[linux-l] apt-get und synaptic streiken

Volker Grabsch vog at notjusthosting.com
Di Apr 10 11:01:31 CEST 2007


On Tue, Apr 10, 2007 at 09:24:12AM +0200, Lutz Gruhlke wrote:
> Gibt es eigentlich in Berlin soetwas wie eine Linux-Schule. Ich meine 
> eine wo der Kurs nicht 1000 € aufwärts kostet?

Die bekanntesten Veranstalter sind CCC, BeLUG und Newthinking. Da
gibt es immer wieder mal irgendwelche Veranstaltungen oder Vorträge.
Darüberhinaus veranstalten die Unis hin und wieder was. Das sind
aber alles Einstiegs-Veranstaltungen oder bestimmte spezielle Themen.

Ich habe mal im Rahmen des UfU e.V. mit Kaufmanns-Azubis und -Azubinen
einen Linux-Kurs gehalten. Auch das war aber Themengebunden: Der
Schwerpunkt lag auf Bürotätigkeiten und Netzwerk.

Aber hier sieht man auch schon das Problem: Einen allgemeinen
"Linux-Kurs" wird es kaum geben. Der Einstieg ist leicht, da bietet
dir jede Installations-Party genug Anhaltspunkte, von denen aus du
das System weiter erforschen willst.

Aber in welche Richtung willst du weiter forschen?

Die einen haben mit Internet nichts am Hut, ihnen reicht irgendein
Browser. Andere wollen gleich Mails, News, IM, etc. haben. Die einen
können mit Office-Programmen nichts anfangen, anderen zeigt man
sämtliche OpenOffice-Komponenten, KOffice & Co. Noch andere wollen
intensiv programmieren, da kommen dann verschiedene Texteditoren,
IDEs, GUI-Designer, etc. zum Zuge. Dicht damit verbunden sind dann
Shell-Scripte und Makefiles. Dann gibt es Grafiker/Musiker, die könnten
eher eine Einführung in Soundtracker, Gimp und Inkscape vertragen.

Das alles hat nichts mehr direkt mit Linux zu tun, es sind lediglich
die "Anwendungen", die es auch bei anderen Betriebssystemen gibt.
Dennoch müsste sie ein Linux-Kurs behandeln.

Es wäre natürlich schön, wenn die meisten Computerkurse nicht
Windows-spezifisch wären. Ein Kurs über Office-Programme könnte
OpenOffice verwenden, erstmal nur Zeug machen, das überall geht,
und in einer Unterrichtseinheit auf Details von Linux, Mac, Windows
eingehen. Genauso Internet-Kurse, Grafikdesign-Kurse, etc.

Aber soweit ist die Entwicklung leider nicht. In Fernsehsendungen
gibt's Kaufempfehlungen und Vergleiche für neue Rechner. Bei der
Frage des Betriebssystems geht lediglich um die Frage, ob man sich
schon Vista holt, oder lieber bei XP bleibt. "Betriebssystem" und
"MS Windows" werden synonym verwendet!

Ein Linux-Kurs müsste daher *alles* abdecken. Zunächst die Grundlagen,
was wie beim Windows- oder Mac-Kurs natürlich systemnah ist. Aber eben
auch alles andere: Office, Internet, Design, ... denn die herkömmlichen
Kurse werden kaum weiter helfen, da werden die nicht-MS-Systeme erstmal
diskriminiert, und das fängt schon in der Schule an.

(... obwohl ich Glück hatte. Zwar ein kranker Lehrplan, aber die
Informatik-Lehrer selbst konnten über den Tellerrand sehen. So weit,
dass man seine Word-Aufgabe auch in OpenOffice oder LaTeX erledigen
durfte, ging es aber leider nicht.)

Einzige Ausnahme: Grafik-Design. Da wird in der Regel alles diskrimiert,
was nicht-Mac ist. Ist auch nicht toll, aber macht die Situation etwas
erträglich. Würde mich nicht wundern, wenn zukünftige Programmier-Kurse
alles diskriminieren, wass nicht Gentoo oder FreeBSD ist. ;-)  Aber
heutzutage gelten noch unnötig komplizierte Excel-Tabellen mit ein paar
VisualBasic-Macros als "programmieren". (... was es *technisch* gesehen
auch ist ;-), aber wenn sich diese Dinger zu großen Monstern aufblähen,
statt auf solider Basis gebaut zu werden, ist das nicht mehr lustig)

Aber ignorieren wir mal die Probleme. Es könnte ja sein, dass der
Einstiegskurs so gut ist, dass du später irgendwelche Mac- und Windows-
spezifischen Kurse besuchen kannst und das gelernte trotzdem auch unter
Linux umsetzen kannst. Dann bleibt immer noch die Frage, was ein Linux-
Kurs denn behandeln sollte. Eine Linux-Distri besteht aus tausenden
Programmen. Für jedes Problem gibt's 5 verschiedene Lösungen. Man könnte
einen 5tätigen Kurs damit füllen, sämtliche graphischen Oberflächen
anzusehen und sich darin einzuarbeiten. Von KDE und Gnome über
Enlightenment, IceWM, Fvwm2 bis hin zu wmii und blackbox. Einem
Einsteiger dürfte diese breite Palette aber kaum etwas bringen. Das
wäre, als ob man in der ersten Klasse mit den Peano-Axiomen anfängt,
statt die Schüler erstmal bis 10 oder 20 zählen zu lassen.

Man wird sich auf eine bestimmte Distribution einschränken, auf eine
bestimmte graphische Oberfläche, auf eine bestimmte Teilmenge der
Werkzeuge halt. Die einen werden KDE, Konqueror, KOffice machen.
Andere viele Gnome, Firefox und OpenOffice. Noch andere zsh, lynx
und vim. ;-)

Die Linux- und BSD-Systeme sind so vielfältig, dass kein Kurs jemals
dem Anspruch eines "Linux-Kurses" gerecht werden kann. Vielleicht
kann es GNOME-Kurse, KDE-Kurse, Enlightenment+OpenOffice+Firefox-
Kurse geben. Aber auch hier stellt sich dann wie Frage: Welcher Kurs
ist wirklich einsteigerfreundlicher?

Selbst die Kommandozeile, die vielen Leuten aus der Windows-Welt
so primitiv vorkommt, ist für Computer-Neulinge scheinbar super
geeignet, wenn man sie entsprechend einführt. (s. URL, die ich
vor kurzem gepostet habe: die Teilnehmer fanden danach die
*graphischen* Werkzeuge umständlich und kompliziert! und haben sich
an der Kommandozeile viel wohler gefühlt)

Also entweder die Bandbreite abdecken, aber das bringt nur
Fortgeschrittenen was. Oder etwas Spezielles herausgreifen und
intensiv damit arbeiten, dann werden sie aber mit anders
zusammengestellten Linuxen nichts anfangen können.

Einen Einsteigerkurs, nach dessen Absolvierung die Teilnehmer an
irgendeinen Linux-Rechner gehen können und diesen problemlos bedienen,
wird es aber nicht geben können.


Viele Grüße,

    Volker

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