
Die richtigen Zahlen in Einkommens- und Umsatz-Steuerklärtungen einfach
mal eintragen, und für die "Fortgeschrittenen" die Anlage-N (Zahlen von
der Lohnsteuerkarte abpinseln), Anlage-Kind oder Umsatzsteuer-
Vorauszahlungen. Für die Programmierer unter den Schülern als Fingerübung
das ganze automatisieren lassen, vielleicht wird sogar freie Software
daraus. *Das* würde doch mal die Hemmschwelle senken.

Von den "IT-Selbstständigen", die es hier in der BeLUG gibt, würde
mich mal interessieren, was sie sich früher gewünscht hätten.

Und wie sieht eigentlich ein BWL-Studium aus. Ich weiß, ich sollte an
meiner Uni einfach mal ein oder zwei entsprechende Vorlesungen besuchen,
aber falls das jemand als Vorbereitung für die Selbstständigkeit studiert
hat: Was lernt man dort? Ist das sinnvoll? Oder sollte man, wie es Paul
Graham behauptet, lieber seine Zeit nicht für BWL verschwenden?

(seine Argumentation: weil man als Hacker ohnehin intelligent genug ist,
um Sachen wie Marketing, Buchführung und Steuererklärungen nebenbei
mitzukriegen. Sinngemäßes Zitat: "Für BWLler ist es viel schwieriger,
ein IT-Unternehmen zu führen als für einen Hacker. Weil das Hacken die
Hauptarbeit ist, und nicht das Business-Zeug. Und weil das Erlernen des
Business-Zeugs trivial ist im Vergleich zum Erlernen des Hackens.")


Viele Grüße,

    Volker

-- 
Volker Grabsch
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